Euskirchen: Nun ist es also soweit, die Assimilation schreitet voran: Das erste Mal in meinem Leben werde ich an einem Rosenmontagszug teilnehmen! Na und, denken Sie sich jetzt vielleicht, das ist doch nichts Besonders. Doch so einfach ist es für mich als so richtig echtes Nordlicht nicht, wie jetzt manch einer denken würde. Kostüm über, Kamelle werfen und Karnevalslieder anstimmen. Lieber Rheinländer, lass‘ es dir einmal gesagt sein: Die Fünfte Jahreszeit ist für jemanden, der Karneval nur aus dem Fernsehen kennt und sogar schon einmal versucht hat, am Rosenmontag geschäftlich jemanden in Köln zu erreichen, so etwas wie ein Eintauchen in eine andere Dimension, ein anderes Universum, eine Parallelwelt.
Mit großen Augen bin ich vor etlichen Jahren durch die Straßen gelaufen und habe im November verwundert die kostümierten Gestalten angesehen, die auf einmal überall anzutreffen waren. Dann musste ich beruflich zu den ersten Sitzungen – wieder dieses Gefühl, in ein Paralleluniversum einzutauchen. Kaum erklingen die ersten Töne im 3/4-Takt, geht es los, das Schunkeln, garantiert und egal, ob Karneval oder nicht. Achten Sie mal darauf. Der Rheinländer ist eben so gepolt, es liegt vermutlich in den Genen.
Zugegeben, wenn die Mini-Garden auf die Bühnen stürmen, die Musik beginnt und die Kleinen ihre Beinchen in die Höhe werfen, ist das zuckersüß und einfach nur putzig. Wie stolz sie sind, wenn sie ihren Auftritt geschafft haben! Dann sind da noch die Showtanzgruppen, die einem großen Respekt abfordern mit ihren akrobatischen Figuren und mitunter wirklich tollen Choreographien und fantasievollen Kostümen. Viel zu lachen gibt es, wenn die regionalen Redner auf die Bühne steigen und mit Witz und Charme über das Lokalgeschehen sinnieren. Sie merken schon, der Karnevalsvirus wirkt langsam. Er dringt in mich ein und beginnt, sich langsam festzusetzen. Die Kostümierten erscheinen mir längst nicht mehr wie von einem anderen Stern.
Und nun das: Ich werde das erste Mal im Zug mitlaufen. Und zwar in Euskirchen, organisiert von der evangelischen Kirche. Schließlich ist dieses Jahr Luther-Jahr und bei den Überlegungen in der Gemeinde, was man denn für Veranstaltungen anbieten könnte, war schnell die Idee geboren, am Zug teilzunehmen. Das erste Mal, deshalb stehen wir auch ganz weit vorne: An siebter Stelle. Aber zu übersehen werden wir nicht sein. Wenn Sie sich also den Zug anschauen, achten Sie auf die Gestalten im Talar – 60 an der Zahl, inklusive ein paar Kinder. Die Kostüme sind übrigens selbst genäht! Einige engagierte Gemeindemitglieder haben sich des öfteren im Gemeindesaal getroffen und die Nähmaschinen angeworfen, um für alle Teilnehmer ein passendes Kostüm zu fertigen. Andere sägten und schraubten fleißig an unserem kleinen Zugwagen, der von zwei Fahrradfahrern gezogen wird. Der Luther-Kutter wird also durch Euskirchen fahren und die frohe Botschaft überbringen: Es ist Karneval, die närrische Zeit. Scherz beiseite: Wir werden keine Thesen an irgendwelche Türen schlagen oder Bibeln unters Volk werfen, sondern wie alle anderen auch unsere Kamelle verteilen. Erbsensuppe gibt es übrigens auch.
Kürzlich beim Vorbereitungstreffen habe ich dann gemerkt, dass Karneval doch irgendwie auch eine ernste Sache ist. Wir haben eine umfangreiche Zugordnung überreicht bekommen: „Die müsst ihr euch bis Rosenmontag durchlesen.“ Darin ist aufgelistet, was unter „geeignetes Wurfmaterial“ fällt. So manch einer kommt da anscheinend auf etwas absurde Ideen: Im letzten Jahr hätte einer bei einem Zug Farbeimer geworfen, wurde erzählt – die Größe, ob drei, fünf oder mehr Liter-Eimer wurde nicht überliefert. Laut Zugordnung ist das natürlich nicht gestattet, was ja durchaus Sinn macht. Wer möchte schon einem Farbeimer an den Kopf geworfen bekommen. Aber wie gesagt, vom Luther-Kutter gibt es nur Leckereien und Suppe „in kleinen Dosen“. Und natürlich jecke Lieder zum Mitsingen und Mittanzen. Ich bin ja mal gespannt, wie das so wird… mitten drin im Zug. Meinen Erfahrungsbericht „Rosenmontag zum Zweiten“ können Sie dann ab Dienstag lesen.
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