Eifel: „So, oben biste, runter kommste von selber!“, lautete der spöttische Spruch, wenn Hochrad-Fahrer auf ihrem, in anderthalb Metern Höhe montierten Sattel kräftig in die Pedale traten und elegant an den Fußgängern vorbeiglitten. Ende des 19. Jahrhunderts kamen Hochräder groß in Mode. Einer der Gründe war vermutlich, dass die begüterten jungen Männer aus bürgerlichen Kreisen nun – Auge in Auge mit den berittenen Adeligen – unterwegs sein konnten. Um überhaupt erst in diese luftige Höhe zu kommen, musste der Hochrad-Fahrer mit dem Rad Anlauf nehmen, mit Schwung ein Bein auf die vorstehende Fußraste stellen und sich dann auf den Sattel schwingen. Dabei war Vorsicht geboten, denn Hochräder kippten leicht nach vorne um.
Bis zur Erfindung des Freilaufs drehten die Pedale bei Bergabfahrten permanent mit. Manche Fahrer spreizten deshalb, wenn es talwärts ging, die Füße zur Seite, um nicht mittreten zu müssen.
Geübtere Radler legten die Beine über den Lenker. So wie der Fahrradfan und Tüftler Ernst Sachs bei einer seiner Sonntagsausfahrten. Das ging so lange gut, bis hinter einer Kurve plötzlich ein Ochse mitten auf der Straße stand… Um solche Stürze abzumildern, hatte der Fahrradfahrer von Welt Lederpolster zum Schutz von Knien und Ellbogen. Der Kopf war durch eine Art Tropenhut geschützt, der innen mit Filz gefüttert war.
Auf den damals häufig holprigen Kopfsteinpflasterstraßen war eine Fahrradfahrt oft ein ‚anstößiges‘ Unterfangen. Kein Wunder, dass die Fahrräder deshalb den Spitznamen „boneshaker“ („Knochenschüttler“) erhielten. Um den Fahrkomfort zu erhöhen, tüftelten die Erfinder bereits an gefederten Sätteln und elastischen Felgen und bauten Rahmen aus federndem Holz.
Damals hatten die Kavaliere der Straße stets Knallerbsen in der Tasche und eine Lederpeitsche am Lenker, um irritiert kläffende Hunde abzuwehren, die gierig zuschnappend an die strampelnden Waden der Fahrradfahrer sprangen. Auch so manches Pferdegespann soll Ende des 19. Jahrhunderts ‚durchgegangen‘ sein, wenn ihm ein wild klingelnder Fahrradfahrer auf dem Hochrad entgegen kam.
1888 erfand der irische Tierarzt John Boyd Dunlop den Luftreifen fürs Fahrrad und ließ sich seine Entwicklung am 7. Dezember 1888 patentieren. Eigentlich handelte es sich bei den luftgefederten Reifen nur um eine Wieder- bzw. Weitererfindung, denn der Amerikaner Robert William Thompson war schon in den 1840-er Jahren auf die Idee gekommen, um Karrenräder einen mit Luft gefüllten Schlauch zu legen. Für diese Idee hatte er im Jahre 1844 ein Patent in fast allen Ländern der Erde erworben. Nun wurden auch Zweiräder mit dieser stoßhemmenden Ummantelung ausgestattet.
Die ersten Holzräder hatten höchstens einen stabilisierenden Beschlag aus Eisen gehabt, was das Fahrvergnügen vermutlich nicht unbedingt steigerte. Später ging man dazu über, die Räder mit geteerten Schiffstauen zu ummanteln. Als 1871 in Hannover die Continental-Caoutschouc und Guttapercha Company gegründet worden war, wurde die Lauffläche der Räder mit einem Vollgummistreifen versehen.
Unter den versierten Radfahrern brach – mit Einführung des Luftreifens – ein wahrer „Glaubens“-Krieg aus. Die Gegner der Luftreifen hielten diese luftgefederte Neuerung schlichtweg für zu „plump“. Manche Kritiker sprachen spöttisch von einer „Leberwurst“, andere vom „Pudding“. Sie kritisierten die Innovation als „unzuverlässig“ und „empfindlich“. Sogar von „Luftikus“, „Windbeutel“ und „Hohlkopf“ war – laut einer Dokumentation der Firma Fichtler und Sachs – die Rede. Auch Experimente mit „Hartgummireifen“ wurden Ende des 19. Jahrhunderts unternommen.
Zweirad-Pioneer Ernst Sachs schrieb im doppelten Sinne Fahrrad-Geschichte: Als Radrennfahrer und als Fahrrad-Konstrukteur. Einmal startete er bei einem Hochrad-Rennen in Mannheim und erhielt die Startnummer 13. „Das bedeutet Unglück!“, orakelte ein Bekannter „Für die anderen“, erwiderte Sachs, trat an den Start und holte sich – mal wieder – den ersten Platz. Durch seine Erfahrungen als Radrennfahrer konnte Ernst Sachs die von ihm entwickelten Räder Schritt für Schritt optimieren. So gilt er als Erfinder der Kugellagernabe, der Rücktritt-Bremse und des Freilaufs, mit dem man dahinrollen konnte, ohne weiter treten zu müssen.
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