Umland: „Wo fahrt Ihr hin? Nach Georgien? Wie seid Ihr denn darauf gekommen?“ „Super, da erlebt Ihr bestimmt viel! Ist das Land denn sicher?“ Fragen und Aussagen wie diese bekamen wir viele, als wir von unserem Vorhaben berichteten, nach Georgien zu fahren. Drei Wochen wollten wir in dem dem kleinen Land im Kaukasus verbringen. Drei Wochen voller Erlebnisse, grandioser Natur, gutem Essen und liebenswerten Menschen.
Es war nicht unsere erste Reise nach Georgien. Vor zwei Jahren waren wir schon einmal dort, denn wir nahmen an einer Libellen-Exkursion teil – mein Mann ist Hobby-Libellenkundler und ich als Journalistin konnte mir ein derartiges Ziel nicht entgehen lassen. Wir hatten 2014 viel erlebt und gesehen, doch das ist eine andere Geschichte. In diesem Jahr sollte es mehr um die Kultur gehen, denn Georgien hat in dieser Beziehung viel zu bieten. Aber auch die Natur wollten wir erleben – ein paar Libellen haben wir natürlich auch gesehen. Ein befreundetes Ehepaar begleitete uns und wir machten uns Ende Mai auf in Richtung Georgien. Die Freude war groß, als wir am Flughafen von Natia, unserer Dolmetscherin und Reisebegleiterin, begrüßt wurden. Sie hatte uns vor zwei Jahren auch schon begleitet und wir hatten uns sehr auf das Wiedersehen gefreut.Ausflug in die Steppenwüste
Viel Zeit zum Ausruhen und Ankommen bleibt nach dem Flug nicht – am nächsten Tag starten wir schon in Richtung Südosten in die Steppenwüste Garedja. Georgien ist zwar ein kleines Land, dafür hat es aber eine immense Vielfalt an unterschiedlichen Landschaften. Die Steppenwüste im Südosten, das Weinland Kachetien mit viel Grün und schönen Tälern im Osten, im Norden der Große Kaukasus mit seiner rauen Bergwelt und im Westen die Schwarzmeerküste und ein gemäßigter Regenwald, wo Tee angebaut wird. Es gibt viel zu entdecken in diesem Land.Wer das erste Mal nach Georgien reist, sollte sich auf eine kleine Rundtour durch das Land einlassen. Es ist zwar anstrengend, alle zwei, drei Tage das Quartier zu wechseln, doch auf diese Weise bekommt man einen wunderbaren Einblick in verschiedene Regionen. Das Lawra Kloster David Garedji in der Steppenwüste sollte bei einem Besuch nicht fehlen. 13 syrische Missionare kamen im 6. Jahrhundert nach Georgien und wurden vor allem nach Ostgeorgien ausgesandt, um die Menschen zu christianisieren. Den heiligen Dawit zog es jedoch in die Einöde. Ihm wurden viele Wunder zugeschrieben und es lag nahe, dass nach seinem Tod sein Grab zu einer Wallfahrtsstätte wurde – bis heute. Es leben inzwischen wieder einige Mönche im Kloster, dessen Räume direkt in den Fels geschlagen wurden. Wer Zeit hat, sollte von hier aus die Wanderung zu den Höhlen des Udabno Klosters mit den berühmten Fresken der Schule von Garedja unternehmen. Die Wandmalereien sind zwar verblasst, doch die einstige Ausdruckskraft lässt sich erahnen.
Wir stehen oben auf dem Bergkamm und genießen die Aussicht. Der Blick gleitet über eine bizarre Wüstenlandschaft zur Grenze zu Aserbaidschan. Wenden wir uns gen Norden, können wir weit entfernt schon die Gipfel des Hohen Kaukasus sehen. Man blickt quasi einmal quer über das Land! Kaum zu glauben, dass wir erst am Abend vorher in Georgien angekommen sind. Die Steppenlandschaft, in der nur im Frühjahr noch flächendeckend Grün zu sehen ist, befindet sich rund zweieinhalb Autostunden von der Hauptstadt Tblissi entfernt. So schnell kann es gehen – eben noch die quirlige Großstadt, nun die einsame Steppe, in der nur wenige Menschen leben. Die Faszination Georgien hat nicht nur uns wieder gepackt, auch unsere Freunde haben sich schnell anstecken lassen.
Das Weinland KachetienWeiter führt uns die Reise nach Kachetien – das Weinland. Georgien gilt als Wiege des Weinanbaus und es gibt hier zahlreiche Rebsorten, von denen man bei uns kaum etwas gehört hat: Saperawi (sehr zu empfehlen), Odschaleschi, Rkatsiteli, Mtswane, Chichwi und viele mehr. Seit mehr als 6.000 Jahren wird in Georgien Wein angebaut und gekeltert wird er in den meisten Fällen in traditionellen Kvevri-Amphoren. Diese Methode zählt übrigens seit 2013 zum UNESCO Weltkulturerbe. Wir lassen es uns nicht nehmen, Sasa Kbilaschwili zu besuchen, einen Kvevri-Töpfer, der in der vierten Generation mit viel Liebe zu seinem Handwerk diese Tonamphoren herstellt. Eigentlich hat er Jura studiert und in Tbilissi gearbeitet. Doch irgendwann hat es ihn wieder zurück in seinen Heimatort Vardisubani gezogen und mit der Herstellung der Kvevris hat er seine wahre Berufung gefunden.
Sasa führt uns in die Werkstatt, einem relativ niedrigen Raum mit wenig Licht, aber dafür gleichbleibender Feuchtigkeit. Für die Arbeit mit dem Ton ist dies wichtig. 16 Stück bearbeitet er gleichzeitig zusammen mit seinem Vater. Zehn Zentimeter schaffen sie am Tag, danach muss der Ton erst wieder trocknen, bis die nächste Lage in Angriff genommen werden kann. Kein Wunder, dass die Männer drei Monate benötigen, um die Kvevris herzustellen. Anschließend sind sieben bis acht Männer notwendig, um die Amphoren aus der Werkstatt zum Brennofen zu tragen – der natürlich entsprechende Ausmaße hat. Das Brennen dauert dann rund eine Woche. Anschließend kommt innen Bienenwachs an die Wände der Amphore und von außen werden sie verputzt. Der große Garten von Sasa Kbilaschwili ist voll von diesen Kvevris, die jetzt nur noch darauf warten, verladen zu werden.
Es sind die vielen Begegnungen mit den Menschen, die uns beeindrucken. Durch Natia haben wir die Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen, uns auszutauschen und mehr über den Alltag zu erfahren. Wir hätten uns auch einen Wagen mieten können und auf eigene Faust durch das Land reisen können. Doch durch die Sprachbarriere wären uns viele schöne Begegnungen entgangen. Denn Georgisch hat so gar nichts mit unserer Sprachfamilie gemeinsam. Hinzu kommt noch die eigene Schrift. Wir sind schon froh, dass wir überhaupt ein paar Worte können wie Guten Tag, Guten Morgen, Danke und ein paar Zahlen. Dila mschwidobissa heißt es beispielsweise morgens, aber mit garmajoba (Guten Tag) kommt man eigentlich immer weiter. Und madloba (danke) oder didi madloba (vielen Dank) sollte man sich schnell aneignen. Die Georgier freuen sich, wenn man wenigstens versucht, ein paar Worte ihrer Sprache zu lernen.Didi madloba konnten wir schnell anwenden, denn in dem kleinen kachetischen Dorf Djimiti waren wir bei der Familie Schota Tevdorashvili eingeladen. Es sollte ums Brotbacken und den Weinanbau gehen – eben das alltägliche Leben der Georgier. Denn gerade in Kachetien haben viele Bewohner ein Stück Land, wo sie ihren eigenen Wein anbauen. Dass jeder auch einen Ofen am Haus hat, um frisches Fladenbrot zu backen, erfahren wir vor Ort. Der runde, nach oben offene Ofen im Schuppen neben dem Wohnhaus ist schon kräftig aufgeheizt, als wir ankommen. Unten auf dem Boden glüht die Kohle und das vorbereitete Brot liegt bereit. Mit routinierten Bewegungen wird es schließlich an die Innenwand des Ofens geworfen. Nach zehn bis fünfzehn Minuten ist es dann fertig. Von der Qualität können wir uns gleich selbst überzeugen, denn die Familie hat ein Abendessen für uns vorbereitet. Und wenn in Georgien jemand ein Essen für Besuch vorbereitet, dann biegt sich förmlich der Tisch von den ganzen Schüsseln und Tellern. Mit Walnuspaste gefüllte Auberginenröllchen, Salate, Käse, Mirabellensoße, Brot, geschmortes Lamm, gegrillte Fleischspieße – die Zahl der Speisen wollte kein Ende nehmen. Dazu gibt es natürlich hausgemachten Wein und zum Abschluss Chacha – den georgischen Grappa.
Von Tropfsteinhöhle zur TeeplantageUnsere Reise führte uns weiter durch das Land. Wir besuchten Markthallen in Telavi und Kutaisi und zeigten uns gebührend beeindruckt von der Prometheus Höhle, eine Tropfsteinhöhle, deren Ausmaße wirklich sehenswert sind. Erst 1984 wurde sie entdeckt und der frühere Präsident Micheil Saakaschwili hat sie in seiner Regierungszeit (2004 – 2013) zu einem touristischen Magneten ausbauen lassen. Ein etwa 1,2 Kilometer langer Weg führt durch die Höhle. Mit viel Licht – manchmal etwas viel „buntes“ Licht – werden die Stalagmiten und Stalaktiten in Szene gesetzt. Leise Musik begleitet uns während der ganzen Führung und wir lassen uns von den vielen Gebilden faszinieren. Mitunter wirken die rund 50.000 Jahre alten Formen und Figuren wie eine Welt von einem anderen Stern. Der Clou der Wanderung in der Höhle ist die Fahrt in einem Elektroboot zum Abschluss, um wieder ans Tageslicht zu kommen.
Die Reise führt uns schließlich bis ans Schwarze Meer nach Batumi. Palmen begrüßen uns und mediterranes Urlaubsgefühl macht sich breit. Die Pflanzenwelt ist hier sehr üppig, der Regenwald lässt grüßen. Bei dem Klima ist es auch kein Wunder, dass hier Tee angebaut wird. Als Georgien noch zur Sowjetunion gehörte, war der Teehandel ein großer Wirtschaftszweig. Nach dem Kurzkrieg 2008 brachen die Wirtschaftsverbindungen zu Russland ein und der Teehandel kam zum Erliegen. Inzwischen gibt es wieder ein paar Unternehmer, die den traditionellen Teeanbau vorantreiben und versuchen, auch international Fuß zu fassen. Der europäische Markt ist für viele das Ziel. Man wird sehen, ob die Georgier sich etablieren können – der Tee schmeckt jedenfalls gut und wir nehmen auch gleich etwas für zu Hause mit.
Viel erlebt haben wir in den drei Wochen. Georgien ist kein reiches Land, doch in den fruchtbaren Ebenen kann viel angebaut werden. Auf den Märkten wird angeboten, was gerade reif ist: Melonen, Auberginen, Paprika, Tomaten, die Auswahl ist groß. Mitunter fühlen wir uns als Westeuropäer ein wenig aus der Zeit gefallen, wenn Davit, unser Fahrer, wieder einmal einer Kuh ausweichen muss, die ganz selbstverständlich auf der Straße herumläuft. Dann wieder ist Georgien ganz modern und voll im Trend. Beim Thema Internet könnte sich Deutschland eine Scheibe abschneiden: Kaum eine Pension, wo wir kein W-Lan hatten und selbst mitten im Großen Kaukasus auf etwa 2.300 Metern Höhe ist der Empfang auf dem Handy einwandfrei. Georgien hat uns mit seinen Landschaften und vor allem durch die Menschen berührt und es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir dieses Land besucht haben. Allein schon, um Natia wiederzusehen, die während dieser drei Wochen zu einer Freundin geworden ist.
Ein unglaublich beeindruckender Teil unserer Reise war der Abstecher ins Hochgebirge, nach Tuschetien. Eine Schotterpiste, nur befahrbar mit einem Geländewagen, führt in die Berge – doch davon nächste Woche mehr.
Die Gebiete Abchasien im Nordwesten und Südossetien im Norden stehen seit dem Kurzkrieg 2008 nicht unter der Kontrolle der georgischen Regierung; die von den beiden Regionen beanspruchte staatliche Souveränität wird von fünf Staaten anerkannt und von russischen Soldaten unterstrichen. Die Grenzen zu diesen beiden Gebieten sind für Touristen geschlossen. Mitarbeiter des Internationalen roten Kreuzes sind zur Zeit dort aktiv, um dort zu vermitteln. Alle anderen Regionen Georgiens können jedoch ohne Sicherheitsbedenken bereist werden. In den ländlichen Gebieten könnten allenfalls Sprachprobleme behindern, sofern man nicht georgisch oder russisch spricht. Englisch ist gerade unter der etwas älteren Bevölkerung noch nicht verbreitet.
Verschiedene Reiseveranstalter haben das Land im Programm und bieten Gruppenreisen, aber auch Individualreisen an. Wir sind mit Georgia-Insight gereist, einem georgischen Reiseunternehmen mit Sitz in Tbilisi (www.georgia-insight.eu)
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