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Der Autor Hans-Gerd Lauscher (rechts) und seine Helfer vom Geschichtsverein Monschauer Land (v.l.): Ingolf Kamphausen, Franz-Wilhelm Hermanns, Dr. Elmar Neuss und Dr. Toni Offermann. [Fotos: bvl]

„Schätze der Geschichte müssen gehoben werden“

Monschau, Rohren: Dass die Auseinandersetzung mit Geschichte nicht unbedingt eine trockene Angelegenheit sein muss, belegt das neue Buch des Autors Hans-Gerd Lauscher vom Geschichtsverein Monschauer Land. Passend zum Thema und Titel „Wirtshauswesen – Kleinhandel – Trinkgewohnheiten im 19. Jahrhundert, Im Dunstkreis des Reichensteiner Branntweins“ stellte der Autor das erhellende wie erheiternde Werk in der Rohrener Traditionsgaststätte Dederichs vor. „Es ist ein Buch über eine Welt, die es so nicht mehr gibt“, erklärt Lauscher. „Damals waren die Wirtshäuser die einzig mögliche Kommunikationszentrale im Dorf. Sie war ein Ort von kleinen und großen Attraktionen, voller Kuriositäten, Kleinkunst und Zauberkünstlern.“

Die Idee zu der heiteren zeitgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der „Gasthauskultur“ im vorletzten Jahrhundert kam dem Autor, nachdem er im Jahr 2008 eine analytische Arbeit über den Gutshof Reichenstein im damaligen Montjoie (Monschau) verfasst hatte:„Der Gutshof Reichenstein. Arbeiten und Wirtschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts“ beschreibt anhand historischer Unterlagen, wie ein betriebswirtschaftlich bestens organisierter Gutsbetrieb in einem entlegenen Teil der Eifel, am Rande des Hohen Venn, Brandwein herstellt. Vom damaligen Gutsbesitzer Jacob Ahren (1804-1867) sind originale Geschäftsunterlagen erhalten. Anhand der alten Geschäftsbücher ließ sich auch das Vertriebsnetz und der Kundenstock der Reichensteiner Schnapsbrennerei rekonstruieren.

Ein zweiter zufälliger Fund, ein „Fässer-Konto-Buch“, erlaubte die genaue Einsicht in die Branntweinproduktion und –vermarktung in den 1850er und 60-er Jahren. Die Auswertung ergab, dass in dem Reichensteiner Gutsbetrieb große Mengen Branntwein von hochwertiger Qualität aus Roggen (Korn) hergestellt und in einem weitreichenden Absatzgebiet – bis ins Ruhrgebiet und nach Belgien – vertrieben wurde.

Welche Bedeutung der Reichensteiner Branntwein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert hatte, lässt sich zuverlässig aus den wiederentdeckten Unterlagen ableiten.
Welcher Personenkreis trank diese Branntweinmengen, zu welchen Anlässen wurde der Schnaps konsumiert und wie wurde der „Reichensteiner“ verteilt oder an den Endverbraucher gebracht. Zeitgenössische Presseberichte erschließen dem Leser das gesellschaftliche Umfeld, in dem der Schnapskonsum zum Arbeitsalltag gehörte. Fakten, aus denen es der Autor schafft, unterhaltsame Geschichtsliteratur zu formulieren.

SONY DSCEin kleiner Auszug aus dem Buch verdeutlicht die in vielen Passagen aufblitzende, unfreiwillige Situationskomik: Kindstaufen, Hochzeiten und Begräbnisse waren Ereignisse, an denen das ganze Dorf, von kirchlichen Ritualen begleitet, Anteil nahm. Begannen die Feierlichkeiten in der Kirche, so endeten sie ebenso regelmäßig mit einem veritablen Besäufnis in der Gaststätte. Besonders die damalige Tradition, Täuflinge im Wirtshaus zu „weische“ (zu waschen), stieß beim Rohrener Pastor Hubert Isaac (1801-1854) auf wenig Gegenliebe. Bei einem solchen Täuflingsgelage soll, bevor Pastor Isaac dem Treiben ein Ende setzen konnte, ein Neugeborenes unter dem Tisch liegen geblieben, gewissermaßen „unter den Tisch gesoffen“ worden sein. Solche und viele andere – aus heutiger Sicht – unterhaltsame Anekdoten, aber auch die Kehrseite der Droge Schnaps deckt Hans-Gerd Lauschers Buch auf und schafft damit das Kunststück, dass aus nüchternen Zahlen und Statistiken für den Leser die Geschichte des „Reichensteiners“ zu einer Zeitreise in ein längst vergangenes Jahrhundert wird. .

„Hätte ich vorher gewusst, wie viel Arbeit das wird, hätte ich resigniert“, so der Autor. Insgesamt fünf Jahre Arbeit stecken in dem Buch. Aus dem Nachlass eines Monschauer Fotografen erhielt Hans-Gerd Lauscher Ansichtskarten und Fotografien. Vereinsfreund Ingolf Kamphausen half, die vielen kleinformatigen Originale professionell zu vergrößern und aufzuarbeiten. Der besondere Dank des Autors gilt darüber hinaus Dr. Toni Offermann, Dr. Elmar Neuss, Franz Wilhelm Hermanns und Dirk Küpper, die sich alle mit viel Einsatz und profundem Wissen an der Realisierung des Projektes beteiligt haben.

Das Buch „Wirtshauswesen – Kleinhandel – Trinkgewohnheiten im 19. Jahrhundert“ ist im Hahne + Schloemer Verlag (248 Seiten und 152 Abbildungen) erschienen und kann an folgenden Verkaufsstellen erworben werden: Sparkassenfilialen in Kalterherberg, Mützenich, Höfen und Roetgen, Marien-Apotheke in Imgenbroich, Bürobedarf Kogel in Simmerath und beim Autor selbst, Ruitshof 29, in Kalterherberg.

12.12.2014VereineMonschau, Rohren0 Kommentare bvl

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