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Viele der lindernden Duftstoffe wachsen vor der eigenen Haustür. [Fotos: bwp]

Schmerzen müssen nicht sein: 20 Jahre Hospiz Rureifel

Nideggen: „Zu Beginn waren wir nur eine Gruppe engagierter Bürger, die sich Gedanken über ein menschenwürdiges Sterben machten“, betonte Pastoralreferent Werner Conen. „Doch schon bei den ersten drei Treffen unserer jungen Initiative wurden wir förmlich überrannt“. Das war vor 20 Jahren. Mittlerweile ist der Verein „Hospiz Rureifel“ eine etablierte Institution in der Region, die Sterbende und deren Angehörige ehrenamtlich begleitet und ihnen in der Phase des Loslassens mit Rat und Tat zur Seite steht. Zum 20-jährigen Bestehen veranstaltete das Hospiz-Team nun einen Infotag in der Nideggener Stadthalle.

Palliativ-Medizin, die schmerzlindernde Begleitung in der letzten Lebensphase, sei eine relativ „junge Disziplin“, erläuterte Dr. Nadim Bidaoui. In seinem Vortrag „Schmerz trifft Leben“ machte der Heimbacher Hausarzt und Palliativ-Mediziner in klaren Bildern deutlich, wie viele unterschiedliche Schmerzarten es gibt und welch unterschiedliche Signale das Phänomen „Schmerz“ aussenden kann. Der „akute Schmerz“ – als Beispiel nannte er die Hand auf der heißen Herdplatte – gelte als Warnfunktion, als Botschaft des Gehirns „Achtung, hier stimmt was nicht“. Der „chronische Schmerz“ habe sich bereits eingenistet und wirke für den Patienten stark einschränkend. Beim „projizierten Schmerz“ gaukele das Gehirn manchmal Schmerzquellen vor. Hier diente ihm der „Musikantenknochen“ als Beispiel. Jeder, der sich schon einmal heftig den Ellbogen gestoßen hat, kennt das Gefühl: Plötzlich kribbeln die Finger, obwohl die Schmerzursache gar nicht in der Hand liegt. Ein besonderes Phänomen sei der „Phantomschmerz“: Der Patient fühlt heftige Schmerzen, obwohl das Körperteil bereits amputiert ist.

Um für jeden Sterbenden eine lindernde, erfolgreiche Schmerztherapie durchführen zu können, erläuterte der Facharzt, werde zunächst ein „Schmerztagebuch“ geführt, um die gefühlte Beeinträchtigung zu erfassen. Danach könnten begleitende Palliativ-Mediziner die Höhe der schmerzlindernden Medikamente, die so genannte „Basismedikation“, individuell auf den Patienten abstimmen. Wichtig sei, diese Medikamente „by the clock“, also pünktlich und regelmäßig einzunehmen, damit keine „Schmerzkurven“ entstehen. Um plötzlich auftretende „Schmerzspitzen“ abzufedern, können dann außerdem schnell wirksame Zusatz-Medikamente verabreicht werden.

Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben geben.

Diese Botschaft von Cicely Saunders praktizieren die ehrenamtlichen Helfer des Hospiz Rureifel Tag für Tag.

Bei palliativer Sterbebegleitung ist ein enger Austausch mit dem Patienten und den betreuenden Angehörigen – egal, ob zuhause, im Hospiz oder der Klinik – wichtig. „Manche Patienten wollen unbedingt durchhalten, bis ein wichtiges Familienereignis wie zum Beispiel die Hochzeit der Kinder gefeiert werden konnte“, schilderte Dr. Nadim Bidaoui aus seiner Erfahrung als Mediziner. Andere Sterbende wollen sich einfach nur fallenlassen. Bei Demenzkranken müsse man besonders auf die nonverbale Körpersprache der Sterbenden achten, appellierte er und gab den Zuhörern kleine, aber wertvolle Tipps zur Hand. Zum Abschluss seines Vortrages betonte er auf Rückfragen aus dem Publikum: „Jeder Patient hat das Anrecht auf palliative Versorgung. Schmerzen müssen nicht sein!“

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Aroma-Expertin Claudia Halverscheidt und Palliativ-Mediziner Dr. Nadim Bidaoui setzen sich für ein menschenwürdiges Sterben ein.

Welch beruhigende Wirkung bestimmte Duftstoffe haben können, darüber referierte anschließend Aroma-Expertin Claudia Halverscheidt in ihrem Vortrag „Duft trifft Schmerz“. Als gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin, die selbst seit sechs Jahren als ehrenamtliche Hospiz-Begleiterin tätig ist, beschäftigt sie sich seit über 15 Jahren mit Aromatherapien und kennt die Pflanzen und ihre wohltuenden Wirkungen aus dem Eff-Eff. „Das sind Stoffe, die uns seit Menschengedenken begleiten“, erklärte sie den interessierten Besuchern des Infotages. „Duft kennt keine Grenzen“, lautet ihre Botschaft. Denn egal, ob einmassiert oder inhaliert, viele naturreine Pflanzenöle wirken auch auf dem Sterbebett beruhigend und lindernd.

Um die Wirkstoffe, die oft vor der eigenen Haustür wachsen, vorzustellen, hatte sie an ihrem Informationsstand eine Art Quiz vorbereitet: In dekorativen Gläsern standen Rosen oder scheinbar ganz banale Küchenkräuter wie Majoran oder Thymian. Zunächst sollten die Besucher schnuppern und raten, um welche Pflanze es sich handelt. Die wertvolle, oft vergessene Wirkungsweise dieser Gewächse wurde dann auf kleinen, verdeckt liegenden Informations-Karten erklärt.

Seit 20 Jahren betreut die Initiative Hospiz Rureifel Sterbende und deren Angehörige. Für die engagierte Gruppe steht stets der Mensch im Vordergrund. Bevor jedoch die ehrenamtlichen Mitarbeiter Trost und Hilfe spenden können, durchlaufen sie eine zweijährige Ausbildung, die insgesamt 120 Stunden beinhaltet. Auch danach treffen sich die Mitarbeiter regelmäßig unter Leitung von Koordinatorin Ellen Schmidt, Elke Schönau, der ersten Vorsitzenden, und Seelsorger Werner Conen, um sich weiterzubilden und in einer gemeinsamen Supervision die Erlebnisse zu verarbeiten. Ihre gelebte Botschaft lautet: „Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben geben.“ Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ehrenamt, Medizin und spiritueller Begleitung konnte so im Laufe von zwei Jahrzehnten ein Netzwerk wachsen, das Patienten und deren Angehörigen umfassende Hilfe anbietet. Ellen Schmidt ist im Hospizbüro, Kirchgasse 6, 52385 Nideggen, montags und donnerstags von 13.30 bis 15.00 Uhr zu erreichen. Telefon: 02427 – 904263 oder 0178 – 9813452.
Nähere Informationen zum Hospiz Rureifel und dem angeschlossenen „Trauercafé“ finden sich im Internet unter www.hospiz-rureifel.de.
3.6.2016LebenNideggen0 Kommentare bwp

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