Mechernich, Kommern: Der Festakt am 1. August war bis ins kleinste Detail geplant. Pünktlich um 7.15 Uhr sollte der erste Zug in den neu gebauten Bahnhof des Eifeldorfes Großbüllesheim einlaufen: Begrüßt von drei Böllerschüssen und begleitet von munteren Liedern des Männergesangsvereins. Selbst der Zeitpunkt für den triumphalen Tusch war an diesem Samstagmorgen vor 101 Jahren präzise terminiert. Doch die Eröffnungsfeierlichkeiten wurden von der Politik überrollt: An diesem Tag erfolgte die Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg. Von den zahlreichen, im Vorfeld strategisch geplanten Bahnhöfen aus zogen nun Soldaten und Freiwillige voller „Hurrapatriotismus“ in den Krieg und waren überzeugt „Weihnachten sind wir wieder hier!“
Anhand zahlreicher Exponate, Audio- und Video-Stationen zeichnet die beeindruckende Ausstellung „KRIEGS(ER)LEBEN IM RHEINLAND – Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“ in den Räumen des Freilichtmuseums Kommern die Geschehnisse nach, die am 1. August 1914 ihren Lauf nahmen.
Exemplarisch für unzählige Einzelschicksale stehen die Front-Erlebnisse des Eifelmalers Anton Keldenich aus Großbüllesheim. 1874 geboren, arbeitete er nach künstlerischen Lehr- und Wanderjahren durch Italien als Dekorations- und Reklameschildmaler in der Eifel, stattete mit seinen Bildern Wohn- und Wirtshäuser, sowie Kirchen aus. Doch 1915 kam auch für Anton Keldenich der Marschbefehl. In drei schwarz gebundenen Kladden führte er akribisch Kriegstagebuch – mit gestochen klarer Handschrift. In Skizzenbüchern hielt er zudem mit schnellem Strich seine Eindrücke in Schützengräben oder Unterständen fest. Und statt Wohnhäuser wohlhabender Kunden verzierte er nun Grabkreuze und Särge gefallener Soldaten. Atmosphärisch dicht vermitteln die einzelnen Themenschwerpunkte der Ausstellung den damaligen Zeitgeist. Genial gelöst der nachvollziehbare Übergang von der „Mobilmachung“ zum „Fronteinsatz“. Der Weg führt die Besucher durch einen nachgebauten Eisenbahnwagon: Rechts hinter den kargen Sitzbänken das riesige Foto von erschöpften, zusammengekauerten Soldaten, während von links aus Lautsprechern das rhythmische Rattern eines Zuges ertönt. Kaum aus dem Wagon ‚ausgestiegen‘, fällt der Blick auf einen aus Holzstämmen gezimmerten Unterstand, vor dem ein aus Weidengeflecht befestigter Schützengraben verläuft. Genauso hatte es Anton Keldenich auf seinen farbigen Illustrationen festgehalten, die gleich nebenan gezeigt werden: Hier dokumentierte er den Alltag im Festungsgraben, Gasalarm und Soldatenfriedhöfe in den Vogesen. Das notwendige Zeichenpapier bekam Anton Keldenich teilweise von der französischen Bevölkerung… Assoziativ werden die Besucher durch diese Ausstellung geleitet. Stehen staunend vor dem Oldtimer, mit dem von Euskirchen aus „Liebesgaben“ an die Front transportiert wurden. Lauschen den Inhalten von Feldpostbriefen oder betrachten die schmucken Miniatur-Uniformen, in denen die Pänz das Kriegsgeschehen nachspielten. Kinderspiele mit Namen wie „Unsere U-Boote“ oder „Unsere Brummer“ – ein „Patriotisches Geduldsspiel“ in Form eines Tangram-Puzzles – sollten den männlichen Nachwuchs bereits im Kindesalter zu guten Strategen und Soldaten erziehen. Die Mädchen wirkten in der Puppenküche, auch wenn die Kriegsrationen immer spärlicher ausfielen.Die Ausstellung, deren eindruckvolle Aufbereitung lange nachklingt, ist noch bis zum 10. Oktober von 9.00 bis 19.00 zu besichtigen. Der Eintritt ins Freilichtmuseum kostet für Erwachsene 6,50 Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Nähere Informationen unter www.kommern.lvr.de
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