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Rekonstruktion des Anlitzes der Seligen Christina von Stommeln [Fotos: privat]

Die vergessene Heilige: Christina von Stommeln

Nideggen: Im 14. Jahrhundert war Nideggen für fast 250 Jahre ein viel besuchter Wallfahrtsort. Von 1342 bis 1591 beherbergte die Stadt die Gebeine der Christina von Stommeln. Sie war eine Mystikerin des 13. Jahrhunderts, die – soweit bekannt – als erste Stigmatisierte in die katholische Kirchengeschichte eingegangen ist. Unter Stigmatisierten versteht die katholische Kirche Menschen, an deren Körper sich die Wundmale Christi abzeichnen, die dieser bei seiner Kreuzigung erlitten hatte.

Christina stammte, wie bereits der Name verrät, aus dem Dorf Stommeln, westlich von Köln. Sie wuchs in ihrem Elternhaus in wohlhabenden Verhältnissen einer Bauernfamilie auf. Im Alter von dreizehn Jahren verließ sie, ausdrücklich gegen den Willen der Eltern, die Familie und blieb bis zu ihrem 17. Lebensjahr in einem Beginenkonvent in Köln. Die Beginen waren keine Nonnen, sondern streng religiöse Frauen, die ihre Aufgabe in der Betreuung der Armen, Kranken und Sterbenden sahen.

Weil sie wegen Trance- und Entrückungszuständen beim Betrachten von Bildern der Leiden Christi oft tagelang für ihre Mitschwestern nicht ansprechbar war – Christina fiel über Tage in einen Erstarrungszustand – wurde sie zurück nach Hause geschickt.

Kurze Zeit später zog sie im Pfarrhof bei Pfarrer Johannes ein. Im Pfarrhaus begegnete sie 1267 dem Mystiker und Dominikanermönch Petrus von Dacien. Zwischen dem weltläufigen Ordensmann und der frommen Frau entstand eine intensive Bindung. Für die folgenden drei Jahre bis zu Petrus endgültiger Rückkehr nach Schweden sind zwölf weitere Besuche bezeugt. Danach korrespondierten die Beiden bis zu seinem Tod 1289. Im Alter von 46 Jahren zog Christina in eine Klause, wo sie zurückgezogen lebte und ihr geringes Einkommen durch Näharbeiten sicherte. Dort starb sie am 6. November 1312 im Alter von 70 Jahren. Sie galt bereits zu Lebzeiten in der ländlichen Bevölkerung als eine heilige Frau, wurde geachtet, geehrt und erhielt Besuch von Gottsuchenden aus ganz Europa. Nach ihrem Tod im Jahr 1312 wurde ihr zu Ehren an ihrem Grab in Stommeln ein Stift, ein Zusammenschluss von Geistlichen begründet, das sich wohl vor allem dem Kult der Christina – nach Meinung des Volkes „eine Heilige“ – widmete. Hier sind auch die ersten Wunder der Christina bezeugt. So soll Graf Dietrich IX. von Kleve an ihrem Grab von der Gicht geheilt worden sein.

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Im Inneren der Stiftskirche.

Auf Initiative des damaligen Markgraf Wilhelm von Jülich und in Zusammenarbeit mit dem Kölner Erzbischof, einem Bruder des Jülichers Markgrafen, wurde 1342 dieses Stommeler Stift und die Gebeine der Christina, nach Nideggen verlegt. Er wollte damit seine Residenz Nideggen als Ort der Heiligenverehrung etablieren. Für dieses Stift errichtete der Markgraf eine neue dreischiffige Basilika auf dem Gelände des heutigen Christinenstiftes. Auf Grund der tausenden „Christina Pilger“, die in der Folge jährlich nach Nideggen kamen, bedeutete der Bau der Stiftskirche und die damit verbundene Heiligenverehrung eine wirtschaftliche Aufwertung der Stadt. Nideggen wurde zum bedeutenden und viel besuchten Wallfahrtsort.

250 Jahre später war es mit den sprudelnden Einnahmen vorbei, als die große dreischiffige Basilika 1543 im Krieg gegen Kaiser Karl V. um die Erbfolge in Geldern total zerstört wurde. Das Stift übersiedelte und bekam seine neue Heimat 1569 in der Residenz in Jülich. Dabei blieben die Gebeine der seligen Christina zunächst in Nideggen, weil in der Zeit der Reformation, mit ihrer Ablehnung der Heiligenverehrung, das Interesse an den Reliquien stark nachgelassen hatte. Erst nach dem Konzil von Trient wurde von katholischer Seite die Heiligenverehrung wieder aufgenommen. Das inzwischen in Jülich installierte Stift entsann sich seiner früheren Heiligen: In einer Nacht- und Nebelaktion wurden ihre Gebeine 1591 nach Jülich entführt, wo sie bis zum heutigen Tage ruhen. Landläufig bewerteten die damaligen Nideggener Bürgerinnen und Bürger das Jülicher Vorgehen verständlicher Weise sehr hemdsärmelig: „Man hat unsere Heilige gestohlen!“. Von der Nideggener Seite wurde alles versucht, die sterblichen Überreste von Christina zurück zu bekommen, doch alle Bemühungen blieben fruchtlos.

Da die Nideggener Basilika nach dem Erbfolgekrieg nur noch eine Ruine war, bauten die Schwestern vom Minoritenorden in den Jahren 1653 bis 1662 eine neue Kirche an der alten Stelle auf. Während der französischen Besetzung des Rheinlandes wurde 1802 dieses Kloster aufgelöst, auch die neue Kirche existiert heute nicht mehr.

Christina von Stommeln wurde 1908 vom Vatikan selig gesprochen. Im Jahr 1909 kam eine Reliquie, das Schlüsselbein der Christina, nach Nideggen zurück. Die Reliquie war zuerst in der Pfarrkirche untergebracht und wurde später ins Christinenstift überführt. Ihr Grab hat die selige Christina von Stommeln noch heute in Jülich.

29.5.2015LebenNideggen0 Kommentare bvl

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