Hürtgenwald, Bergstein: Wenn die Feuerwehr den Einsatz nicht alleine stemmen kann, weil spezielles Equipment benötigt wird wie Bergeräumgerät oder 50.000 Watt Stromaggregate, dann rücken sie nach, die Männer und Frauen in ihrem blauen Kraftfahrzeug mit dem weißen Schriftzug THW. Blau waren die Kraftfahrzeuge nicht immer, zumindest nicht in Hürtgenwald. Sie haben einen Farbwechsel hinter sich: Weg vom khaki-braun. Das war 1975, als sich der Ortsverband Hürtgenwald des Technischen Hilfswerks aus den Einheiten der Zivilschutzorganisation „Luftschutzhilfsdienst“ (LSHD) gründete.
Am Samstag, dem 29. August, feiert der Hürtgenwalder Ortsverband ab 13.00 Uhr seinen 40. Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür in Bergstein. Um 14.00 Uhr zeigt die THW-Mini-Gruppe der 8- bis 12-Jährigen Nachwuchskräfte, was sie schon alles drauf hat. Außerdem erfahren die Besucher in einer Präsentation, wie die THWler arbeiten: Mit Sonar, Unterwasserkamera und dem lasergestützten Einsatzstellen-Sicherungssystem, das Helfer in einem angeschlagenen Gebäude rechtzeitig warnt, wenn gefährliche Bewegungen im Baukörper gemessen werden. Besonders spannend wird es um 15.30 Uhr, wenn der Jugendnachwuchs von THW gemeinsam mit Feuerwehr und DRK einen brenzligen, fiktiven Einsatz meistern muss.
Vollen Einsatz leisteten die THWler bereits einige Jahre nach der Gründung ihres Ortsverbandes, als die Helfer im zivilen Katastrophenschutz ihr Können bei drei Auslandseinsätzen unter Beweis stellen mussten: 1980 bei einem Erdbeben im algerischen El Asnam (heute Chlef) mit 3.500 Toten galt es, die Verschütteten zu bergen. Einer der THW-Bergungshelfer vor Ort war Dr.-Ing. Helmut Heuser, heutiger Ortsbeauftragter des Hürtgenwalder THW Ortsverbandes, damals Schüler kurz vor dem Abitur. Das Erlebte hat ihn nicht abgeschreckt, vielmehr motiviert, denn er ist heute der Dienstzweitälteste Ortsbeauftragte im THW-Geschäftsführerbereich Aachen.
Der zweite Einsatz für den Ortsverband war in Beirut, Libanon, nach dem Bürgerkrieg 1982. Dieses Mal war es der Vater von Helmut Heuser und Führungskraft des THW Ortsverbandes Hürtgenwald, Dr. med. Hans Heuser, der als begleitender Arzt mit den THW-Fachkräften nach Beirut flog und Helfer und Bevölkerung mit Wasser versorgte.
Am 7. Dezember 1988 bebte in Armenien die Erde. Auch hier war der THW Ortsverband Hürtgenwald mit vor Ort, um die Verschütteten zu bergen und erste Schäden in der Stadt zu beseitigen.
Derzeit stellt der Ortsverband keinen Helfer für Auslandseinsätze, erzählt sein Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit, Joachim Nußbaum. Dafür ist inzwischen eine spezielle Ausbildung nötig. Die THWler müssten UN-Lehrgänge besuchen. Auch solche, die sich mit dem Thema Entführung und Verschleppung beschäftigen und englische Sprachenzertifikate vorweisen. Kerngeschäft ist heutzutage das Alltagsgeschäft vor Ort. Und hier gibt es jede Menge zu tun: Beispielsweise bei Abstützarbeiten nach dem Brand im Bürgerhaus von Nideggen-Wollersheim im Juni. Das THW sicherte mit einem Einsatz-Gerüst-System einen Durchgang für die Feuerwehr, die so im Inneren des Gebäudes gefahrlos arbeiten konnte.
Am 04.07.2015 orteten Helfer der Fachgruppe Wassergefahren des Ortsverbandes Hürtgenwald auf dem Motorboot mit ihrem speziellen Sonarsystem und der Unterwasserkamera einen Ertrunkenen im Blausteinsee. Nach solchen Einsätzen ist es für die Helfer gut zu wissen, dass ein Einsatznachsorge-Team für sie da ist, dem sie sich anvertrauen können, jeder für sich.
Aber wie wird man eigentlich THWler und woher bekommt man das erforderliche Know-how?
80.000 Mitglieder zählt der THW heute – inklusive Alters- und Ehrenabteilung, Reservisten und die Junghelfer. 900 Mitglieder sind berufliche Mitarbeiter und werden vom THW bezahlt. Der Rest, der Großteil der Engagierten, arbeitet ehrenamtlich. Der Ortsverband ist die Basis des THW als Helfer und Einsatzorganisation. Neben der technischen Grundausstattung übernimmt jeder Ortsverband eine Fachgruppe aus den Modulen zur Bekämpfung von Wassergefahren und Schäden, zur Ortung, Räumung sowie zur Elektroversorgung, um nur einige zu nennen. Die Fachgruppen sind so aufgeteilt, dass im Radius von 60 Kilometern jedes dieser Module vertreten ist. Das Wort „Nachwuchsproblem“ war bis zum Wegfall der Wehrpflicht für die Ortsverbände ein Fremdwort, weil es immer genug Männer gab, die sich beim THW verpflichteten, anstatt Wehr- oder Zivildienst zu wählen.
Heute rekrutieren sie den Großteil der nachrückenden Helfer aus der Jugendarbeit. Der Ortsverband Hürtgenwald und der Ortsverband Mainz haben hier Pionierarbeit geleistet, weil sie schon seit 1985 eine Minigruppe für die 8- bis 12-Jährigen errichtet haben. Heute zählt die Jugendgruppe aus Hürtgenwald personell mit zu den stärksten in ganz Deutschland.
Um schließlich THW-Helfer zu werden, muss man eine Grundausbildung absolvieren, die je nach Gruppenstärke zwischen sechs und acht Monate dauert. Die zukünftigen Helfer lernen, wie man eine Beleuchtung aufbaut, was eine Hydropresse ist, wie man Abstützungen baut, mit einer Pumpe arbeitet oder Löcher in Metall und Stahlbeton bohrt. Am Ende steht ein Curriculum mit theoretischen Fragen und praktischen Übungen.
Auch Quereinsteiger gibt es wie Joachim Nußbaum selbst. Über seinen Sohn ist der heute 53-Jährige zum THW gekommen. Was als engagierter Vater bei THW-Festen mit Grillen begann, mündete in der bestandenen Helferprüfung mit 49 Jahren. Für Joachim Nußbaum ist die ehrenamtliche Arbeit beim THW ein sinnvoller Ausgleich zu seinem Bürojob als Justizbeamter: „Hier habe ich die Möglichkeit, junge Menschen für Technik zu begeistern und ihnen gleichzeitig soziales Verhalten, Hilfsbereitschaft und Verantwortung für die Gesellschaft Nahe zu bringen.“ Jeder ist beim THW willkommen, Jung und Alt, Theoretiker oder Praktiker. Ein erstes Reinschnuppern bietet besagter Tag der offenen Tür am Samstag, dem 29. August, in Bergstein.
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