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Fast 150 Jahre lag das ledergebundene Messbuch im Straßenschutt. [Foto: Jürgen Vogel/LVR]

Fund des Monats Dezember: Einband eines Messbuches mit Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit

Umland, Bonn: Mitte der 1850er Jahre musste die gotische Kirche von Pattern (Aldenhoven) dem Bau eines neuen Gotteshauses weichen. Der Bauschutt des alten Gebäudes wurde anschließend zur Fundamentierung einer weiteren Straße genutzt. Zwischen all dem Mörtel und Steinen auch ein ledergebundenes Messbuch, das beim Abriss übersehen worden war. Fast 150 Jahre später kam das verschollene Buch wieder ans Tageslicht: Als der Ort Pattern im jetzigen Kreis Düren 1994 den Baggern des Indener Tagebaus zum Opfer fiel, entdeckten die begleitenden Archäologen des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) den völlig dreckverkrusteten, deformierten Einband sowie einige Seiten des Messbuches im abgekofferten Erdreich. Zur Konservierung verschwand der damals eher unscheinbare Fund zunächst im Kühlraum, bis er dort Mitte dieses Jahres die Aufmerksamkeit der Restauratoren weckte.

„Der Buchdeckel war völlig von Erde bedeckt, die zunächst Schicht für Schicht vorsichtig abgetragen werden musste“, schildert Juliane Bausewein die aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen. Anschließend wanderte das Relikt aus alter Zeit in eine, von ihr selbstkonstruierte Klimakammer. Dort musste das spröde, ausgetrocknete und zerrissene Leder zwei Wochen lang mit vernebeltem Wasser wieder „weich“ und halbwegs geschmeidig gemacht werden. Erst danach konnte die 31-Jährige den ledernen Bucheinband weiter bearbeiten und den ehemals etwa 35 mal 24 Zentimeter großen Einband vorsichtig in seine ursprüngliche Form bringen. Mit kleinen Sandsäckchen beschwert, musste der Fund anschließend wieder behutsam getrocknet werden.

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In diesem restaurierten Zustand begann die eigentliche, fast schon „kriminalistische“ Arbeit der Experten. Aufgrund der nun – wenn auch schwer – entzifferbaren Indizien wollten die Wissenschaftler das Alter des Messbuches bestimmen. „Dieser Fund hat uns alle in den Bann gezogen“, beschreibt auch LVR-Archäologin Michaela Aufleger ihre weitergehenden Recherchen.

Auf dem maroden Leder waren noch Spuren einer Goldprägung zu erkennen, die zuerst mit der Lupe genauestens untersucht wurden. Weitere Analysen fanden am Computer statt. Nachdem das Objekt abfotografiert war, konnte jedes kleinste Detail auf dem Bildschirm vergrößert und analysiert werden. Danach stand fest, dass der Fund nicht aus dem Spätmittelalter stammen konnte. „Damals waren solche Goldverzierungen noch nicht üblich.“ Auch die geschwungenen Zierbänder mit kirchlichem Lobgesang entsprächen eher dem Zeitgeschmack der deutschen Romantik, führt Michaela Aufleger näher aus. Ein ausführlicher Vitrinen-Text im Bonner LandesMuseum beschreibt den Fund des Monats Dezember folgendermaßen:

Der 35 cm – 24 cm große Ledereinband ist aufwendig mit Goldprägung sowie Eck- und Randbeschlägen aus Buntmetall dekoriert. Das zentrale Motiv zeigt die Heilige Dreifaltigkeit: Christus, Gottvater und den Heiligen Geist, umgeben von einer Mandorla, einem mandelförmigen Zierrahmen. Noch gut zu erkennen ist die Darstellung des Christus (links), der in faltenreichem Gewand und Hüftmantel auf einer Thronbank sitzt und die rechte Hand segnend erhebt. Sein gekröntes Haupt wird von einem Nimbus (Heiligenschein) umstrahlt, während das lange Haar in Locken herabfällt. Christus sitzt zur Rechten seines Vaters und hält mit diesem zusammen ein aufgeschlagenes Buch. Gottvater ist ebenfalls thronend und reich gekleidet wiedergegeben. Leider sind Oberkörper und Kopf stark durch den Riss im Leder beeinträchtigt, doch sind oberhalb der Beschädigung Reste einer Krone und eines Strahlenkranzes zu sehen. Zwischen den beiden Figuren schwebt über dem Buch der Heilige Geist in Form einer Taube. Die stark zerstörte Darstellung ist anhand eines Flügel- und Schnabelrestes sowie durch den umgebenden Nimbus zu erschließen. Unterhalb der Figurengruppe versinnbildlichen Flügelschwingen, die sich in und um zwei Ringe gliedern, die Seraphim, von Gott erschaffene, sechsflügelige Engelswesen. Die Zwickel zwischen Mandorla und einem Rahmen mit floralem Dekor zieren runde Embleme mit den Symbolfiguren der vier Evangelisten: Stier (Lukas), Löwe (Marcus), Engel (Matthäus) und Adler (Johannes). Oberhalb und unterhalb des zentralen Bildmotivs nennen zwei Schriftbänder den Lobgesang ’sanctus sanctus sanctus dominus deus sabaoth‘, der Teil des Gebetes in der kirchlichen Messe ist.

Gemeinsam kamen die Experten deshalb zu dem Schluss, dass das prachtvoll verzierte Messbuch erst Anfang des 19. Jahrhunderts angefertigt wurde. Lange war es demnach nicht im Gebrauch, denn bereits wenige Jahrzehnte später wurde die gotische Kirche, in der das Buch bei den Gottesdiensten zum Einsatz kam, abgerissen. Mittlerweile besteht der ganze Ort Pattern samt seiner 1861 neu errichteten Kirche St. Matthäus nicht mehr.

Das restaurierte Relikt mit Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit – Zeitzeugnis eines einst intakten Dorflebens – ist den ganzen Dezember als „Fund des Monats“ kostenlos im Foyer des Bonner LandesMuseums zu sehen.

2.12.2016LebenUmland, Bonn0 Kommentare bwp

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