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Bettina Tarantino (Mitte) ist wieder frohen Mutes: Sozialarbeiter wie Lydia Honecker und Markus Niederstein haben ihr geholfen, damit sie wieder in einer eigenen Wohnung leben kann. [Fotos: pg]

Der Weg aus der Obdachlosigkeit

Euskirchen: Bettina Tarantino strahlt. Sie lacht anscheinend gerne und viel und macht einen sehr sympathischen Eindruck auf ihr Gegenüber. Doch dies war nicht immer so. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet sie: „Seit Juni sehr gut“, denn seit dieser Zeit lebt sie wieder in einer Wohnung. Vorher zählte sie zu den Nichtsesshaften in Euskirchen. Sie schlief bei Bekannten, dem Schwager oder auf der Straße. Häufig nutzte sie aber auch das Angebot, in der Notschlafstelle der Caritas in der Kommerner Straße zu übernachten. Dort bekommen Obdachlose für die Nacht ein Bett. Hier können sie ein wenig zur Ruhe kommen. Es gibt Duschen, einen Aufenthaltsraum mit Küche und es ist immer ein Sozialarbeiter vor Ort, der ein offenes Ohr für die Probleme der jeweiligen Bewohner hat.

Die meisten Menschen können sich kaum ein Bild davon machen, wie es ist, kein Dach über dem Kopf zu haben, keine Familie, Freunde oder Bekannte, wo man Unterschlupf findet. Nacht für Nacht neu zu überlegen, wo könnte ich schlafen und am Ende draußen zu landen. Nur mit einem Schlafsack sich in irgendeine Hausecke legen, den Blicken der Vorbeigehenden ausgesetzt. Bettina Tarantino weiß, wovon sie spricht und sie steht dazu. Jahrelang hat sie auf der Straße gelebt. Doch irgendwann hat sie die Angebote der Caritas angenommen: die Tagesstätte, die Unterstützung der Sozialarbeiter, die Notschlafstelle.

Am Anfang hätte sie die Hilfe nicht annehmen wollen, ihr falscher Stolz habe ihr im Weg gestanden, meint Bettina Tarantino. Doch dann hat sie sich überwunden. Sie sei dankbar für die Hilfe. Auch wenn sie jetzt wieder eine Wohnung hat, die Erlebnisse der vergangenen Jahre sind nicht spurlos an der 46-Jährigen vorübergegangen. Es falle ihr schwer, Vertrauen zu fassen, meint sie. Kein Wunder, denn das Leben auf der Straße ist hart und Freundschaften gibt es dort eher selten. Zwar trifft man sich, doch im Grunde ist jeder auf sich allein gestellt. Und die Gesellschaft macht die Situation nicht leichter.

Die kritischen Blicke und bösen Kommentare der Menschen hat Bettina Tarantino noch gut im Gedächtnis. „Man ist kein Mensch für die Leute, sondern wird als Penner beschimpft“, sagt sie. Auf die Frage, was sich in der Gesellschaft ändern sollte, meint sie, „man sollte die Menschen nicht über einen Kamm scheren. Nur wegen Hartz IV oder Obdachlosigkeit ist man doch kein schlechter Mensch“.

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Bettina Tarantino hat den Weg aus der Obdachlosigkeit geschafft.

Doch wenn sie von ihrer Wohnung spricht, leuchten die Augen der ehemals Obdachlosen. Zusammen mit ihrer Hündin Luna hat sie ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, mit Balkon und Garten. Endlich wieder eigene vier Wände um sich zu haben, die Tür hinter sich schließen zu können – für Bettina Tarantino hat sich ihr größter Wunsch erfüllt. Allein hätte sie es nicht geschafft, da ist sich die gebürtige Weilerswisterin sicher.

Sozialarbeitern wie Lydia Honecker und Markus Niederstein hat sie es zu verdanken, dass sie wieder in einer Wohnung lebt. Für viele der Betroffenen ist es ein jahrelanger Prozess. Erst die Hilfe anzunehmen und sich dann wieder in ein Leben in geordneten Bahnen zu finden. Es gäbe aber auch Menschen, die sich dagegen entschieden und bewusst auf der Straße blieben, erklärt Lydia Honecker. Manche haben nach Jahren auf der Straße Probleme, in geschlossenen Räumen zu leben, andere können oder wollen die Regeln, die es in der Notschlafstelle gibt, nicht einhalten. „Abgewiesen wird aber keiner“, betont die Sozialarbeiterin. Auch wenn Bettina Tarantino jetzt wieder ein eigenes Dach über dem Kopf hat, kommt sie doch noch regelmäßig in die Tagesstätte. Dies sei ihre kleine Familie, hier hätte jeder Verständnis und man kenne sich.

Die Notwendigkeit der Notschlafstelle und der weiteren Hilfen der Caritas, wie Tagesstätte, Betreutes Wohnen oder die Beratungsstelle, belegen die Zahlen. Im Jahr 2014 waren es 92 Menschen, die mehrere Tage oder Wochen in der Notschlafstelle nächtigten – elf davon Frauen. Die Tagesstätte wurde von 344 Personen genutzt. Die Zahlen für 2015 lägen zwar noch nicht vor, seien aber in der Tendenz eher steigend, meinte Markus Niederstein. Die wenigstens davon sind die klassischen Durchreisenden, wie es sie früher gab. Der Verlust der Arbeitsstelle, das Ende einer Beziehung oder der Tod eines geliebten Menschen können dazu führen, dass jemand ins Bodenlose fällt und ohne Hilfe nicht mehr auf die Beine kommt. Meist sind es Lebensverhältnisse, die von einer Vielzahl von Problemen bestimmt sind. Und die Klienten werden immer jünger. Im vergangenen Jahr suchten allein 34 Menschen unter 30 Jahren die Notschlafstelle auf. 55 Prozent der Betroffenen bleiben höchstens einen Monat, einige kommen über mehrere Monate jeden Abend wieder in die Kommerner Straße.

23.12.2015LebenEuskirchen0 Kommentare pg

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