Umland: Für jeden ist es ein Schock und niemand will sie hören, die Diagnose Krebs. Allein in 2012 mussten jedoch 493.800 Menschen in Deutschland erfahren, dass sie an Krebs erkrankt sind. 2030 werden es geschätzte 580.000 Neuerkrankte sein. „Die Menschen erkranken heute nicht häufiger an Krebs“, sagt die Biologin Dr. Barbara Mayer, „aber aufgrund der steigenden Lebenserwartung erleben mehr Menschen ihre Krebserkrankung.“ Der Betroffene hat von dieser Aussage natürlich nichts. Er möchte nur eins, seinen Krebs so schnell wie möglich loswerden. Doch was tun? Therapiemöglichkeiten gibt es viele: Bestrahlung, operative Entfernung, Chemotherapie, Einsatz von Antikörpern und so genannten niedermolekularen (ganz kleinen, leichten) Substanzen, den Biologicals. Doch welche Therapie ist für den einzelnen Krebspatienten die richtige? Der Arzt orientiert sich an Leitlinien. Das sind Handlungsempfehlungen, die in der Krebstherapie auf klinischen Studien beruhen. Das Problem dieser Studien: Ihr Ergebnis gibt gut darüber Auskunft, ob eine Therapie für eine Patientengruppe wirkt, jedoch nicht, wie sie für den einzelnen Patienten ausgeht. Konkret: Frauen mit Brustkrebs, die einen bestimmten Hormonrezeptor auf ihren Krebszellen tragen, sprechen in ihrer Gesamtheit gut auf eine bestimmte Hormontherapie an. Aber was ist mit der einzelnen Patientin, die zwar auch diesen Rezeptor trägt, aber vielleicht schon einmal eine andere Krebserkrankung durchlebt hat oder deren jetziger Krebs ganz individuelle Besonderheiten besitzt?
Erst testen – dann therapieren
Jetzt kommt Barbara Mayer wieder ins Spiel. Sie fordert nicht nur „erst testen, dann therapieren“. Sie setzt diesen Leitsatz bereits seit einigen Jahren mit ihrer Firma Spherotec in die Praxis um. Sie ist sich sicher, dass so die Lebensqualität des Patienten gesteigert werden kann, da schon der erste Therapieeinsatz eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit verspricht. Langfristig werden zudem die Kosten für das Gesundheitssystem gesenkt. Bewusst wendet sich die 50-Jährige erst jetzt an die Öffentlichkeit, nachdem ihre erste Studie erfolgreich abgeschlossen und veröffentlicht wurde. In dieser Studie konnte die Wissenschaftlerin und ihr Team zeigen, dass es durch Untersuchung der individuellen Gewebeprobe von Brustkrebspatientinnen möglich ist vorherzusagen, wie der Tumor der jeweiligen Patientin auf eine bestimmte Therapie anspricht, wodurch der Arzt letztendlich die best geeignete Therapie direkt wählen kann. In 89,7 Prozent der Fälle lag das Forscherteam richtig mit seiner Aussage, dass die gewählte Therapie bei der individuellen Patientin nicht anspricht.
An Mikrotumorkugeln testen, welche Therapie am besten anspricht
Das Besondere an diesem Testverfahren ist, dass die Forscher mit einem drei- statt zweidimensionalen Tumormodell arbeiten, quasi mit dem individuellen Tumor als lebende Mikrokugel statt einer Tumorzellscheibe, wie andere Testverfahren das machen. Diese künstlich geschaffenen Mikrotumorkugeln aus dem jeweiligen Krebsgewebe des Patienten kommen dem eigentlichen Tumor im Körper des Patienten in seinen Eigenschaften sehr nahe, da sie nicht nur Krebszellen, sondern auch Abwehrzellen und Bindegewebszellen enthalten und sich wie eine kleine Kopie des Tumors aufbauen. Das einzige, was diesen kleinen stecknadelkopfgroßen Kugeln bisher fehlt, ist ein durchströmender Blutfluss, aber auch hieran arbeiten die Wissenschaftler. Diese Mikrotumorkugeln entstehen, nachdem der Arzt eine Krebsgewebeprobe vom Patienten entnommen, lebend an Spherotec gesendet, der Wissenschaftler die Probe aufgearbeitet und gut durchmischt auf viele kleine Platten verteilt hat. Jetzt können die Mikrotumorkugeln mit den unterschiedlichsten Krebsmedikamenten behandelt werden. Nach neun Tagen steht das Ergebnis fest, welche Behandlung der jeweilige Mikrotumor überlebt hat und welche nicht.
Für welche Patienten eignet sich das Testverfahren und was kostet es?
Das Testverfahren eignet sich für alle Patienten mit einem „soliden“ Tumor, also festem, begrenztem Krebsgewebe, egal, ob für die Erst- und Folgetherapie oder bei Metastasen. Ungeeignet ist sie bei Blut- und Knochenmarkskrebs. Barbara Mayer ist es ganz wichtig, dass der Patient mit dem behandelnden Arzt dieses Testverfahren bespricht, da nur der behandelnde Arzt die Krankheitsgeschichte des Patienten vollständig kennt. Auch sieht sie das Ergebnis des Spherotec-Verfahrens als eines von vielen Befunden, aufgrund derer der Arzt letztendlich die Therapie bestimmt. Die Kosten in Höhe von grob 1.800 bis 2.500 Euro übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen derzeit noch nicht. Sie warten auf die Ergebnisse einer groß angelegten Studie, die beweisen muss, dass Krebspatienten länger und bei guter Lebensqualität leben, wenn sie nach den Ergebnissen des neuen Testverfahrens behandelt wurden. Sobald Barbara Mayer und ihr Team die Summe von 4,5 Millionen Euro für diese Studie gesammelt haben, werden sie loslegen. Bereits heute arbeiten einige Spezialisten aus Deutschland mit Spherotec zusammen, die bisher europaweit der einzige Anbieter für dieses 3D-Verfahren ist – in den USA gibt es noch die Firma Rational Therapeutics. Aus NRW sind es beispielsweise das Marienhospital Bottrop und die Evangelische Kliniken Gelsenkirchen. Barbara Mayer setzt darauf, dass sich neben den großen Organzentren zukünftig auch Arztpraxen mit hämatologisch-onkologischem Schwerpunkt mit der Thematik befassen. Sie fordert: „Wir müssen dahin kommen, dass wir uns eine personalisierte Medizin leisten.“
Weitere Informationen bietet die Unternehmenswebsite www.spherotec.com
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