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Die Pfarrkirche St. Peter wurde am 24. Dezember 1944 völlig zerstört. [Archivbilder: Hans-Gerd Dick]

Wie Margareta Pesch mit ihrem Vater 1944 in Zülpich Kunstgegenstände rettete

Zülpich: Margareta Pesch war gerade 21 Jahre und hatte 1944 den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht bekommen. In den Osten sollte sie und in einer Fabrik arbeiten. Verzweiflung machte sich bei ihr und ihren Eltern breit. In der Nacht vor der Abreise wurde sie krank, ihre Mutter holte den Arzt und der schrieb Margareta ein Attest – die Rettung vor der Einberufung. Sie konnte in Zülpich bei ihren Eltern bleiben, denn die Uni Bonn, wo sie Romanistik, Englisch und Deutsch studierte, hatte 1944 den Betrieb eingestellt. So blieb ihr Zeit, mit ihrem Vater aus der Kirche und dem Museum wertvolle Kunstgegenstände herauszuholen und in Sicherheit zu bringen.

Am 7. November hatte Margaretas Vater, im Hauptberuf Lehrer und nebenberuflich Leiter des Heimatmuseums in Zülpich, einen Brief vom Rheinischen Landesmuseum Bonn bekommen – ein Fahrer sollte die Gegenstände abholen. Die Entscheidung fiel gerade noch zur richtigen Zeit, denn am 24. Dezember 1944 wurde Zülpich dem Erdboden gleichgemacht. Die Römerstadt lag in Trümmern und auch die Pfarrkirche St. Peter war zerstört.

Margareta Pesch erinnert sich an die „Schwierige Rettungsaktion“:

Als im Oktober 1944 die Front bedenklich nahe rückte, und die Luftangriffe sich häuften, machte mein Vater, damals Museumsleiter, sich Gedanken um die ihm anvertrauten Kunstgegenstände. Er brachte die Wertobjekte des Museums an verschiedenen Stellen unter. Die Salentinbilder wurden zum Teil ausgerahmt, in eine stabile, mit Eisenbeschlägen versehene Truhe verpackt und zunächst in unserem Luftschutzkeller unter dem Museum sichergestellt. In der Truhe befanden sich auch einige Reliquiare aus Kloster Mariawald, und später kamen die Miniaturschnitzereien aus dem Hauptaltar der Peterskirche dazu. Diese Kiste nahmen wir im Dezember noch rechtzeitig vor der Zerstörung der Kirche und der Propstei mit nach Lövenich, wo sie verschiedene Abenteuer heil überstand.

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Die zerstörte Pfarrkirche St. Peter.

Im November 1944 erhielt mein Vater ein Schreiben des Rheinischen Landesmuseums Bonn, das ihn beauftragte, alles Nötige zur Bergung der wertvollen Kulturgüter des Museums und der Kirche zu unternehmen. Bonn versprach Hilfe bei dieser Aktion, aber in den immer chaotischer werdenden Verhältnissen waren wir schließlich auf uns allein angewiesen. Es galt nun, die beiden wertvollen Antwerpener Schreinaltäre der Peterskirche in Sicherheit zu bringen. Mein Vater erbot sich, die Figuren und das übrige Schnitzwerk soweit wie möglich aus den Gehäusen herauszunehmen, alles gut zu verpacken und in einer Altarnische der Krypta zu lagern. Der Plan fand die Zustimmung von Herrn Oberpfarrer von Lutzenberger, und seine Ausführung hat die Altäre gerettet. Am 16. November, dem Tag der Zerstörung Dürens und Jülichs, haben wir — mein Vater, der alte Schreiner Port und ich — mit der Demontage des Hauptaltars begonnen.

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Der Mühlenberg vor der Landesburg.

Auf dem Altartisch wurde eine ziemlich hohe Stehleiter aufgestellt. Ich kletterte mit verschiedenerlei Werkzeug hinauf, verschaffte mit erst einmal einen Überblick und prüfte die mehrschichtige Montage des Schnitzwerks. Dann wagte ich mich vom obersten Gehäuse ausgehend, an die Arbeit. Das Auseinandernehmen der Figurengruppen und das Herauslösen der oft mit unmöglichen Nägeln aufeinander befestigten Einzelfiguren erforderte viel Geduld und Sorgfalt. Hände, Arme und Beine, Nasen, Locken und Bärte, Kopfputz, überhängende Gewandzipfel, Spieße und Lanzen, Flügel, Aureolen und andere zerbrechliche Gebilde stellten eine besondere Herausforderung dar. Ich staunte nicht schlecht, als ich bemerkte, dass die Figuren nur soweit ausgearbeitet waren, wie sie die Gläubigen von unten sehen konnten. Auf den Rückseiten zeigte sich das rohe, kaum geglättete Holz. Manchen aufwärts blickenden Figuren fehlte der Hinterkopf. Mein Vater und Herr Pott standen unten am Altartisch, nahmen die Figuren und Ornamente, die ich herunterreichte, in Empfang und verpackten sie. Die Firma Sieger hatte uns reichlich mit Packpapier versorgt. Unsere Arbeit dauerte mehrere Tage und wurde immer wieder durch Fliegeralarm unterbrochen. Wir schichteten die verpackten Schnitzereien in der Fensternische hinter dem Altar der Krypta auf. Dort haben sie den Bombenangriff vom 24. Dezember 1944 heil überstanden und konnten im Januar 1945 von Arbeitern der Organisation Todt und Zülpicher Bürgern unter Leitung von Herrn Kaplan Hoffmann ausgegraben und nach Kloster Hoven gebracht werden. Die Altarflügel haben im November 1944 zuerst abholbereit in unserem Wohnzimmer in der Propstei gestanden. Sie sollten mit Hilfe der Denkmalpflege Bonn auf die andere Rheinseite geschafft werden: Als deren Beauftragter eines Nachts an unsere Türe klopfte, konnte er nur noch melden, daß er keinen Treibstoff mehr hatte. So blieben die Bildtafeln bei uns, bis sich die Gelegenheit fand, sie ins Kloster Hoven zu transportieren. Dort sind sie auch erhalten geblieben. Die leeren Gehäuse, Schreine, konnten nicht abgebaut und fortgeschafft werden, weil es an Hilfskräften fehlte. Sie mußten für die Restaurierung der Altäre neu hergestellt werden.

Der Text ist im Buch „Zülpich vor 60 Jahren erschienen“, das vom Zülpicher Geschichtsverein zusammengestellt wurde. Das Buch steht in der Bibliothek der Geschichtswerkstatt und kann dort eingesehen werden. Beim Ralf Liebe Verlag in Weilerswist ist es für 12,00 Euro noch erhältlich. ISBN: 3-935221-68-1
Die Fotos stammen aus dem Buch von Hans-Gerd Dick „Zülpich“ aus der Reihe „Archivbilder Deutschland“ des Sutton-Verlags, Erfurt, aus dem Jahre 2001.

23.12.2016LebenZülpich0 Kommentare pg

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