Eifel: Es gibt Tiere, die gibt es gar nicht. Will sagen: Manche Eifeler Ausdrücke für Kreaturen haben auch nicht im Entferntesten etwas mit der hochoffiziellen hochdeutschen oder gar lateinischen Bezeichnung einer Spezies zu tun.
Zum Beispiel »Bier« (m.) und »Krem« (f.) für den männlichen, beziehungsweise weiblichen Vertreter des Hausschweins (lat. Singularis Porcus). Wobei die Eifeler Mundart auch für den kastrierten Vertreter von »Singularis Porcus« einen eigenen Namen bereithält, nämlich »Bersch«.
»Jöll Jülch« nennt sich in Eifel und Börde die Goldammer, »Merdel« oder »Schwazzmäerdel« die Amsel, »Merkel« der Eichelhäher, »Mösch« der Spatz und »Klotz« die Glucke. Die ehedem weit verbreitete Hausziege (lat. Capra aegagrus hircus) nennt sich zwischen Ville und Schneifel »Bitz«, »Hipp«, »Jees« oder »Mick«. Das weibliche Kalb ist »en Sterk« oder »e Sterkche«, das heranwachsende Rind »enne Böijert«.
Die sprachliche Krone der Schöpfung allerdings ist die »Seckohmes«, die auf Platt die hochdeutsche Ameise benennt und gleichzeitig ihre eher unangenehme Eigenschaft, in Stresssituationen Ameisensäure zu verspritzen (mundartlich »secke«).
In der Katholischen Volksschule Bleibuir entstand in den 60er Jahren die zumindest am Mechernicher Bleiberg sehr bekannte hochdeutsche Rück-Übersetzung dieser plattdeutschen »Seckohmes«. Dort sollten die Kinder Insektenarten nennen und eine Schülerin bestand mit Nachdruck darauf, dass die von ihr sehr vornehm ausgesprochenen »Sickamesen« (Mehrzahl von »Sickohmes«) als Angehörige der Familie der Ameisen (lat. Formicidae) selbstverständlich zur Klasse der Insekten gehören.
Das Verb »secke« wird auf Platt aber nicht nur verwendet, wenn jemand auf höchst natürliche Weise seinem Harndrang nachgibt. »Secke« ist auch eine Umschreibung für das Austeilen kräftiger Ohrfeigen oder von Schlägen. »Secksem« ist die Kurzform von »sick sie ihm«, die Aufforderung, jemanden zu versohlen.
Legendär ist in diesem Zusammenhang die böswillige Verfälschung des Evangeliums von der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane. In der Eifeler Version fragt Petrus den Herrn: »Soll ich mit dem Schwerte dreinküsen?« (von »küsen« = schlagen). Und Jesus antwortet: »Ja Petrus! Sick ihm eine!« Die folkloristisch-ripuarische Bibelversion endet mit den Worten: »Und Petrus sickte ihm das rechte Ohr ab …«
Aus: Manfred Lang “Platt öss prima! II”, KVB-Verlag, Edition Eyfalia, ISBN: 978-3-942446-00-6
Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.
Einen neuen Kommentar schreiben
Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.