Umland, Bonn: Die Geschichte liest sich wie die Ermittlungsakte eines Kriminalfalls: Im Depot des Bonner LandesMuseums stieß Dr. Hans-Hoyer von Prittwitz vor einiger Zeit auf das Fragment einer kleinen römischen Büste. Von dem dreidimensionalen Portrait eines Imperators ist allerdings nur noch der aufwendig gearbeitete Hinterkopf erhalten. Seit 1877 lagert das kostbare Stück in den unterirdischen Katakomben einer Außenstelle des Bonner LandesMuseums. Im Inventarbuch ist verzeichnet, dass damals ein Bergbaudirektor namens Dechen die Reste eines aus dunkelgrünem, ägyptischen Malachit gearbeiteten Portraits dem Museum schenkte. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass dieses Teilstück einer römischen Büste in Stolberg gefunden worden sei.
Dieser Zufallsfund im Depot weckte Prittwitz‘ Neugier. Er nahm das 15 Zentimeter hohe, fein ziselierte Fragment nun genauer unter die Lupe. Er war sich sicher, dass es sich bei dem kleinen Büsten-Fragment um die Darstellung eines römischen Herrschers handeln musste. „An der Art, wie die Locken aus dem Stein herausgearbeitet waren, konnten wir das Alter der Arbeit bestimmen.“ Charakteristisch sei die Ausarbeitung der so genannten „Haarspinne“. Von einem gedachtem Wirbel am Hinterkopf wurden die einzelnen Haarsträhnen in drei Lagen modelliert. „Das ist typisch für römische Portraits aus der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts“, führt der Experte aus. Das sei eine Modeerscheinung der damaligen Zeit gewesen. Dank dieser typischen Merkmale ließ sich das Entstehungsalter des steinernen Portrait-Fragments exakt eingrenzen. „Es musste sich also um eine Büste von Kaiser Augustus handeln.“
„Wir konnten allerdings nicht genau sagen, wie der vordere Teil des Gesichtes aussah“, räumt von Prittwitz ein, denn während Augustus‘ Regentschaft waren verschiedene offizielle Portraits des Herrschers in Umlauf, die unterschiedliche politische Botschaften transportierten. Während die wenigen frühen Abbilder den Herrscher Augustus als „Arbeiter für den Staat“, als Erneuerer der Republik, darstellten, zeigten ihn die zahlreichen späteren Büsten als vergeistigten, gottähnlichen Kaiser. „Bereits bei den römischen Politikern gab es einen ausgesprochenen Personenkult“, merkt Hans-Hoyer von Prittwitz schmunzelnd an.
Um das Gesicht des römischen Kaisers zu komplettieren, setzten die Fachleute des Bonner LandesMuseums gemeinsam mit Marcel Perse vom Jülicher Museum Zitadelle kriminalistischen Spürsinn ein und spielten mit all ihnen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten. Zunächst wurde das Malachit-Original im Forschungszentrum Jülich (ZEA-1) eingescannt und anschließend ein weiteres, erhaltenes Augustus-Portrait aus dem Jülicher Museum ebenfalls per Scanner erfasst. Hierbei handelt es sich um den Abguss einer zeitgleichen, aber größeren Augustus-Büste aus dem Louvre. Zusätzlich wurde ein kleines Glasköpfchen des Augustus aus dem Römisch-Germanischen Museum in Köln digital vermessen. Dieser Maßstab musste allerdings für die Anpassung der geplanten „Gesichtsprothese“ vergrößert werden.Danach konnten die so erhaltenen, digitalen Datensätze der unversehrten Kaiser-Köpfe an das Stolberger Fundstück angepasst werden: Die gespeicherten Informationen wurden miteinander kombiniert und an die vorgegebene Bruchkante des römischen Büsten-Fragments aus Stolberg angeglichen. Dank all dieser gesammelten und aufeinander abgestimmten Daten der einzelnen Versatzstücke konnte dann erstmals ein vervollständigtes Exemplar im 3D-Druckverfahren erstellt werden.
Bis Ende November ist die mit modernster Technik erstellte Rekonstruktion des Augustusköpfchens und der fast 2.000 Jahre alte Stolberger Originalfund nun kostenlos im Foyer des Bonner LandesMuseums zu sehen. Weitere Informationen zum Museum unter www.landesmuseum-bonn.lvr.de.
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