Mechernich, Kommern: Wer die Sonderausstellung „Alt und jung – vom Älterwerden in Geschichte und Zukunft“ im Eifeler Freilichtmuseum Kommern betritt, steht zuerst vor dem „Schwungrad des Lebens“. Aufgebaut wie ein Glücksrad auf dem Jahrmarkt, fordert die kreisrunde Scheibe zum Spiel heraus. Hier können große und kleine Besucher testen, wie sie denn wohl individuell auf ihre Mitmenschen wirken: Die Palette reicht von „Rotzbengel“ bis „Methusalem“, von „Wonneproppen“ bis „Auslaufmodell“. Allein schon diese Begriffe zeigen, wie unterschiedlich die Definition von „alt“ und „jung“ ausfallen kann. „Man ist so alt, wie man sich fühlt“, sagt der Volksmund. Und andere schieben hinterher: „Wer rastet, der rostet.“
Wurde die ältere Generation früher aufs Altenteil abgeschoben, buhlt heute eine ganze Werbeindustrie um die zahlungskräftigen „best ager“. Ein Rundgang durch die 350 Quadratmeter große Ausstellung zeigt all diese Diskrepanzen auf. Mit wenigen, ganz bedacht ausgewählten Ausstellungsstücken, Vitrinen, Hörstationen und Foto-Dokumentionen.
Ganz assoziativ werden die Besucher durch die, im Uhrzeigersinn konzipierte Ausstellung geleitet. Vor einer Fototapete mit alter Bäuerin steht auf einem niedrigen Podest ein großer Ohrensessel. Daneben ein Spinnrad. Romantische Märchenstunde oder zwingend notwendiger Broterwerb?
Wenige Schritte weiter lädt die erste Hörstation zur Rast ein. Auch hier bestehen zwei Wahlmöglichkeiten: Wer auf den unteren Knopf drückt, kann dem Grimmschen Märchen „Der alte Großvater und sein Enkel“ lauschen. Wer sich für den oberen Knopf entscheidet, dem wird der „Altenteilvertrag“ der Witwe Anna Magdalena Wilkens aus dem Jahr 1870 verlesen. Nach dem Tod ihres Mannes musste sie sich aufs Altenteil zurückziehen und in 17 Vertragspunkten wurde mit den Erben festgelegt, welche Möbel sie mit ins „Ausgedinge“ mitnehmen könne, und welche wöchentliche Ration an Grundnahrungsmitteln – wie Butter, Milch, Kartoffeln oder Erträgen des Gartens – der Bäuerin in Zukunft zustände. „Hege und Pflege in guten und kranken Tagen“ wird ihr zugesichert. Aber was bedeutete das damals? Auch hier gibt die Ausstellung anschaulich Auskunft.
Schräg gegenüber eine modern installierte „Lebenstreppe“. Wie ein Siegerpodest sind die einzelnen Stufen angeordnet. Die ersten Jahrzehnte geht es zügig und zielstrebig aufwärts: Kindheit, Schulzeit, Mobilität und Karriere, Hausbau. Doch mit 50 – ganz oben auf dem Siegertreppchen – der Bruch. Eine Waage signalisiert: Krisenzeit. Von nun geht’s bergab. „Im Grunde haben die Menschen nur zwei Wünsche: Alt zu werden und dabei jung zu bleiben“ ist auf der Rückwand zu lesen.
Ob Hörgerät oder MP3-Stöpsel… Der Knopf im Ohr lässt sich in unserer modernen Gesellschaft kaum mehr klar definieren. Die Grenzen zwischen jung und alt verschwimmen. Und wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Rollator oder Lauflern-Hilfe? Der eine kann nicht mehr ungestüm loslaufen, der andere kann’s noch nicht… Die ausgestellten Objekte machen nachdenklich. Schon immer hat die Menschheit vom „Jungbrunnen“ geträumt, wie ihn Lucas Cranach (1442 – 1553) in seinem gleichnamigen Gemälde darstellte: Alt, ausgemergelt und gebrechlich gleiten die Frauen ins Wasser, um anschließend verjüngt und strahlend wieder an Land zu steigen. Für immer jung. Was heute Botox-Spritzen bewirken sollen, wurde in den 1950er Jahren mit dem „Gesichtsbügeleisen“ geglättet. Mit den absonderlich anmutenden Geräten – so erklärt der Vitrinen-Text – wurde damals die Gesichtspartie vorgewärmt, um anschließend mit Massage aktiviert zu werden.
Nachdenklich und staunend können Besucher diese Ausstellung erleben, denn Unmengen von Themen werden auf den einzelnen Stationen assoziativ angerissen: Ein unscheinbarer grauer Aktenschrank gibt Auskunft über die 1889 eingeführte staatliche Altersvorsorge. Zieht man die einzelnen Schubladen auf, kommen alte Akten zutage. Aber auch Arbeitsminister Norbert Blüm, der 1986 mit einer Plakat-Aktion garantierte: „Denn eins ist sicher: Die Rente.“
Entdecken. Ausprobieren. Aufs Thema der Ausstellung einlassen: Der Rest passiert im Kopf. Absolut sehenswert!
Bis zum 6. November 2016 ist die Sonderausstellung „Alt und jung“ zu erleben. Besondere Aktionstage führen tiefer in die Thematik ein. Am 6. April, dem „Tag der älteren Generationen“, sind Besucher jeden Alters beispielsweise eingeladen, für kurze Zeit die Perspektive zu wechseln. Mit Simulationsanzug, präparierter Brille oder speziellen Handschuhen und Gewichten können selbst junge Menschen mitempfinden, wie kompliziert es für Ältere sein kann, den Alltag zu meistern. „Oft fällt es im Alter schon schwer, eine Münze mit zwei Fingern vom Tisch aufzuheben“, erzählt Nico Wiethof, 26-jähriger Volontär im Museum. Bei den von ihm organisierten Veranstaltungen möchte er einen Austausch der Generationen beschleunigen, „damit Erfahrungswerte weitergegeben werden.“ Denn die „Alten“ hätten anhand ihrer Lebenserfahrung immer eine Lösung.
Weitere Informationen finden sich unter www.kommern.lvr.de.
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