Kreise, Kreis Euskirchen: Hannelore Kraft nahm sich Zeit: Rund zwei Stunden verbrachte die NRW-Ministerpräsidentin im Kreishaus in Euskirchen, um sich mit minderjährigen Flüchtlingen und deren Gastfamilien zu unterhalten. „Was Sie hier aufgestellt haben, ist bewundernswert“, sagte sie im Anschluss an die Gespräche. Das Besondere am Kreis Euskirchen besteht darin, dass etwa die Hälfte der minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge in Gastfamilien untergebracht werden konnte. Inzwischen hat Jugendamtsleiter Erdmann Bierdel bundesweit mit diesem Konzept für Aufsehen gesorgt. „Von Anfang an stand bei uns nicht nur die Versorgung der Jugendlichen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Frage der besten Integration“, sagte Bierdel. Die allermeisten unbegleiteten ausländischen Minderjährigen bräuchten keine intensivpädagogischen Heime, sondern vielmehr vor allem ein Zuhause, Struktur und Zeit, meinte der Jugendamtsleiter.
Im Herbst 2015 gab es einen Aufruf in den Medien „Minderjährige Flüchtlinge – wer hilft“ und die Resonanz überwältigte auch einen erfahrenen Jugendamtsleiter wie Bierdel. 160 Menschen waren ins Kreishaus gekommen und zeigten Interesse, ehrenamtlicher Vormund zu werden oder sich als Gastfamilie zur Verfügung zu stellen. 80 Prozent der Jugendlichen haben einen ehrenamtlichen Vormund, bei den Gastfamilien sind es häufig die Gasteltern selbst.
Von dem Erfolg dieses Konzeptes überzeugte sich Hannelore Kraft persönlich im Gespräch mit den Flüchtlingen und ihren Gastfamilien. Familie Haase-Rix aus Euskirchen ist eine von ihnen. Sie nahmen den 15-jährigen Jawid Ahmedi aus Afghanistan bei sich auf. Das Ehepaar hatte die Infoveranstaltung besucht und sich anschließend mit ihren drei Töchtern beraten. Der Familienrat kam schnell zu dem Schluss: Das machen wir. Seit Februar lebt Jawid nun in der Familie und fühlt sich sichtlich wohl.
Es sei eine große Veränderung gewesen, meinte die 16-jährige Rebecca, man hätte ihn ja nicht gekannt, aber man habe sich schnell aneinander gewöhnt. Auf die Frage der Ministerpräsidentin, was er denn in zehn Jahren machen wolle, antwortete der junge Afghane: „Etwas mit Elektrik.“ Mutter Petra Haase-Rix meinte, es habe auf beiden Seiten Kompromisse gegeben, doch der Entschluss, den Jungen aufzunehmen, sei richtig gewesen. Auch Familie Reinartz hatte sich angesprochen gefühlt und den 17-Jährigen Syrer Mahmoud Kahveci bei sich aufgenommen. Am Anfang sei er noch sehr zurückhaltend gewesen, doch inzwischen klappt es immer besser mit dem Deutsch und die Integration in die Familie schreitet voran.
Ein Vorteil sei, dass ihre Kinder noch sehr klein und selbst noch in der Spracherwerbsphase seien erzählten die Gasteltern schmunzelnd. Mahmoud liebe es, mit den Kleinen Kindersendungen im Fernsehen zu gucken. Eine weitere Vorliebe des jungen Syrers, der in Damaskus sein Abitur gemacht hat, kommt allen in der Familie zu Gute: „Er kocht gerne“, sagte Maria Reinarzt lachend. Auch ihn fragte Hannelore Kraft, worin er seine Zukunft sehe. Er wolle IT-Ingenieur werden, meinte der junge Mann.
Die Ministerpräsidentin zeigte sich tief beeindruckt von den Gesprächen an diesem Vormittag. Für diese Termine liebe sie ihren Beruf, dass sie reinschauen dürfe, meinte Kraft. „Wir tun alles dafür, dass diejenigen, die diesen schweren Gang machen mussten, dass sie sich im Kreis Euskirchen wohlfühlen“, sagte Landrat Günter Rosenke. Er habe an diesem Vormittag öfter den Satz gehört „Wir fühlen uns wohl“. „Der Kreis Euskirchen hat gute Strukturen geschaffen“, lobte Kraft das Gasteltern-Modell und die Mitarbeiter in der Verwaltung. Wer negativ gegenüber Flüchtlingen eingestellt sei, habe meist keinen Kontakt zu ihnen. Hier habe sie das Gefühl bekommen, dass man viel mehr schaffen könne, als man sich noch im Herbst letzten Jahres habe vorstellen können.
Die Zeit für ein paar Selfies der Jugendlichen mit ihr nahm sich Hannelore Kraft auch noch, bevor sie sich wieder auf den Weg machen musste zu ihrem nächsten Termin.
Die Alternative wäre eine Unterbringung fast ohne Betreuung in Hotels oder ähnlichem gewesen und das hätten sie auch aufgrund der Erfahrungen aus anderen Großstädten unbedingt vermeiden wollen, meinte Bierdel. Seit Anfang Dezember gibt es eine Erstaufnahmegruppe des DRK. Hier können die Jugendlichen erst einmal ankommen. Sie erhalten Informationen in ihrer Landessprache, Deutschunterricht, haben einen geregelten Tagesablauf und lernen die deutsche Kultur kennen.
Zusammen mit den Jugendlichen können nun Perspektiven entwickelt werden und die Vermittlungsprozesse zu den Familien verlaufen in ruhigeren Bahnen. Die jungen Flüchtlinge sind gut untereinander vernetzt und „das Gastfamilienmodell ist ein Renner geworden“. Die Familien werden auf ihre Aufgabe vorbereitet und auch vom Jugendamt begleitet.
Es werden auch weiterhin noch Gastfamilien gesucht. Bei Interesse stehen Jugendamtsleiter Erdmann Bierdel (02251 – 15641, eMail: ) sowie der Leiter der Sozialen Dienste, Benedikt Hörter (02251 – 15639, eMail: ) zur Verfügung.
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