Eifel: Unsere Trauerkultur ist im Wandel: Immer mehr Beisetzungen in kleinster Runde oder gar anonym, als Urnengrab auf dem Friedhof oder auf der Wiese und im Wald. Doch was bedeutet es eigentlich, Abschied von einem Menschen zu nehmen – für uns Hinterbliebene und für den Verstorbenen selbst? Propst Helmut Wöllenstein geht dieser Frage nach.
Eine junge Frau ist bei mir zum Gespräch. Sie will Pfarrerin werden. Was sie dazu bewegt? – Schon als Kind hat sie gelernt, Orgel zu spielen, bald auch im Gottesdienst. „Sie werden mir nicht glauben“ sagt sie, „aber ich spiele am liebsten bei Beerdigungen.“ Ich glaube ihr sofort. Als Teilnehmer von Trauerfeiern hat mich Musik manchmal mehr getröstet als die Worte. Ich höre zu und kann doch meinen Gedanken nachgehen. Ich schaue auf den Sarg und denke an die Person, die darin liegt. Wer war sie für mich, was haben wir zusammen erlebt? Nach der Musik kann ich auch die Worte anders hören: Der Zuspruch aus der Bibel und die Geschichten aus dem Leben des Toten bekommen einen besonderen Klang.
Immer mehr Menschen verzichten heute auf eine Trauerfeier. Oder sie soll nur ganz klein sein, im engsten Familienkreis. Keine Gemeinde, keine Lieder, keine Orgel. Nur ein paar Worte, das Nötigste. Und ein Grab soll`s auch nicht geben. Beisetzung auf einer Wiese oder im Wald, anonym und pflegeleicht.
Unsere Trauerkultur ist dabei sich zu ändern. Jede und jeder sucht einen eigenen Weg, sich von einem Angehörigen zu verabschieden. Das kann befreien von manchem alten Zwang, von mancher Heuchelei, die an Gräbern zu beobachten ist. Aber ein Abschied ohne alles? So dass ein Mensch einfach verschwindet, ohne dass die ganze Familie, die Nachbarn, die Kollegen oder das Dorf noch einmal an ihn denken?
Es ist „der Liebe Tun eines Verstorbenen zu gedenken“ hat Sören Kierkegaard gesagt. Es hat mit der Würde eines Menschen zu tun, egal wie er war und wer er war, in Ruhe von ihm Abschied zu nehmen. Es ist Liebe, noch einmal oder immer wieder an die zu denken, die wir geliebt haben. Wenn Menschen in diesen stillen Wochen im November auf den Friedhof gehen, dann geht es nicht um den Friedhof. Es geht nicht um den Kies, den sie harken, nicht um die Pflanzen, die sie setzen, nicht um die Kerzen, die sie aufstellen. Es geht um die Liebe, die wir zu Menschen haben, auch wenn sie gestorben sind. Es geht um das, was von uns bleibt, wenn wir gehen.
Helmut Wöllenstein, Propst in Marburg
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