Kreise, Kreis Euskirchen: Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen erhält seit geraumer Zeit mehr mediale und politische Aufmerksamkeit. Für Betroffene ist es jedoch immer noch ein Tabuthema. Ihre intimsten Körper- und Seelenbereiche wurden verletzt. Dieses nach außen preiszugeben und sich einer Person anzuvertrauen oder gar Anzeige zu erstatten, fällt unendlich schwer. Umso wichtiger ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Thematik der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen, unter der Betroffene ein Leben lang leiden können.
Gelingt es, das Thema aus der „Tabuzone“ herauszuholen, ist dies nicht nur eine Erleichterung für Betroffene, sondern ein wichtiger Grundstein für die Vorbeugung von sexualisierter Gewalt. Lars Mechler von Wellenbrecher e. V. betont: „Wenn die Themen Sexualität und sexualisierte Grenzverletzungen für und mit Kindern und Jugendlichen besprechbar sind, dann fällt es diesen leichter, sexualisierte Gewalt als solche zu erkennen und darüber zu sprechen. Aufgabe der Prävention ist es, das Thema altersgerecht besprechbar zu machen und die Kinder, als auch die Jugendlichen und ihre Erziehungsberechtigten aufzuklären.“
„Dass es sich bei Fällen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen um Einzelfälle handelt, die ansonsten weit weg passieren, widerspricht der Realität“, erklärt Yvonne Dederichs von der Kriminalprävention der Polizei Euskirchen. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Kreis Euskirchen im Jahr 2020 36 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern zur Anzeige gebracht. Im Jahr 2019 waren es 37 Fälle. Es ist von einem großen Dunkelfeld auszugehen. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass ein überwiegender Teil derer, die in ihrer Kindheit Opfer von sexualisierter Gewalt wurden, sich nicht oder erst sehr spät jemandem anvertrauten. Dies entspricht auch den Erfahrungen der Frauenberatungsstelle. „Viele Frauen finden erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach den erlebten Gewalttaten die Kraft, sich dem Erlebten zu stellen und unsere Beratungsstelle aufzusuchen,“ so bestätigt Uschi Kurten, Präventionsfachkraft der Frauenberatungsstelle.
Wer sich eingehender mit der Thematik beschäftigt, der weiß, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen breit und professionell aufgebaut werden muss. Kooperationen, Austausch und Netzwerkarbeit im Sinne der Betroffenen sind dabei die Säulen der Prävention. „Es bedarf gemeinsamer Schutzkonzepte und der Zusammenarbeit aller Beteiligten, um Kinder und Jugendliche schützen zu können,“ betont Benedicte Remmert von der Schulpsychologischen Beratungsstelle für den Kreis Euskirchen.
Beratung und Netzwerk
So beschäftigen sich nicht nur das Kreisjugendamt und die Polizei in Euskirchen seit Jahren mit dem Thema Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen, sondern auch Beratungsstellen und ortsansässige freie Jugendhilfeträger leisten täglich wichtige Präventionsarbeit. Vor dem Hintergrund ihres jeweiligen Auftrags begleiten, beraten und unterstützen die einzelnen Institutionen Fachkräfte und Betroffene. „Ein Kind trägt nie die Verantwortung für sexualisierte Übergriffe durch Erwachsene“, so Alfons Gehlen, Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle. Umso wichtiger ist es, das Umfeld der Kinder und Jugendlichen für Grenzverletzungen zu sensibilisieren und Fachkräfte im Umgang mit sexualisierter Gewalt zu schulen.
Mit dem Gedanken, gemeinsame, fachspezifische Kompetenzen im Kreis Euskirchen zu bündeln, um der Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen weiter Vorschub zu leisten, wurde im Jahr 2020 das Netzwerk zur Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Kreis Euskirchen gegründet. Ein Netzwerk aus dem Kreis für den Kreis. Gründungsmitglieder sind das Kreisjugendamt Euskirchen, die Kriminalprävention der Polizei Euskirchen, die Schulpsychologische Beratungsstelle für den Kreis Euskirchen sowie Frauen helfen Frauen e.V. als freier Träger mit Landesauftrag und Wellenbrecher e.V. als im Kreis ansässiger, freier Jugendhilfeträger.
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