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In belgischen Vorgärten glitzert und glimmert es bereits seit vielen Wochen um die Wette. [Foto: awb]

Archi W. Bechlenberg: Lichter und Gelichter

Umland, Belgien: Die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel setzen viele Emotionen frei. Befreundete Gastautoren haben sich mit der Thematik beschäftigt. Aber lesen Sie selbst…


Vor der Fassade des Nachbarhauses hing jahrelang eine kletternde Nikolausfigur an einem Seil. „Jahrelang“ ist ganz und gar wörtlich zu nehmen, denn nicht nur zur Weihnachtszeit baumelte die rotweiß gekleidete Figur dort herum. Auch zu Ostern und Pfingsten und an heißen Sommertagen hielt er sich krampfhaft fest. Im Laufe der Zeit wurde seine Kluft immer blasser, und auch der Bart zerzauselte immer mehr, so wie der Sack auf dem Rücken des Heiligen Mannes. Ein Bild des Jammers.

Immerhin: Der Nikolaus leuchtete und blinkte nicht, was ihn erfreulich von all den Fantastillarden bunter Fünzelchen unterscheidet, die derzeit in mehr und noch mehr laut schreienden Farben beweisen, dass es mit besinnlicher Adventszeit nicht weit her ist. Bereits ab Oktober kann man in manchen Fenstern die ersten regenbogenfarbenen Rosettenlampen beobachten, und spätestens seit Adventsbeginn herrscht jetzt ein allgegenwärtiges Geflimmer in Wohnungen, Häusern und Vorgärten. Es scheinen regelrechte Wettbewerbe zwischen Nachbarn stattzufinden, wer wohl seinen Grund und Boden auf besonders raffinierte Weise zu verzieren versteht.

belgien_leuchtet_2Mit schlichten Lichterketten ist es da nicht getan; ganze Skulpturenparks werden errichtet, in denen sich Rehe, Schafe, Rentiere, Schlitten und natürlich Nikoläuse tummeln. Tagsüber sehen die zwar eher wie bleiche Gerippe aus, doch nach Einbruch der Dämmerung läuft die große Illumination allabendlich zur Hochform auf. Und was es alles zu bewundern gibt! Optisch kann so manche Immobilie locker mit einem Spielautomaten in Las Vegas mithalten. Im Nachbardorf hat jemand sogar den Brennholzschuppen neben seinem Haus ringsum liebevoll mit blinkenden Lichtlein geschmückt, und ein anderes Eigenheim kann man nur betreten, wenn man die wasserfallähnliche LED-Kaskade durchschreitet, welche vor der Haustüre bis zum Boden reicht. Das sollte zu schaffen sein, bis dahin ist man bereits durch einen üppig bestückten Zoo voller leuchtender Tiere geschritten und hatte somit ausreichend Gelegenheit, seine Augen an den visuellen Overkill zu gewöhnen. Wie mag es wohl drinnen erst aussehen?

Dass gerade vor ein paar Tagen in Belgien das völlig marode AKW Tihange wieder in Betrieb genommen wurde, muss daran liegen, dass man ansonsten den Strombedarf nicht zu decken wüsste, welchen die Weihnachtszeit erfordert. Energieversorger reiben sich die Hände, ebenso der einschlägige Handel, bei dem man leuchtende Schneemänner, blinkende Engel und blitzende Sterne erwerben kann. Und in der stillen Einsamkeit hoch oben im chinesischen Hengduan-Gebirge sitzt ein erholungsbedürftiger Weihnachtslichterfigurenfabrikant aus Shanghai und meditiert beim warmen Licht einer Bienenwachskerze in seinem luxuriösen Landhaus über die Freuden der so üppig fließenden Einnahmen. Und das Geld aus dem Silvesterböllergeschäft ist da noch gar nicht mitgezählt.

Der Nikolaus vom Nachbarhaus hängt übrigens nicht mehr. Den holte kürzlich ein Sturm von seinem marode gewordenen Seil herunter, nur wenige Tage vor dem 6. Dezember.

Auch bei der eigenen Vita spart Autor und Journalist Archi W. Bechlenberg nicht an Spötteleien: „Der gebürtige Aachener ist seit 1953 auf der Flucht vor Karneval und Weihnachten, hat es aber nicht weiter als bis nach Ostbelgien geschafft. Ansonsten ganz zutraulich.“
23.12.2015Leben, GlosseUmland, Belgien0 Kommentare awb

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