Roetgen: „Am Anfang waren wir skeptisch, ob wir das jeden Monat stemmen können“, räumt Rolf Wilden ein, doch mittlerweile haben sich die „Roetgener Blätter“, die monatliche Publikation des Heimat- und Geschichtsvereins, als feste Informationsquelle etabliert. In feuilletonistischem Erzählstil bereiten die ehrenamtlichen Forscher die Geschichte ihres Ortes auf: Sie sammeln, archivieren und halten so die Erinnerung an alte Zeiten auch für jüngere Generationen wach.
„Wir haben drei Verteiler, um unsere Publikation unters Volk zu bringen“, schildert Wilden, der Geschäftsführer des rührigen Vereins. Über ihre Internetseite (www.heugeve-roetgen.de) und per monatlichem elektronischen Rundbrief erreichen sie Leser in der ganzen Welt: „Viele Roetgener, die beispielsweise nach Kanada oder Neuseeland ausgewandert sind, wollen weiterhin Kontakt zu ihrer alten Heimat halten.“ Für die ältere Generation vor Ort gibt es eine gedruckte Variante. „Wir drucken monatlich 150 Exemplare der ‚Roetgener Blätter‘ aus. Das machen wir noch alles selber.“ Die Vereinsmitglieder stiften das nötige Papier und mit einem Verkaufspreis von 1,50 Euro lassen sich die Kosten gerade decken.Obwohl der Verein erst 2005 gegründet wurde, verfügt er schon über mehr als 10.000 Fotografien und Bilder. „Und alle sind beschriftet“, betont der 75-Jährige – nicht ohne einen Hauch Stolz in der Stimme. „Manchmal bekommen wir aus einem Nachlass jede Menge Fotoalben, wissen aber oft nicht, wer auf den alten Fotos zu sehen ist.“ Dann gehen die Hobby-Historiker mit ihren Schätzen in die umliegenden Altenheime. „Der absolute Clou sind momentan die ‚Klassenbilder‘.“ Sollte ein Name der abgebildeten Pennäler fehlen, wird die Bevölkerung in den „Roetgener Blättern“ um Mithilfe gebeten. „Neulich kam ein 92-Jähriger vorbei und hat innerhalb von zehn Minuten alle Kinder auf dem Bild mit Namen benannt. Er wusste sogar noch, wer in dem Schuljahr neben wem gesessen hat.“
Langfristig gesehen will der aktive Heimat- und Geschichtsverein ein eigenes Haus erwerben. „Erste Gespräche mit der Bank sind bereits gelaufen. Aber erst müssen wir ein bisschen Geld zusammenhaben, sonst brauchen wir gar nicht anfangen.“ Auf EIFELON-Nachfrage nennt er eine Summe von 50.000 bis 100.000 Euro. Ziel des Vereins ist es auch, mit dem Erwerb einer eigenen historischen Immobilie die Zerstörung weiterer, für Roetgen charakteristischer Bauten zu verhindern. „Mit unserem vehementen Widerstand gegen den Abriss des Schmiddem-Hauses haben wir viel Staub aufgewirbelt. Verhindern konnten wir es trotzdem nicht“, bedauert er zutiefst. Durch den massiven Protest des Heimat- und Geschichtsvereins wurden viele Bürger aufmerksam und sind daraufhin Mitglied im „HeuGeVe“ geworden. „Die Mitgliederzahl hat sich verdoppelt! Gerade die neu Zugezogenen im Alter von circa 40 Jahren haben Sorge um ihre frisch erworbene Heimat und wollen den urigen Charakter von Roetgen retten.“Bislang lagern die geschichtlichen Archivalien in Privathäusern, die größeren Objekte in Kellern und auf den Dachböden der Vereinsmitglieder. „Wir brauchen dringend Platz für unser Dorfarchiv“, sagt Rolf Wilden mit Nachdruck. „Neulich wurde uns eine komplett eingerichtete Schusterwerkstatt angeboten“, erzählt der 75-Jährige. „Aus Platzgründen mussten wir leider absagen.“ Einige ihrer geschichtsträchtigen Sammelstücke sind zurzeit als Leihgabe im Lammersdorfer Bauernmuseum zu sehen. Eine Übergangslösung könnten Räume in den Grenzlandhallen werden. „Gerade wird ein Trägerverein gegründet und eine Satzung ausgearbeitet. Ausreichend Platz wäre da, aber noch steht nicht fest, wie hoch die Kosten für unseren Verein wären.“
Während des Gesprächs mit EIFELON ratterte im Hintergrund übrigens unermüdlich der Drucker für die wirklich lesenswerte August-Ausgabe der „Roetgener Blätter“. Hier kurzer Einblick in den Artikel von Franz Wilhelm Hermanns über ein spektakuläres Eisenbahnunglück am 14. Juli 1928, als durch Roetgen noch die Dampflok stampfte.
An dem Sommertag vor 88 Jahren sollte ein Güterzug mit 32 voll beladenen Koks-Waggons in den Roetgener Bahnhof einfahren. Wegen der vorherigen Steigung wurde die Zugmaschine von einer schiebenden Dampflok unterstützt. Als die vordere Lok entgleiste, wurden die Kohleanhänger zusamengeschoben. Geistesgegenwärtig konnte sich der Heizer der entgleisten Lok mit einem beherzten Sprung vom Tender in Sicherheit bringen:Die ersten sechs Loren des 32 Wagen langen Zuges sind vollständig zerstört. Die Eisenbahnschienen wurden von der Wucht des Aufpralls zusammengezogen, als wären sie leichter Draht. Die Lokomotive hat sich mit den Vorderrädern tief in das weiche Erdreich der Böschung hineingegraben. Fleißige Hände sind eifrig an der Arbeit, das Werk der Zerstörung wieder zu beseitigen. Von Lüttich ist ein Drehkran gekommen. Der versucht nun, die Wagen wieder auseinanderzureißen, nachdem eine Lokomotive ihre Bemühungen aufgeben musste, weil die Drahtseile, an die die umgeworfenen Wagen befestigt waren, immer wieder abrissen. Inspektor Trimmond aus Malmedy leitet die Aufräumungsarbeiten. Aus Lüttich ist eine Kommission eingetroffen, und aus Herbesthal kam ein Gerätewagen zur Hilfe herbeigeeilt. Der Koks liegt weit verstreut über die Gleise. („Echo der Gegenwart“, 8. Juli 1928)
Weitere Recherchen des HeuGeVe ergaben, „dass der vom Zug transportierte Koks von der Roetgener Bevölkerung vollständig ‚eingesammelt‘ wurde“…
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