Zülpich, Bessenich: Was passiert, wenn schwerstbehinderte Kinder aus den Förderschulen entlassen werden? Was geschieht, wenn Eltern von Kindern mit Handicap sterben? Sorgen dann Gesellschaft und soziale Einrichtungen genauso liebevoll für die hinterbliebenen Behinderten?
Vor dieser Frage standen Sandra und Jörg Schumacher, die in dritter Generation ein Fahrradgeschäft in Zülpich betreiben. Ihr zweites Kind, Tochter Hannah, kam im Jahr 2000 zur Welt. Genau wie ihr zwei Jahre früher geborener Bruder Henrik ein goldiges, aufgewecktes Baby. Doch dann entwickelte sich Hannah mit neun Monaten nicht mehr weiter. Hannah ist schwerstbehindert und permanent auf Hilfe angewiesen.
„Wir hätten es uns auch ‚einfach‘ machen und nur ein Appartement mit Rundum-Pflege für unsere Tochter anbauen können“, erläutert Jörg Schumacher sein gemeinnütziges Projekt miteinander.regional.alle. e.V. (mra). „Aber das wäre unfair den anderen gegenüber. Was wir für Hannah schaffen, tun wir auch für Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie wir.“
Gemeinsam mit sechs Mitstreitern geht Jörg Schumacher andere Wege: Nur wenige Meter entfernt vom eigenen Wohnhaus, der ehemaligen Volksschule von Bessenich, kaufte er einen alten Bauernhof, Baujahr 1901. Hier entsteht momentan ein beeindruckendes Wohnprojekt. Viele soziale Einrichtungen bieten zwar Betreuung und mögliche Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Für Schumachers war aus eigenem Erleben allerdings klar: „Unsere Tochter kann das nicht!“ Ansporn für die Eltern, selber aktiv zu werden. Gut eine Million Euro wird die Verwirklichung des Projekts kosten. „Aber wir möchten das Haus komplett privat finanzieren“, betont der 49-Jährige. Auf Fördergelder angewiesen, könnte doch jeder mit „reinreden“.
Das Konzept steht: Im straßenseitigen Haus aus dem Jahr 1935 soll eine Wohngemeinschaft für maximal vier Behinderte entstehen, die dort auch zum Teil in einer kleinen Fahrradwerkstatt mitarbeiten können: Reifen flicken und gebrauchte Kinderäder auf Vordermann bringen, die dann auf Langzeit günstig an die Eltern von Kindern verliehen werden. So lange, bis sie wieder ein größeres benötigen. „2020 können wir eröffnen“, meint Schumacher zuversichtlich. Bis dahin habe er genügend Gebrauchträder gesammelt, die von den mittlerweile eingearbeiteten Bewohnern hergerichtet und verliehen werden können. „So kriegen wir Bewegung in den Hof hinein.“ In ihrer Freizeit verbringen Jörg Schumacher und seine Mitstreiter jede Minute auf dem Bau. Dann wird geplant, gemauert und gemörtelt.
Demnächst werden ehemalige Stallungen umgebaut. Hier soll weitere Wohnfläche entstehen, um dort maximal fünf Schwerstbehinderte zu versorgen. Das Team ist gut aufgestellt: „Wir haben kaufmännisch erfahrene Experten an unserer Seite“, sagt Schumacher. Das Nachbargrundstück von 700 Quadratmetern wurde ebenfalls erworben. Hier wird ein Obst- und Gemüsegarten entstehen: Regelmäßig betreut von den Schülern der verschiedenen Förderschulen im Umkreis.
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