Eifel: Die jecke Zeit, sie hat uns momentan fest im Griff und findet ihren Höhepunkt im Rosenmontagszug. Von Generation zu Generation geben wir diese Tradition insbesondere hier im Rheinland und in der Eifel weiter. Doch welchen Ursprung hat sie eigentlich? Aus welchen Elementen hat sich der rheinische Karneval entwickelt? Einer, der diese Fragen beantworten kann, ist Heribert Kaptain, Präsident des Regionalverbandes Düren e.V. im Bund Deutscher Karneval und einer von acht Ehrenamtlichen, die das Karnevalsmuseum in Düren-Lendersdorf betreuen.
„Die meisten Neugründungen von Karnevalsvereinen aus unserer Region sind auf das festordnende Komitee des Kölner Karnevals von 1823 zurückzuführen“, erzählt Kaptain. 1823, das war das Jahr, in dem erstmals die gehobenen Bürger den Karneval organisierten, um einem erneuten Verbot des Karnevals entgegenzuwirken. Denn Köln war zu der Zeit preußisch, die Preußen dem Karneval nicht zugetan. Zunächst. Um zu vermeiden, dass das Fest unkontrolliert und ohne Zustimmung des Regierungspräsidenten (eine Erfindung der Preußen) stattfand, gründeten diese Kölner das festordnende Komitee und organisierten den ersten Karnevalsumzug. „Ihr Präsident Wittgenstein war ein gut angesehener Bürger in wichtigen Positionen“, erzählt Heribert Kaptain weiter. Wer beim Umzug mitmachen wollte, musste einen Zuggroschen bezahlen und die Karte bei der Armenverwaltung kaufen. Aus dem Komitee von damals hat sich das heutige Festkomitee Kölner Karneval gebildet.
Die damals wichtige Figur im Kölner Karneval war der Held Karneval. Er führte im Karnevalszug um den Neumarkt. Seine Herrschaft hatte er erst ein paar Tage vorher durch Wahl übernommen. Aus dem Held Karneval hat sich allmählich in der Domstadt der Prinz Karneval entwickelt. Ein höherer Titel war undenkbar, schließlich herrschte der Preußische König über die Stadt. Prinz Karneval trat schon damals im klassischen Prinzenkostüm mit Zepter in der Hand auf und wurde von den anderen Städten und Gemeinden der Region kopiert. Besuch bekam er auf dem Neumarkt zunächst von der Figur einer Venetia, die sich später in die einer Jungfrau wandelte, in Anspielung auf die heilige Ursula von Köln. Der Legende nach wurde sie vom Prinzen der Hunnen, die die Stadt belagert hatten, durch Pfeilschuss getötet, nachdem sie den Heiratsantrag des Prinzen ablehnte. Mit ihr sollen 11.000 gefolgsame Jungfrauen gestorben sein. Auch diese Karnevalsfigur der Jungfrau wurde von einem Bürger der vornehmen Gesellschaft dargestellt. Schließlich kam auch noch der staatse Kölsche Buur hinzu als Würdigung der freien Bauern, die 1288 in der Schlacht von Worringen mitgeholfen hatten, den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg, ihren Stadtherrn, und dessen Verbündete zu besiegen. Somit war das Dreigestirn perfekt und hat sich in seiner Tradition bis heute, bis in die Eifel, fortgesetzt ebenso wie die Karnevalsvereine. Allerdings waren die meisten Karnevalsvereine der damaligen Zeit von 1820/1830 zunächst „Adhoc-Vereine“ und nur für ein Jahr angelegt, wie Kaptain weiter ausführt. Von den späteren Vereinsgründungen haben auch in unserer Gegend nur wenige überlebt. Eine dieser Ausnahmen ist der Kreuzauer Verein „Ahle Schlupp“ von 1880, der bis heute aktiv ist, und dem auch Heribert Kaptain angehört.
„Bis es jedoch so weit war, dass sich die gehobenen Bürger Kölns des Karnevals annahmen, waren verschiedene andere gesellschaftliche Gruppen seine Triebfeder“, führt dieser weiter aus. Im Mittelalter beispielsweise waren die Kirchen und Klöster Träger des Brauchtums, wählten als Mittelpunkt des Festes ihren Karnevalspapst. „Durch anschließende Buße, das Fasten, konnten sie wieder rein werden. Das nutzten die Geistlichen aus.“ Aber auch unter den Bauern war das Fest im Mittelalter bekannt, wie eine Kopie des Gemäldes „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten“ von Pieter Brueghel dem Älteren im Karnevalsmuseum bezeugt. Und bevor letztlich die genannten Bürger den Karneval in die Hand nahmen, waren die Zünfte eine lange Zeit, bis zum Einmarsch von Napoleon, Träger des rheinischen Karnevals.
Der Franzose traute dem Karneval zunächst nicht, verbot das Brauchtum eine Zeitlang, bis auch er den „Spaß an der Freude“ entdeckte, wie Kaptain erzählt. Wirklich salonfähig war er zu der Zeit aber nicht, bis eben zu dem Zeitpunkt, als die Preußen 1815 das Rheinland besetzten und die feinen Herren Ausrichter der fünften Jahreszeit wurden, den Karneval aus dem Verborgenen offiziell machten.
„In den Karneval flossen über die Jahrhunderte die unterschiedlichsten Bräuche ein und prägen ihn bis heute“, ergänzt Kaptain. Beispielsweise die uralte Tradition des Umkehrens der Alltagshierarchie, dass der Herrscher seine Knechte und Mägde bedient, nach dem Grundsatz: Alle Menschen sind gleich. Bereits eine mehrere tausend Jahre alte Schrifttafel aus Mesopotamien bezeuge diese Umkehrung anlässlich eines damals gefeierten Glaubensfestes. Auch das Verkleiden, in eine andere Rolle schlüpfen, ist eine ganz alte Tradition, die in den Karneval mündete. Ebenso das Osterfeuer zum Austreiben des Winters.
Im Karneval wurde das Austreiben, hier das Sündenaustreiben, als jährlich wiederkehrendes Fest personifiziert, in unserer Region in Form des Nubbel. „Dieser Strohmann wird erst von der Karnevalsgesellschaft wie beispielsweise der KG Strohmänner Selgersdorf getauft, dann mitunter vermöbelt und schließlich von ihr verbrannt oder in der Rur versenkt. Dabei nimmt er stellvertretend alle Sünden mit.“ Ein solcher Nubbel, auch Stromanus genannt, steht exemplarisch im Museum. Mit dem Christentum ist der Karneval zeitlich eng verknüpft: An Aschermittwoch beginnt die sechswöchige Fastenzeit (die Sonntage nicht mitgezählt), in der sich die Christen auf das Osterfest vorbereiten. „Das Fasten ist im Anschluss an das Prassen während des Karnevals zu sehen. Vor Beginn der Fastenzeit wurden alle verderblichen Fressalien verzehrt. Aus dieser Zeit stammt auch das eingelegte Sole-Ei, das sich über die Fastenzeit hielt.“
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