Monschau: „Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich, so etwas denkt sich keiner aus.“ Hermann Mertens, allgemeiner Vertreter von Monschaus Bürgermeisterin Margareta Ritter und erster Vorsitzender des vor zwei Jahren gegründeten, gemeinnützigen Vereins „Eifel hilft“, weiß gar nicht, wo er anfangen soll zu erzählen… „Seit 2012 lebt hier in Monschau ein junger Marokkaner als Asylbewerber. Er kam ohne Pass in der Eifel an und schilderte mir seine abenteuerliche Geschichte“, schaut Mertens, der seit 1979 die Flüchtlingsprojekte in Monschau betreut, zurück.
Wie alle Kinder war Achmed (richtiger Name der Redaktion bekannt) sicher, das Ehepaar, bei dem er aufwuchs, seien seine leiblichen Eltern. Doch der ständige Spott auf der Straße, er sei ja bloß ein „Findelkind“, setzte ihm zu. Zusätzliches Misstrauen hatte er geschöpft, weil er keine öffentliche Schule besuchen durfte. Um die Wahrheit über seine Herkunft herauszufinden, habe er sich bereits mit elf Jahren auf die Suche gemacht und in sämtlichen Krankenhäusern der Region nachgefragt, ob er dort möglicherweise zur Welt gekommen und wer seine leibliche Mutter sei, fährt Mertens fort. Doch Achmeds Suche war vergebens. Deshalb kam es zur Kurzschlusshandlung. Er entschloss sich kurzerhand, einen Neuanfang zu wagen und verließ mit elf Jahren seine Heimat. Über viele Zwischenstationen kam er schließlich – zehn Jahre später – nach Monschau und begegnete Hermann Mertens, der sich intensiv mit dem jungen Mann unterhielt und dessen Schicksal – als einer der wenigen – für authentisch hielt.
Um weiterzuhelfen, habe er zunächst Kontakt mit der Leiterin des Ausländeramtes aufgenommen, fährt Mertens im Gespräch mit EIFELON fort. „Sie hat mir den Tipp gegeben, mich mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu setzen.“ Dort gebe es weltweite Listen mit Vertrauensanwälten der Bundesrepublik Deutschland. „Aus der Liste für Marokko habe ich dann einen der Anwälte rausgesucht, der sofort mit seinen Recherchen begann und sich auf die Suche nach den vermeintlichen ‚Eltern‘ machte. Kaum ausfindig gemacht, gestanden sie, vor circa 25 Jahren den damals anderthalbjährigen Achmed geraubt zu haben.“ Als „Entschuldigung“ gaben sie an, die Entführerin habe eine Fehlgeburt gehabt und hätte danach keine Kinder mehr bekommen können…
Auf Grund ihres Geständnisses konnte auch mit den leiblichen Eltern Kontakt aufgenommen werden. Voller Verzweiflung und trotzdem voller Zuversicht hatten sie jahrelang ihr Geld für Suchanzeigen nach ihrem Sohn ausgegeben. Inzwischen konnte die Familie erstmals miteinander telefonieren. Dabei entstanden an einem Sonntag mehr als 1.000 Euro Telefongebühren. „Eifel hilft“ setzte sich daraufhin erneut für den jungen Marokkaner ein: „Eine ausführliche E-Mail mit der Schilderung der kompletten Geschichte bei der Telekom in Bonn genügte, die Kosten wurden von dem Unternehmen gestrichen“, berichtet der zweite Vereinsvorsitzende Hubert vom Venn.
Die Frage nach einem Honorar hat übrigens auch der marokkanische Anwalt weit von sich gewiesen:
Sie werden doch nicht ernsthaft glauben, dass ich hierfür ein Honorar annehme. Ich danke Gott, dass ich an diesem Wunder mitwirken durfte.“
Hermann Mertens hat die unglaubliche Odyssee von Marokko nach Monschau dokumentiert und sagt ganz offen, dass er beim Schreiben mehrfach Tränen in den Augen hatte. „Ich fühle mich für Achmed mittlerweile verantwortlich wie ein Vater.“ Dieses Erlebnis sei die Krönung seiner vielen Dienstjahre. „Schöner hätte ich mir das nicht vorstellen können“, meint Mertens, der im Juni in Pension geht, und fügt voller Freude hinzu: „Wie viele glückliche Zufälle mussten zusammenkommen, damit dieser junge Marokkaner seine leiblichen Eltern wiederfindet!“
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