Eifel: Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Europäische Gerichtshof sich mit einer Entscheidung des Amtsgerichts Düren befassen muss. Gelangt aber eine solche Entscheidung erst einmal bis vor die Richter des höchsten europäischen Gerichtes, dann hat eine solche Entscheidung oft weitreichende Auswirkungen. Das zeigt sich alleine daran, dass die Richter in Luxemburg an ihrer Entscheidung nicht nur die unmittelbar betroffenen Personen und Behörden beteiligen, sondern auch die deutsche Bundesregierung, die niederländische Regierung und die Europäische Kommission.
Was war passiert? Auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Aachen erließ das Amtsgericht Düren einen Strafbefehl gegen einen niederländischen Staatsangehörigen und verurteilte diesen wegen Verkehrsunfallflucht zu einer Geldstrafe. Ein Strafbefehl kann nach deutschem Recht zur Bewältigung der leichten Kriminalität in einem schriftlichen Verfahren ergehen. Er dient auch dazu, im Falle leichter strafrechtlicher Vergehen dem Betroffen die Hauptverhandlung und damit auch sein Erscheinen vor dem Gericht zu ersparen. Der Strafbefehl des Amtsgerichts Düren war mit Ausnahme der Rechtsbehelfsbelehrung in deutscher Sprache abgefasst.
Am 12. November 2015 wurde die Entscheidung dem betroffenen Verkehrssünder zugestellt, der hierzu noch innerhalb der Rechtsmittelfrist in niederländischer Sprache Stellung nahm. Das Amtsgericht Düren nahm diese Eingabe als nicht zulässig entgegen, da Schreiben an das Gericht in deutscher Sprache abzufassen seien. Nunmehr außerhalb der Rechtsmittelfrist beauftragte der niederländische Staatsbürger einen Anwalt, der wegen der Verspätung einen Einspruch erhob, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag. Beides wurde vom Amtsgericht Düren zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Betroffene eine Beschwerde beim Landgericht in Aachen. Das Landgericht teilte im Grundsatz die Ansicht des Amtsgerichtes, wonach der Einspruch verspätet war. Allerdings war sich das Landgericht nicht sicher, ob diese Entscheidung mit europarechtlichen Normen in Einklang stand und legte daher die Entscheidung den Luxemburger Richter zur weiteren Entscheidung vor.
Die Richter des Europäischen Gerichtshofes hatten hierzu eine klare Meinung (EuGH, Urteil vom 12.10.2017 – C-278/16).
Strafbefehle müssen in die Sprache des Empfängers übersetzt werden.
Die maßgebliche Richtlinie des Europäischen Parlaments (Art. 3 der Richtlinie 2010/64/EU) soll gewährleisten, dass es unentgeltliche und angemessene sprachliche Unterstützung gibt, damit verdächtige oder beschuldigte Personen, die die Sprache des Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, ihre Verteidigungsrechte in vollem Umfang wahrnehmen können und ein faires Verfahren gewährleistet wird.
Wesentliche Unterlagen in einem strafrechtlichen Verfahren, somit also auch deutsche Strafbefehle müssen zu ihrer Wirksamkeit in die Sprache des Empfängers übersetzt werden, so die europäischen Richter.
Was von nun an von deutschen Gerichten für ausländische europäische Staatsbürger zu beachten ist, gilt gleichermaßen auch für alle anderen Gerichtsverfahren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Soll etwas im schriftlichen Verfahren abgehandelt werden, dürfen sich auch deutsche Staatsbürger im Rechtsgebiet der Europäischen Gemeinschaft darauf berufen, dass ihnen die Entscheidung in deutscher Sprache mit deutscher Rechtsmittelbelehrung zugestellt wird.
Gunther Lorbach
www.rechtsanwalt-dueren.com
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