Nideggen: „Mein Vater hat den Grundstein für diese Hauptschule gelegt und ich schließe hier bald zu.“ Die Botschaft klingt bitter. Trotzdem spricht Christa Stahl, Tochter des ehemaligen Nideggener Bürgermeisters Wilhelm Milz und inzwischen Leiterin der Adolf-Kolping-Schule (AKS), diesen Satz energiegeladen, selbstbewusst und mit einem strahlenden Lächeln aus. Nein, eine sang- und klanglose „Abwicklung“ der Schule werde es hier in Nideggen niemals geben, betont sie mit Nachdruck. Ganz im Gegenteil: Seit Wochen und Monaten planen Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam das ultimative Abschlussfest. Am 30. Juni nächsten Jahres erhalten die letzten 52 Schüler ihre Abschlusszeugnisse. Danach wird die traditionsreiche Hauptschule endgültig aufgelöst. Das will der letzte Jahrgang gemeinsam mit allen ehemaligen Schülern und Lehrern feiern: „Wir können stolz auf unsere Schule sein, wir haben in all den Jahren viel geleistet. Deshalb werden wir hier auch nicht stillschweigend gehen!“
Als vor fünf Jahren NRW-weit die so genannte Sekundarschule ins Leben gerufen wurde – eine Mischung aus Haupt- und Realschule mit gleichzeitiger Integration behinderter Kinder – wurde die erfolgreich arbeitende Nideggener Hauptschule über Nacht zum Auslaufmodell. Neuanmeldungen waren nur noch für die Sekundarschule möglich und mit jedem abgehenden Jahrgang schrumpfte die Schülerschaft der AKS. Zurzeit unterrichten noch acht Lehrer die verbliebenen Schüler der drei Zehner-Jahrgänge. Das schweißt zusammen. Die jüngeren Lehrer aus dem Kollegium haben zwar den Absprung an andere Schulen bereits vollzogen, doch von Untergangsstimmung ist bei dem Gespräch mit EIFELON nichts zu spüren. Manchmal, räumt Christa Stahl ein, sei es allerdings schwer, Schüler und Lehrer „bei Laune“ zu halten.
Eigentlich stehen die drei Buchstaben AKS für Adolf-Kolping-Schule, doch im Laufe der Jahrzehnte füllte sich das Kürzel mit zusätzlichem Leben. AKS bedeutet mittlerweile „Anvertraute Kinder stärken“. Ein Slogan, der sich im Laufe der Jahrzehnte bewahrheitet hat. „Aus jedem unserer Schüler ist etwas geworden“, betont die Schulleiterin, die 1984 als junge Lehrerin in Nideggen begann, nicht ohne Stolz. „60 Prozent unserer Schulabgänger 2017 haben bereits jetzt einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag in der Tasche“, weiß die mittlerweile 61-Jährige. Kein Wunder, denn seit über 20 Jahren greift das Berufseinführungskonzept der Schule. „Als wir damals mit der Idee starteten, waren es drei engagierte Betriebe, die unseren Schülern die Möglichkeit boten, ins Berufsleben hineinzuschnuppern.“ Inzwischen machen über 40 Betriebe mit. Oft schließt sich an die Praktika eine Ausbildung an, denn viele der erfolgreichen Firmenleiter sind ehemalige Schüler der Adolf-Kolping-Schule. Und wenn es in der Praxis bei dem einen oder anderen Praktikanten mal bei der Anwendung von Dreisatz oder Prozentrechnung noch haperte, erfolgte eine prompte Rückmeldung an die Schule, sodass eventuelle Mängel schnell ausgeglichen werden konnten. Dieses bewährte Berufseinführungskonzept werde mit Schließung der Schule leider zu den Akten gelegt, bedauert die Vollblutpädagogin. Das sei – laut Statuten – in der nun bevorzugten Sekundarschule nicht mehr durchführbar.Die Kooperation mit dem Seniorendomizil Rak in Nideggen-Berg wird aber auch zukünftig von der Sekundarschule beibehalten. Hier gehen die Jugendlichen den Senioren zur Hand, helfen bei alltäglichen Arbeiten oder begleiten bei Einkäufen. „Im Laufe der Jahre sind generationsübergreifende Freundschaften entstanden“, erläutert Christa Stahl. Für die regelmäßigen „Lesestunden“ übten selbst leseschwache Schüler zuhause, um den Senioren beim nächsten Besuch fließend vortragen zu können, freut sie sich über die positiven Nebeneffekte.
Der Countdown läuft. Momentan sind Schüler, Eltern und Lehrer im Planungsmodus für das feierliche Abschiedsfest in der Nideggener Mehrzweckhalle: Gästelisten werden geschrieben, erste Reden formuliert und eine Musikauswahl für die anschließende Disconacht zusammengestellt. Das Ziel der allerletzten AKS-Klassenfahrt steht zwar noch nicht fest, aber die T-Shirts sind bereits bedruckt: Über den Namen der 52 Schulabgänger leuchtet der Schriftzug „Die letzten machen das Licht aus“.
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