Heimbach: Die Stadt Heimbach ist pleite und hofft auf Geldsegen durch Mieteinnahmen. Kein schlechtes Geschäftsmodell. Oder? Bedauerlicherweise wird die seit Jahren lodernde miserable Finanzlage der Stadt auf dem Rücken der städtischen Gemeinschaftsgrundschule und ihrer Schüler ausgetragen. So zumindest sehen es viele Vertreter der Schulpflegschaft – Mütter und Väter, die sich für die Belange der Schule und damit der Schulkinder einsetzen, allen voran ihr Vorsitzender Frank Schäfer. Denn nach dem einstimmig im Stadtrat verabschiedeten Ja zum Mietvertrag möchte die Stadt Heimbach das Gebäude des defizitären Wasser-Info-Zentrums (WIZE) an die Freie Schule Eifel vermieten. Diese Schule verfolgt ein anderes pädagogisches Konzept als die Heimbacher Gemeinschaftsgrundschule, unterrichtet ihre Schulkinder nach Montessori-Grundsätzen. Kognitive Wissensvermittlung, emotional-soziale Kompetenz und kreativ-musische-handwerkliche Fertigkeiten bilden gleichwertige Säulen.
„Ich vermisse hier komplett den offenen fairen Umgang des ersten Bürgers der Stadt mit seinen Bürgern und mit dem langjährigen Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule“, erklärt Schäfer verärgert und enttäuscht gegenüber EIFELON. Im Feuer der Kritik stehe nicht das pädagogische Konzept der Freien Schule Eifel. Ein Hauptkritikpunkt sei, dass der Heimbacher Bürgermeister Peter Cremer erst gar nicht den ersten Schritt einer offenen Diskussion gegangen sei. Er habe im Vorfeld der Entscheidung schlicht nicht informiert, die Bürger, Anwohner und Eltern nicht aktiv einbezogen, welche Möglichkeiten es rund um eine alternative Nutzung des WIZE-Gebäudes hätte geben können. Vermietung? Verkauf? Abriss? Modernisierung? Und schon gar nicht haben Bürgermeister und Stadträte mit den Bürgern diskutiert, wie sinnvoll es ist, sich in einer Kleinstadt wie Heimbach eine schulische Konkurrenz vor die Haustür zu holen.
Es gab keinen Bürgerdialog, nicht den Hauch einer Ankündigung im Stadtjournal. Einzig der Schulleiter der städtischen Grundschule, Joachim Dunkel, hatte die Möglichkeit, seine Bedenken zur Konkurrenz im Stadtrat zu äußern, nachdem sich der Haupt- und Finanzausschuss bereits für die Vermietung an die Freie Schule Eifel ausgesprochen hatte. „Der Stadtrat hätte nach Gesprächen mit uns Eltern und Bürgern, den Wählern der Volksvertreter, immer noch im zweiten Schritt entscheiden können. Dieses Schweigen aber hinterlässt das ungute Gefühl eines Vertrauensbruchs, indem hinter den Kulissen bewusst kein Lärm gemacht wurde, um die Zustimmung zum Mietvertrag durchzudrücken“, empfindet es Schäfer. Viele Mitglieder der Schulpflegschaft fühlten sich wie vor den Kopf gestoßen, als sie letzte Woche von den Plänen der Stadt erfuhren. „Hatte die Stadt Angst, es würde so einen Protest wie gegen den Kletterpark geben und hat deshalb nichts gesagt?“, fragt sich die Mutter zweier Schulkinder, Karlien Victor.
„Es besteht die Gefahr, dass die Stadt die Qualität ihrer Grundschule zugunsten ihrer Einnahmen opfert“, befürchtet Schäfer. Bisher lebe die Schule vom Engagement der Lehrer und Helfer während des Unterrichts in der Klasse, beim Sport oder Schulobstprojekt. Von Kooperationspartnern wie dem Nationalpark Eifel, den Austauschschulen in den Niederlanden, der Kunstakademie Heimbach, der Musikschule Düren und dem Team von „Spannungen“, das Kinder klassische Musik erleben lässt. Zudem nutzen Lehrer und Schüler im Unterricht auch digitale Medien.
Vermutlich höre sich bei diesem vielfältigen Angebot der städtischen Schule für Außenstehende wie dem Stadtrat eine zweite Grundschule in Heimbach nicht bedrohlich an, überlegt Schäfer. Konkurrenz belebe das Geschäft. Da müsse die bestehende Grundschule eben kreativ werden, noch mehr auf die Qualität achten und bei den Eltern möglicher Schüler überzeugend punkten. Nur handelt es sich bei Schulen eben nicht um Einkaufsmärkte, die Kunden mit Schnäppchenangeboten anzulocken versuchen, wie Schäfer anmerkt. Seine Bedenken hätten sich auch nicht aufgelöst, als er erfuhr, die Stadt Heimbach werde die Grundschule mit drei Millionen Euro weiter fördern. Das Geld ist unter anderem für den Bau von Werkräumen für die Schüler, die weitere Digitalisierung und die Offene Ganztagsschule gedacht. Ja, ein Pluspunkt für die Qualität. Allerdings rette sich eine Schule nicht durch Baumaßnahmen, sondern sie brauche in erster Linie Planungssicherheit durch genügend Schüler, so Schäfers Meinung. Denn von deren Anzahl hänge ab, wie viele Lehrer an der Schule unterrichten und damit die Qualität hoch halten können.
Die magische Grenze für die Bildung zweier Klassen liegt bei 30 Schülern pro Jahrgang. Einer weniger und 29 Kinder sitzen in einem Klassenzimmer statt minimal 15 Schüler in zwei Klassen. Bei geburtenschwachen Jahrgängen wie den meisten kommenden zählt jeder Schüler, weil sich die Schülerzahl bei 30 einpendle. Wählt dann nur ein Kind pro neuem ersten Schuljahr die Freie Schule Eifel, müssen sich die Kinder der städtischen Gemeinschaftsgrundschule mit einer Klasse abfinden. Schäfer befürchtet eine Negativspirale, dass Lehrer die Schule wegen zu geringer Schülerzahlen verlassen müssen. Vor zwei Jahren ist es erstmals vorgekommen, dass zwei Klassen zu einer zusammengelegt werden mussten, weil Schüler verzogen waren. Bisher konnten die Schüler dann immer noch in Lerngruppen mit je einem Lehrer etwa in Deutsch und Mathematik aufgeteilt werden. Bei geringerer Lehrerzahl werde das nicht mehr möglich sein, so Schäfer. Die übrig bleibenden Lehrer werden sich dann womöglich nicht mehr so intensiv mit einzelnen Schülern beschäftigen können. Schwächere und schüchterne Kinder könnten im größeren Klassenverband die Verlierer sein.
Weitere Fragen gehen ihm durch den Kopf: Kommen noch genügend Schüler für den Instrumentenunterricht mit dem Kooperationspartner Musikschule Düren zusammen – oder stirbt das Angebot? Die Kosten für Klassenfahrten in die Niederlande werden bei weniger Kindern pro Kopf steigen. Werden das alle Eltern bezahlen können? Bisher sei die Gemeinschaftsgrundschule ein Ort, wo Kinder aus sozialschwachen und sozialstarken Familien und lernstarke und lernschwache Schüler miteinander lernen. Werde das in Zukunft auch noch so sein?
Ist die Win-win-Situation zwischen Stadt Heimbach und Freier Schule Eifel tatsächlich Einnahmen und Lerngebäude? Karlien Victor ist sich da nicht so sicher. Aus dem Wochenspiegel hat sie erfahren, dass die Stadt in das Gebäude des jetzigen WIZE 150.000 Euro für ein Brandschutzkonzept und räumliche Änderungen investieren werde. „Was geschieht, wenn die Freie Schule Eifel nach ihrem Start schon bald wieder dicht macht? Dann hat Heimbach noch mehr Schulden“, gibt Victor zu Bedenken. Sie hofft, dass die Stadt sich besinnt und den Mietvertrag nicht unterzeichnen wird.
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