Eifel: Vor fast 94 Jahren schrieb dieses Ereignis Rennfahrgeschichte: Trotz sintflutartiger Regenfälle pilgerten in der Nacht zum 15. Juli tausende automobilbegeisterte Zuschauer nach Nideggen. Denn hier startete das erste legendäre Autorennen durch die Eifel. Max Schleh hatte die etwa 33 Kilometer lange, kurvige Strecke rund um den Luftkurort Nideggen zusammengestellt und fand in dem damaligen Schleidener Landrat, Graf von Spee, einen motorsportbegeisterten Fürsprecher, sodass die erste ADAC-Eifelrundfahrt im Jahr 1922 starten konnte.
Damals holperten die chromblitzenden Rennwagen noch über unbefestigte Straßen und durchweichte Haarnadelkurven, wobei sich die Beifahrer zur Verbesserung der Bodenhaftung – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Zeug werfen mussten: Auf historischen Fotos ist zu sehen, dass sich die Copiloten mit schweren Bügeleisen in der Hand aus dem Fenster lehnen, um die Karosse auf Kurs zu halten. Beim Überholen musste der Beifahrer erneut aktiv werden: Er hatte durch Blasen eines Signalhorns die vorausfahrenden Rennpiloten über das geplante Manöver zu informieren. Insgesamt mussten auf dem Rundkurs 86 Kurven bei 265 Metern Höhenunterschied gemeistert werden. Start und Ziel war damals das Zülpicher Tor in Nideggen.
Nun – gut drei Generationen später – lassen die Grevenbroicher Oldtimerfreunde diese Renn-Tradition wieder aufleben. Zum Restart der Tour am 24. April haben sich 90 Fahrer mit ihren „Schnauferln“ angemeldet. „Eine Tour durch die Eifel ist das Maximum, was für die historischen Fahrzeuge geht“, erläutert Organisator Heinz Laumann. Denn unter den gemeldeten Fahrzeugen, die zum Rundkurs in die Eifel starten, sind Modelle, die fast so alt sind wie das Rennereignis selber.
Georg Becker, der für Streckenauswahl und Prüfungsaufgaben verantwortlich ist, hat sich intensiv mit der Eifeler Renngeschichte auseinandergesetzt. In enger Zusammenarbeit mit dem Nideggener Heimat- und Geschichtsverein entstand eine lesens- und liebenswerte Dokumentation über die erste Eifel-Rundfahrt, aus der sich später die Nürburgring-Rennen entwickelten. Diesen geschichtlichen Abriss bekommen alle Piloten mit ins Bordbuch gelegt. Start für die insgesamt rund 170 Kilometer lange Oldtimer-Rallye ist um 9.30 Uhr auf Schloss Grevenbroich. Fahrer aus der gesamten Region starten mit jeweils einminütigem Abstand, sodass nach anderthalb Stunden alle Teilnehmer auf der Strecke sind.
Auf dem Weg in die Eifel müssen die 90 Teams entlang der Route unterschiedlichste Aufgaben lösen und alle Ergebnisse ins Bordbuch eintragen. Gegen 11.30 Uhr werden die ersten Oldtimer auf dem Gelände von Burg Nideggen erwartet. Nach einer weiteren Wertungsprüfung stärken sich die „Ritter der Landstraße“ bei einem gemeinsamen Buffet im Burgrestaurant. Nach dieser Rast rollen die Oldtimer im feierlichen Defilee vom Burggelände über den Marktplatz Richtung Zülpicher Tor, wo vor 94 Jahren die erste Eifel-Rundfahrt startete. Genau wie im Jahr 1922 wird das nachgedruckte Banner über dem Tor hängen, durch das damals auch Rennfahrer-Legende Rudolf Carraciola kurvte.
„Im gesamten Nideggener Stadtgebiet wandelten Bauern ihre Scheunen an dem Renn-Wochenende in Fahrradwachen um, in denen die Rallye-Zuschauer ihre Drahtesel für fünf Pfennig abstellen konnten. Im abgeriegelten Wiesenkaree am Start und Ziel in Höhe der Burg drängten sich über 200 Autos von Zuschauern. Die stolzen Autobesitzer mussten pro Benzinkutsche drei Mark Parkgebühr aufwenden. Ein schöner Batzen Geld im Jahre 1922, doch wer damals so ein ’neumodisches Kolbenross‘ besaß, zählte ohnehin nicht zu den Ärmsten“, liest es sich in dem detailliert recherchierten Bericht.In den Durchfahrtsorten – Wollersheim, Vlatten, Heimbach, Hasenfeld und Schmidt – fand man überall Pappschilder an den Fensterscheiben: „Kaffeewasser!“ Dort konnte man sich gegen ein geringes Entgelt sein Kaffeepülverchen aufgießen lassen. Und es wird berichtet, dass so mancher Rallye-Fan besorgt mit in die gute Stube ging, um auch sicherzugehen, dass nicht ein Löffel voll des braunen Pulvers in die private Kaffeebüchse der jeweiligen Gast-Familie ging.
Mittlerweile können die Oldtimer-Fans das Spektakel ganz entspannt genießen. „Wir haben extra die Fußgängerzone geöffnet, damit die Rallye-Teilnehmer an den Gästen in den Restaurants und Eiscafés vorbeifahren können“, freut sich Bürgermeister Marco Schmunkamp auf das Renn-Revival. Und vor dem Start in den Rundkurs wird Georg Becker im Minutentakt jedes historische Fahrzeug detailliert vorstellen. Nach der Eifelrundfahrt werden die Oldtimer nochmals zwischen 13.00 und 14.30 Uhr auf dem Nideggener REWE-Parkplatz zu bestaunen sein.
In der Rallye-Klasse „8 Steuer-PS“ siegten damals die Brüder Fritz und Hans von Opel, die den fünfmaligen Rundkurs (166 Kilometer) in einer Zeit von zwei Stunden, 19 Minuten und 30 Sekunden absolvierten. Ihr Fahrerlager hatten die Auto-Profis damals im „Eifeler Hof“ in Heimbach aufgeschlagen, wie alte Zeitungsberichte belegen. An der ersten EifelRundfahrt konnten damals übrigens nur Mitglieder des ADAC teilnehmen.
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