Eifel: Für den einen sind es zunächst nur bunte Striche und Symbole. Für den anderen der direkte Zugang in eine vergangene Zeit: Farbige Linien dokumentieren Reise-, Pilger- und Handelsrouten, die bereits seit Römerzeiten in der Eifel existieren. Wie im modernen Autobahnnetz gab es schon damals wichtige Knotenpunkte, an denen merkantile Zentren entstanden. Die Römerthermen in Zülpich zeugen noch heute von Rast und Refugium für die damals Reisenden.
Gemeinsam mit dem Heimbacher Geschichtsverein hat Karl Mebold das historische Wegenetz analysiert und anschaulich dargestellt. Diese Grafik war Vorlage für eine interaktive Infotafel, die demnächst im Torturm der Burg Hengebach für Touristen und Einheimische zugänglich ist. „Von dort oben aus konnte man die strategisch wichtige Furt durch die Rur überwachen.“ Mit einem kurzen Exkurs erläuterte der 77-Jährige Forscher die Entstehungsgeschichte der Heimbacher Burg, einer der ältesten steinernen Festungsanlagen der Eifel. Sie entstand als strategische Rückzugsburg zur Zeit der Normannenüberfälle auf einem Felsensporn über der Rur, da das bisherige „Verwaltungszentrum“ Vlatten in der Ebene nicht mehr zu halten war.
Das erarbeitete, „idealisierte“ Panorama zeigt eine Übersicht der Straßennetze. Dabei geht die gedachte Blickrichtung von Heimbach aus zum Kermeter, über die Wallenthaler Höhe hinweg bis zum Aremberg in Rheinland-Pfalz. „Deshalb ist unsere Darstellung im Gegensatz zu üblichen Karten nicht genordet.“ Als blau-mäandernde Linie ist auch die römische Wasserleitung aus der Eifel bis nach Köln, Colonia Agrippina, eingezeichnet. Ein Hinweis auf den immensen „Wasserschatz“ der Region.
Die in unterschiedlichen Farben markierten, historischen Wegestrecken zwischen Metropolen wie Köln, Trier, Marseille oder Reims sind nicht schnurgerade, sondern in einer Art Zick-Zack-Linie dargestellt, wobei jeder Abschnitt die Etappe von einem Entfernungshinweis zum nächsten symbolisiert. Die kräftesparende römische Streckenführung machte sich Jahrhunderte später auch Napoleon zu Nutze: Er baute die Schnellstraße zwischen Zülpich und Reims (in der Grafik als Route Nr. 2 gekennzeichnet) erneut als Militärstraße aus, erläuterte Mebold.
„Das Interesse der frühen Straßenbauer galt den Eifeler Erzvorkommen“, ist der „Eisen- und Metall-Freak“, wie er sich selber tituliert, überzeugt. Denn nach Abbau der metallischen Bodenschätze mussten die wertvollen Stoffe weitertransportiert werden. „Schon die Römer haben die Eifelregion als Schatz angesehen“, begründete er seine intensive Forschungsarbeit. Geologen und Geophysiker seien sich einig, dass die Eisenerzvorkommen in der Badewald-Region zwischen Nideggen und Vlatten einfach „spitze“ sind. „Eine Kostbarkeit, die mit Sicherheit auch die Römer genutzt haben.“ Und so sind links und rechts entlang der dargestellten Römerrouten zahlreiche Hammer-Symbole eingezeichnet, die auf den systematischen Abbau der Bodenschätze hinweisen. Wissenschaftliche Grabungen in den 1950er Jahren belegten, dass bereits in prähistorischer Zeit hier Metall verarbeitet wurde. „Die Buchenwälder ringsum lieferten das Material für eine hervorragende Holzkohle, um die gewonnenen Bodenschätze einschmelzen zu können.“
Mit diesem geschulten Blick auf die jahrhundertealte Montanindustrie in der Eifel widmete sich der gebürtige Siegerländer anschließend der völlig neuen Interpretation einer alten Sage um die Asen-Göttin Sif. Gemeinsam mit ihrem Gemahl Thor, der besonders ihr prächtiges Haarkleid liebt, wachte sie über die Fruchtbarkeit und Gesundheit von Feldern, Weiden, Mensch und Tier. Doch eines Nacht wird ihre Haarpracht – gleichzusetzen mit wogenden Wäldern und Feldern – von Gegenspieler Loki gestohlen. Diesen Frevel interpretiert Mebold als gewaltige Umweltkatastrophe, denn bei der Metallgewinnung wurden Giftstoffe wie Schwefel, Arsen und Phosphor freigesetzt. Um einen Korb „Metallum“ zu gewinnen, musste manchmal das Fünfzehnfache an Holz verfeuert werden, sodass schon damals die Natur der Gier zum Opfer fiel.
Auf Initiative der „Jungen Alten“ referierte der engagierte Forscher im Heimbacher Wasser-Infozentrum. Unter den rund vierzig Zuhörern saßen auch Vertreter der Geschichtsvereine umliegender Gemeinden. „Wir wollen kein Erzählcafé, sondern eine Forschungswerkstatt aufbauen“, ermunterte Mebold die Anwesenden zur Mitarbeit. Das nächste Treffen für Geschichtsinteressierte findet am 19. Januar um 15.00 Uhr ebenfalls im W.I.Z.E statt. Dann widmet sich Karl Mebold der uralten Nibelungen Sage. Könnte es sein, dass mit dem „Hort der Nibelungen“ die reichen Bodenschätze der Eifel gemeint waren? Dann hätte der tapfere Siegfried keinen feuerspeienden Drachen besiegt, sondern als versierter Schmied dem glühenden Schmelzofen die kostbaren Metalle abgetrotzt. Zur Einführung in den Vortrag wird Ulrike Schwieren-Höger Passagen aus der vertrauten, märchenhaften Sage vorlesen.
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