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Manfred Lang: Rheinische Toleranz – „Jeck loss Jeck elanz“

Eifel: Jeck loss Jeck elanz.“ Mit diesen Worten rät der ältere Rheinländer seinem Nachfahren zu Gelassenheit und friedlicher Koexistenz: Mit diesem Sprichwort meint er, was man im Hochdeutschen mit „Leben und leben lassen“ umschreibt, formuliert es nur etwas anders, rheinisch eben: „Mensch, lasse deinen Nächsten, den du für verrückt hältst, friedlich passieren, denn bedenke: Du selbst bist auch nur ein Jeck!“

Instinktiv weiß der rheinische Vielvölkerapostel nämlich, zu dessen Vorfahren Germanen, Kelten, Römer, Franken sowie vielfach Deserteure, Fußkranke und kleben gebliebene Marketenderinnen durchziehender Soldatenheere gehörten, dass er selbst einem reichhaltig gemischten „Genpool“ entstammt.

Treppen- und Thekenwitz war hierzulande früher der boshafte Ratschlag: „Bös für jede Mann freundlich, et könnt de Vatte senn“ – „Grüße jeden Mann auf der Straße, es könnte dein Vater sein . . .“ Westfalen sind zu spurtreu, Schwaben zu bodenständig, Preußen zu pflicht- und Bayern zu selbstbewusst, um akzeptieren zu können, was der Rheinländer bereits mit der Muttermilch eingesogen hat, nämlich: „Jede Jeck ös anders.“

Und dieses Hohelied der Toleranz gegen alle mentalen und optischen Unterschiede stimmt er nicht nur auf Angehörige unterschiedlicher Nationen und Völkerstämme an. Es gilt, auch wenn es schwer fällt, im Prinzip selbst für den Verwandten aus der Großstadt Köln, den Bekannten drei Dörfer weiter oder den Nachbarn um die Ecke. Fast hat dieses rheinische Toleranzedikt, das „Jeck loss Jeck elanz“, eine religiöse Dimension, deren liturgische Ausprägung dann freilich der Karneval wäre.

Denn in ihm erstreckt sich seit Alters her die Toleranz selbst auf Männer in Frauenkleidern, auf „Wiever“ und „Möhne“ außer Rand und Band (von wegen „Wehe, wenn sie losgelassen“) und auf freche Narren, die von Kanzeln herab ungestraft das Militär, die Obrigkeit und die Amtskirche verhohnepiepeln dürfen. Da dieses Hochfest rheinischer Unbekümmertheit wieder vor der Tür steht, an dieser Stelle ein kleines Sammelsurium von Umschreibungen für den närrischen Toleranzbegriff „jeck“.

Wovon „verröck“, „beklopp“ und „jeckisch“ noch die harmlosesten sind. „Rammdösisch“ beispielsweise markiert den schmalen Grat zwischen „raadedoll“ und „plemmplemm“. So wie der Eskimo hunderte verschiedene Wörter für Eis und Schnee kennt, mit so reichhaltigem Vokabular weiß der ripuarisch redende und denkende Mensch den Zustand mentaler Entrücktheit zu charakterisieren.

Hermann-Josef Kesternich nennt in seinem Mundartwörterbuch „Woat für Woat“ einige Grade geistiger Extravaganz: Der betreffende „Jeck“ hat etwa „de Melle“ (eine bestimmte Blattlausart), „de Nük wärem“ (seinen Babyschnuller heiß gelutscht), „ene Ratsch em Kappes“ (einen Riss in der Schädeldecke), „ene Stech“ (Stich), „se net mieh all em Koffe“ (unvollzähliges Reisegepäck), „se net mieh all em Seff“ (Siffon), „op de Latz“ (Latte) oder „em Kaaste“ (Kasten).

Oder: „Her hät eene drbeij, der die andere dörjeneen wirp“ (wirres Zeug im Kopf), „de Söck am kieme“ (Kartoffeltriebe aus seinen Strümpfen wachsen), „et Schaus eruss“ (die Schublade offen stehen) oder schlichtweg „ene Hau“ (Schlag).

Er ist „mött Schuure jeplooch“ (schauergleich unterschiedlichen Gemütszuständen ausgesetzt), „et spellt em“ (wörtlich „es spielt (mit) ihm“) oder „et rappelt emm“, was so ungefähr das Geräusch treffen dürfte, das eine gelockerte Schraube verursacht, die in einem bekannten hochdeutschen Sprichwort durch den ansonsten ziemlich hohlen Hirnkasten poltert.

aus: Manfred Lang “Platt öss prima”, KBV-Verlag, ISBN: 978-3-940077-47-9

20.4.2015LebenEifel0 Kommentare ml

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