Heimbach: Tagein, tagaus sitzt er an der Heimbacher Rurufer-Promenade – selbstvergessen in sein Spiel vertieft. Egal, was die Temperaturen sagen: Er fiedelt unverdrossen vor sich hin. Auch muss er sich nicht – wie andere Straßenmusiker in großstädtischen Fußgängerzonen – um GEMA-Genehmigungen oder Konzessionen kümmern. Dieser Geiger kann gedankenverloren dem wechselnden Melodienfluss der Rur lauschen und diesen Klang mit seinem virtuellen Spiel ergänzen.
Inzwischen ist die filigrane Skulptur der Bildhauerin Luise Kött-Gärtner zu einem weiteren Wahrzeichen der kleinsten Stadt in Nordrhein-Westfalen geworden. Immer öfter lassen sich Touristen neben der Bronze-Figur fotografieren, die 2008 während des Kammermusik-Festivals „Spannungen“ feierlich eingeweiht wurde. Damals griff die renommierte Violinistin Katherine Gowers zu ihrem Instrument, um gemeinsam mit den Kindern der Heimbacher Grundschule den neuen „Stadtmusikanten“ zu begrüßen.
Als dann 2012 die „Häkel-Guerilla“ einen bestrickenden Angriff auf das Städtchen organisierte und viele öffentliche Einrichtungen mit Wolle ummantelte, wurde es auch dem Geiger ganz warm ums Herz. „Wir haben uns heute früh schon gewundert, dass der einen Schal anhat“, amüsierten sich Bauleiter Daniel Lansch und Polier Richard Welther, die damals die Renovierungsarbeiten an der Brücke Über Rur betreuten. „Bei dem Wetter fehlt ihm aber noch eine warme Hose“, gaben die Beiden allerdings zu bedenken, bevor sie den ausdauernden Musiker während der Bauphase im städtischen Bauhof einquartierten. Natürlich mit Schal! Kaum war sein angestammter Platz oberhalb der Rur restauriert, fanden viele spontane Street-Art-Aktionen rund um den stoischen Heimbacher Musikus statt. Zunächst war es nur ein wärmender Schal, der den schlanken Hals zierte. Es folgten viele weitere. Aber welcher wärmte zuerst? War es der rote, der gelbe, oder doch der kunterbunt gestreifte, in den mit schillerndem Lurex-Garn das Wort „Heimbach“ gestickt war? Später erinnerte mal ein mit Münzen gefüllter Hut zwischen den Knien des Geigers an den täglichen finanziellen Überlebenskampf von Straßenkünstlern. Die Anwohner amüsierten sich und die Touristen hatten ihr passendes Foto-Motiv.Damit die gestrickten Trophäen nicht als Urlaubs-Souvenir eingeheimst werden konnten, waren die Accessoires stets auf den Leib des Künstlers „geschneidert“, fachmännisch vernäht und somit gesichert. Im Laufe der Zeit entfachte sich ein wahrer Wettstreit zwischen den anonymen Strickerinnen: Der Geiger erhielt fürsorglich Westen, Gürtel und Gamaschen. Immer – Masche für Masche – auf Maß gearbeitet. Mal wärmte ihn ein gelbes Westchen. Dann wieder spielte er im lila Jöppchen auf. Später trug er plötzlich farblich passende Gürtel oder Stulpen. Bis ins kleinste Detail wurde ihm beispielsweise ein bairisches Outfit angepasst – mit leuchtend rotem Janker und keckem Hütchen. „Die Mützen habe ich aber abgenommen. Damit sah er nicht mehr aus wie ein Geiger, sondern wie eine alte Frau“, gesteht Luise Kött-Gärtner, die die künstlerischen Aktionen rund um ihren Geiger interessiert beobachtet. Aber keine Sorge, die liebevoll gestrickten Kopfbedeckungen seien in ihrem Atelier gut aufbewahrt, versichert sie.
2014 schmückte das Konterfei des Geigers übrigens Prospekte und Veranstaltungsbanner der regionalen Volkshochschule – allerdings ohne wärmende Schals und Schnick-Schnack. „Vor einigen Tagen trug er aber noch einen grau-weiß gestreiften Schal, den wohl irgendein Spaziergänger verloren hat“, beschreibt die Künstlerin die modischen Eskapaden ihrer Skulptur.
Eins ist gewiss: Zu Karneval schlängeln sich garantiert wieder bunte Luftschlangen um den unermüdlichen Musiker am Rurufer…
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