Euskirchen:
Sie waren integriert in die Gesellschaft, sie waren keine Akademiker, keine Künstler oder Wissenschaftler sondern arbeiteten als Metzger, Schuhmacher oder Hutmacher. Sie engagierten sich in Vereinen, sangen im Chor mit – kurzum, das Rheinland war ihre Heimat, sie gehörten dazu. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich für die Juden alles – auch in Zülpich, Euskirchen oder an anderen Orten. Stellvertretend für die vielen Millionen Schicksale hat die Gedenkstätte Bonn die Wanderausstellung „Die Klabers – Geschichte einer jüdischen Familie aus dem Rheinland“ erstellt. Am Freitag wurde sie vom stellvertretenden Landrat Markus Ramers eröffnet. Gekommen waren auch Schüler vom St. Michael Gymnasium, Bad Münstereifel und den Euskirchener Schulen Emil-Fischer Gymnasium und Matthias-Hagen-Schule. Mit dabei waren außerdem Nachfahren der Familie Klaber – eigens aus den USA, den Niederlanden und Belgien angereist – die mit bewegenden Grußworten die Besucher berührten.Er sei erst vor Kurzem mit seinen Schülern in Theresienstadt gewesen, erzählte Markus Ramers, im Hauptberuf Lehrer am St. Michael Gymnasium in Bad Münstereifel. „Auch wenn der Zweite Weltkrieg und der Völkermord an den Juden zeitlich jetzt schon über 70 Jahre her sind – die unfassbaren Gräueltaten sind nicht vergessen“. Auch im Kreis Euskirchen habe es sie gegeben – die Ausgrenzungen, die Pogrome und die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, führte Ramers aus und konnte auch Zahlen liefern: unmittelbar vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten lebten im Altkreis Euskirchen 653 Juden, 1941 waren es noch 271 und Ende 1944 niemand mehr.
In die Ausstellung führte Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte Bonn, ein. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Margot Holländer – ihre Mutter war eine geborene Klaber aus Zülpich – und ihre Familien. Von den zwölf Geschwistern von Margots Mutter wurden acht mitsamt ihren Ehepartnern und Kindern deportiert und ermordet. Es überlebte der älteste Bruder Julius, der mit seiner Familie über Belgien nach Chile fliehen konnte, die jüngste Schwester Johanna, die mit Mann und Tochter in den Niederlanden überlebte und Margot Holländer, später verheiratete Epstein, die in die USA fliehen konnte. Ihr gelang es, einen Koffer mit vielen Fotos und Dokumenten über den Krieg zu retten – aus diesem Besitz stammen die meisten für die Ausstellung verwendeten Fotos und Familiendokumente. Bewusst wird auch die Zeit vor dem Nationalsozialismus thematisiert. Denn auch Männer der Familie Klaber meldeten sich im Ersten Weltkrieg freiwillig als Soldaten, sie wollten ihre Verbundenheit mit der deutschen Heimat zeigen. Es ist eine bewegende Ausstellung, denn es ist die Geschichte einer ganz normalen Familie. Die Klabers waren nicht berühmt oder sehr reich. Gerade für diese Menschen war es sehr schwierig, Nazi-Deutschland zu verlassen, denn sie besaßen keine Kontakte im Ausland oder genug Geld, um sich die Flucht leisten zu können. Umso berührender war es, die Nachkommen der Familie erleben zu können. Anita Liebmann – die Tochter von Margot Holländer – war aus den USA angereist, Carla Cahn aus den Niederlanden und ihr Bruder Harry Swalef aus Belgien (die Geschwister sind Kinder der jüngeren Schwester Johanna von Margot Holländer).
„Es war alles perfekt organisiert, das Judenproblem wurde alphabetisch gelöst“, erinnerte sich die 80-Jährige Carla Cahn an die Zeit als auch die Juden in den Niederlanden ihre Aufforderungen zur Deportation bekamen. In den Anschreiben habe etwas von einem Arbeitseinsatz im Osten gestanden, doch ihre Mutter sei misstrauisch gewesen, dies könne nichts Gutes sein. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter Carla tauchte sie im Süden der Niederlande ab – und überlebte. Anita Liebmann‘s Mutter Margot Holländer gelang es, über England in die USA zu fliehen, mit dem Koffer voller Erinnerungen an ermordete Familienmitglieder. Die Fotos auszuwählen habe ihr geholfen, mehr über die Familie ihrer Mutter zu erfahren, meinte Anita Liebmann. „Es waren ganz normale Leute, meine Großmutter war Hutmacherin und sie lebten gerne hier. Es war ihre Heimat“.
Im Anschluss an die Grußworte sang Barry Mehler, dessen Familie aus Großbüllesheim stammt und der jetzt in den Niederlanden lebt, ein jüdisches Totengebet, in das am Ende Anita Liebmann einstimmte. Nicht nur für die jungen Besucher ein bewegender Moment. In Zeiten, in denen Abgeordnete des Bundestages eine 180 Grad-Wendung in der Erinnerungskultur fordern oder das Mahnmal in Berlin als Schande empfinden, sind solche Ausstellungen wichtiger denn je“, meinte Ramers. Für wichtig hielten auch die Schüler die Ausstellung. Jasmin (17), Raven (18) und Dilaza (17) sind im Leistungskurs Geschichte bei Markus Ramers. Sie hat der Gang durch die Schau sehr bewegt und sie zeigten sich sehr interessiert an der Geschichte der Familie Klaber. Die Ansprache der Zeitzeugen mache die Sache noch realer waren sich die Jugendlichen einig und es sei wichtig, dass an diese Geschichte erinnert werde – auch in den nächsten Generationen.Vor zwei Jahren war die Ausstellung schon in Zülpich in der Landesburg in den Räumen der Geschichtswerkstatt zu sehen. In dieser Zeit wurden Stolpersteine in der Römerstadt vor den Häusern verlegt, in denen jüdische Familien – von Moritz Sommer, August Klaber und Moses Klaber – gelebt hatten.
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