Roetgen: Ihr Ruf ist legendär und vor allem zur Weihnachtszeit sind sie buchstäblich in aller Munde. Die Rede ist natürlich von den Aachener Printen, ohne die ein deutsches Weihnachtsfest eigentlich undenkbar ist. Und doch! Für Printen-Feinschmecker aus der Region stammte die Krönung des Gebäcks nicht aus Aachener Backstuben. Sie schwärmten vielmehr für die legendären „Vinbrüx-Printen“, die im Ofen einer Bäckerei in Roetgen „geboren“ wurden. Heute sind die Vinbrüx-Printen fürwahr eine kulinarische Rarität. Denn wer ins Original beißen kann, hat Importware im Mund, die den Weg vom anderen Ende der Welt in die Eifel fand. Warum? Eigentlich ganz einfach. Bis 1998 war Richard Vinbrüx der Vater der Delikatess-Printen, denen er in der „Vinbrüx’schen Backstube“ ihr einmaliges Aroma und Gepräge gab. Doch dann zog es den Printen-Spezialisten in die weite Welt – nach Neuseeland, ans andere Ende der Erdkugel. Richard Vinbrüx packte die Koffer und wanderte, wie im 19. Jahrhundert so viele Eifeler, mit Frau und Kindern aus. Mit im Gepäck: die Backmaschinen, Pferde und Hunde, die allesamt Platz in großen Schiffscontainern fanden.
Echte Pionierarbeit
In Neuseeland angekommen galt trotz aller landschaftlicher Schönheiten ein altes, deutsches Sprichwort: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Die siebenköpfige Vinbrüx-Familie musste auch „Down under“ kräftig in die Hände spucken. Doch das Unternehmen „Neuseeland“ gelang. Bald wohnte man in einem schmucken Blockhaus im kanadischen Stil, dessen Prunkstück die Veranda ist. Von ihr aus genießt die Familie einen unvergleichlichen Blick, der beim wellenumtosten Strand beginnt und bei den hohen Bergen aufhört. „Das Paradies“, mailte Richard Vinbrüx in die Eifel, „ist Neuseeland auch nicht, aber das wussten wir vorher.“ Aber man kann dort ein gutes und zukunftsträchtiges Leben führen, wie sich recht bald zeigte. Denn im neuen Jahrtausend erblickte der fünfte Sprössling der Vinbrüx‘ als waschechter „Kiwi“ das Licht am anderen Ende der Welt. Zu den Pferden und Hunden, die von der Eifel aus den Weg nach Neuseeland antraten, gesellten sich noch neue Schafe, Gänse, Hühner, Enten, eine Kuh für die Milch und ein Stier für die Kühltruhe. Eines aber war dem Bäckermeister in der Fremde ein wahres Gräuel: Neuseeländisches Brot, das für den deutschen Gaumen einfach ungenießbar ist. Daher kaufte die Familie eine Halle, in der die neuseeländische Bäckerei Vinbrüx in Betrieb genommen wurde. Von Oktober 1999 bis 2005 wurden dort sechs verschiedene Bio-Brotsorten, von Weiß- bis Schwarzbrot, Printen, Spekulatius und sogar echte Weihnachts-Printenmänner hergestellt. Gleichzeitig baute der vielseitige Richard Vinbrüx seine Island-Pferdezucht auf. Weil es in Neuseeland keinen Kandiszucker und Sirup gibt, wichen seine Printen von der eigentlichen Rezeptur etwas ab. Er kreierte eine weichere Honigprinte. Sein Spekulatius fand besonders bei den eingewanderten Niederländern reißenden Absatz. Mut, Risikobereitschaft und Fleiß wurden belohnt. Das Geschäft florierte und die Kinder wuchsen heran.
Selbstversorger mit Vorbildfunktion
Doch damit ist die Auswander-Geschichte der Vinbrüx noch nicht zu Ende. 2005 verkaufte der geborene Roetgener seine gutgehende Bäckerei und seine Frau Christel trieb ihre Isländer-Pferdezucht mit aller Energie erfolgreich voran. Mit ganzer Energie suchte die Familie nach Möglichkeiten für eine umfassende Selbstversorgung. Sie machte ihr Land zu großen, ertragreichen Gärten und Feldern, produziert Milch, Butter, Käse, Apfelsaft, Cidre, Bier und jede Menge Holunderblütensekt. Auf insgesamt 80 Morgen Land können sich die Vinbrüx so richtig austoben. Selbstverständlich wird noch immer ausschließlich eigenes Brot verzehrt. Es sieht einfach so aus, als ob alles, was die Familie Vinbrüx „ausbrütet“ und umsetzt, von Erfolg gekrönt ist. Was das Gemüse angeht, ist die Familie inzwischen zu 90 Prozent Selbstversorger. Beim Fleisch sogar zu 99 Prozent. Besonders beliebt sind die Würste aus eigener Herstellung und die geräucherten Schinken. Eine Mischung aus Selbstversorger-Seminaren und Ferien auf dem Bauernhof runden das Ein- und Auskommen der Familie ab. Doch das wichtigste ist und bleibt der Zusammenhalt der Familie. Ohne ihn wäre das alles nicht möglich.
Der Kreis hat sich geschlossen
Doch die Katze lässt das Mausen bekanntlich nicht. Längst steht ein kerniger „Backes“, ein Steinofen, auf der Farm bereit, um neben den leckeren Broten auch wieder Kekse, Spekulatius und Printen zu backen. „Nicht nur wir wollten nicht weiter auf diesen Gaumenschmaus verzichten“, schwärmt Richard Vinbrüx. „Auch die Neuseeländer und die vielen Einwanderer haben den einzigartigen Geschmack unseres Gebäcks vermisst.“
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