Nettersheim: Ich gehe seit kurzem in eine Schreibwerkstatt. Oje, denken Sie vielleicht, sind Ihre Worte kaputt gegangen? Können Sie sie wieder reparieren? Das muss ja furchtbar für Sie sein. Nein, keine Sorge, meine Worte sind nicht kaputt, unser Problem mit dem fehlenden ‚k‘ bei unserem Topfgucker haben wir inzwischen ja auch gelöst und die übrigen Worte sind auch noch alle heil bei mir. Nein, deswegen gehe ich nicht in die Schreibwerkstatt.
Sie gehen ja auch nicht unbedingt zum Tischler, weil etwas kaputt ist, sondern weil Sie sich etwas anfertigen lassen möchten – etwas Schönes, eine edle Holztruhe zum Beispiel. Stellen Sie sich vor, wie sie sanft über das Holz streichen, die filigranen Scharniere berühren und die Form der Truhe mit Ihren Händen erfühlen. In einer Werkstatt kann auch etwas erschaffen werden.
Ich möchte an meinen Worten feilen, sie genüsslich wenden und drehen, mit ihnen spielen und neu sortieren. Und das ganz ohne den wöchentlichen Abgabestress in der Redaktion. Außerdem sind die Worte bei einer Reportage, bei einem Bericht oder einer Nachricht andere als die in der Prosa oder Lyrik. Also entschied ich mich, in eine Schreibwerkstatt zu gehen. Und zwar nach Nettersheim ins Literaturhaus. Georg Miesen und Andreas Züll (schauen Sie mal in unserer Weihnachtsausgabe 2015 nach, dort werden Sie auf die beiden Autoren treffen) laden zweimal jährlich zur Schreibwerkstatt ein. Sie bestimmen das Thema – das ist als Leiter der Gruppe natürlich ihr gutes Recht, kann aber bei den Teilnehmern schon mal für ein kleines Stöhnen sorgen.
Ich wusste nur das grobe Thema: episodenhaftes Erzählen. Soweit so gut. „Das verbindende Element der Episoden soll eine Tür sein. Haucht ihr Leben ein und personifiziert sie.“ Andreas und Georg hatten gut lachen. Sie lehnten sich gemütlich zurück und bei uns fingen die Köpfe an zu rauchen.
Rund 30 Minuten standen uns für den ersten Ansatz, für die erste Idee zur Verfügung. Klar, unter Stress zu arbeiten, gehört für mich als Journalistin zum Handwerk. Doch normalerweise habe ich ja schon etwas in der Hand: Ich war auf einem Pressetermin, habe mich mit Menschen unterhalten, war in einem Konzert oder einer Ausstellung. Ich habe also Material, mit dem ich arbeiten kann. Eine Tür als Ausgangspunkt ist da eher etwas dürftig.
Doch nicht nur bei mir sprudelt es nach kurzem Nachdenken – auch die übrigen Teilnehmer vertiefen sich in ihre Ideen. Am Ende lesen alle nacheinander ihre Texte vor und es ist beeindruckend, was in so einer kurzen Zeit entstehen kann. Viele Türen wurden lebendig: Eine Tür, die genervt von den Bewohnern des Zimmer ist; eine Tür in einem Krankenhaus, die schon viel Elend gesehen hat; eine etwas arrogante Tür in einem Museum oder eine Tür, die weggeworfen wurde und vor sich hin rottet. Nach ein paar Geschichten war klar: Wir brauchen einen Tür-Therapeuten! Glauben Sie mir: Türen können leben und nach so einem Abend werden Sie ihre Türen künftig anders behandeln.
Eine Hausaufgabe für das nächste Mal gibt es auch: Entwickelt eure Geschichte weiter, arbeitet an den Episoden, die durch die Tür verbunden werden. Wahlweise dürfen wir uns auch ein anderes verbindendes Element aussuchen, was sich durch die Erzählung zieht. Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig. Bleibe ich bei meiner Tür? Suche ich mir etwas anderes? Ein Fahrrad vielleicht? Das könnte von Besitzer zu Besitzer wechseln und davon erzählen. Oder….
Sie merken vielleicht schon: Meine Fantasie ist geweckt, ich bin neugierig, meine bekannten schreiberischen Pfade zu verlassen und in eine andere wortreiche Welt zu tauchen. Nun muss ich mich aber an meine Hausaufgabe setzen, nächsten Freitag treffen wir uns wieder. Und da muss ich etwas vorlesen können. Ich halte Sie auf dem Laufenden – und erzähle dann auch von meiner Tür!
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