Euskirchen, Flamersheim: Die Geschichte der Frauen und Beiträge zur „gender history“ sind noch ein junges Thema in der Geschichtswissenschaft. Der Geschichtsverein des Kreises Euskirchen bildet da keine Ausnahme, doch nun hat er sich ein großes Projekt vorgenommen: „„Frauen – Zwischen Fremd- und Selbstbestimmung“ wird der erste, 400 Seiten starke Band heißen, der sich mit der Geschichte der Frauen im Kreis Euskirchen beschäftigt. Dr. Gabriele Rünger, neben Hans-Gerd Dick eine der Vorsitzenden des Geschichtsvereins, stellte zusammen mit Vorstandskollegen auf der Burg Flamersheim das große Projekt vor. Der Verein kann sich außerdem über eine willkommene finanzielle Unterstützung freuen, denn die NRW-Stiftung gewährt einen Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro, offiziell überbracht vom Regionalbotschafter Ralf Sawatzki.
Vom Spätmittelalter bis ins 21. Jahrhundert reicht die Zeitspanne, mit der sich einige der Mitglieder beschäftigt haben – der erste Band wird bis zur französischen Revolution reichen und der zweite Band dann bis in die Neuzeit. „Am Anfang dachten wir, wir kämen auf 50 bis 60 Frauen“, erklärt Dr. Rünger. Doch als sie erst einmal anfingen zu recherchieren, wurden es mehr und mehr. Aus dem angedachten einen Buch sind daher auch zwei geworden – jeweils etwa 400 Seiten stark. Welche Rolle spielten die Frauen als Ehefrauen, Witwen, Äbtissinnen im Kloster? Gab es Ausgrenzungen? Gab es welche, die Berufe hatten? Dies sind einige der Fragen, die sich Dr. Gabriele Rünger und ihre Mitstreiter gestellt haben.
Der Ort für die Projektvorstellung war bewusst gewählt. Denn Caroline von Bemberg – ursprünglich in Wuppertal-Elberfeld beheimatet – wurde schon mit 31 Jahren Witwe und kaufte die Burgen Flamersheim und Ringsheim. Sie war die Ur-Ur-Großmutter des heutigen Besitzers Robert von Bemberg. Sie habe sich eigentlich erst nach dem Tod ihres Mannes emanzipiert, erzählt er aus der Familiengeschichte. Auch wenn ihr offizieller Wohnsitz noch Wuppertal gewesen sei, habe sie doch schwerpunktmäßig auf der Burg Flamersheim gelebt. Die Grenzen des Wirkens der Frauen haben die Beteiligten auf die Grenzen des heutigen Kreises Euskirchen festgelegt, wobei die Frauen nicht zwingend aus der Region stammen mussten, sondern mitunter erst später zuzogen und hier wirkten. Von der Kindsmörderin bis zur Liebesgeschichte sei alles dabei, erläutert die Historikerin schmunzelnd. Das zweite Buch wird dann den Aufbruch der Frauen auf ihrem Weg zu Gleichberechtigung und Chancengleichheit. „Dieser Weg wird zu Recht als die ‚längste Revolution in der europäischen Geschichte‘ bezeichnet“, meint Dr. Gabriele Rünger.„Weiberregiment – Macht in Frauenhand“, „Adelige Hausfrauen – Aufgaben, Rolle und Stellung“, „Handlungsspielräume einer Witwe“, „Mädchenbildung“, „Angeklagt wegen Hexerei“ – dies sind einige der Themenschwerpunkte des ersten Werkes. „Frauen in der Wohlfahrt“, „Aufbruch der Frauen“, „Frauen im Nationalsozialismus“ und „Frauen in der Politik“ sind Themenbereiche, die dann im zweiten Band folgen werden. Die Idee zu dem Buch bzw. den Büchern entstand 2014. Der Tag der Archive fiel in diesem Jahr auf den Internationalen Frauentag – der 8. März – und im Rathaus hatte es eine Ausstellung zum Themen „Frauen – Männer – Macht“ gegeben. Die Bücher seien sozusagen eine Fortführung, erläutert Rünger. Erstmals wüsste man nun, wieviele Frauen es gegeben habe, die in der Region wirkten, ergänzt Dr. Petra Holz, Schatzmeisterin des Vereins, die hoch erfreut den Scheck der NRW-Stiftung entgegennahm.
Etwa zehn Autoren wirken an den Büchern mit, 2016 haben sie mit der Arbeit begonnen. Ende dieses Jahres, spätestens im Januar 2019, soll der erste Band erscheinen, das zweite Werk soll dann rund ein halbes Jahr später herauskommen. Man darf gespannt sein, was die Autoren alles in den Archiven gefunden haben und wie stark die Frauen im Laufe der Jahrhunderte im Kreis Euskirchen gewirkt haben.
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