Heimbach, Vlatten: Schon als 13-Jährige schwärmte Anna Prickarz für Mangas, die japanischen Comics. Als sie wenig später einen Fernsehfilm über Japan sah, war sie von dem Klang dieser Sprache sofort fasziniert und mit sechzehn stand für die junge Vlattenerin fest: „Das möchte ich lernen!“
Zweimal in der Woche fuhr sie nach dem Unterricht am Zülpicher Frankengymnasium mit Bus und Bahn nach Köln und drückte im Japanischen Kulturinstitut zusätzlich die Schulbank. „Hier in der Eifel wurden an der Volkshochschule zwar auch Japanisch-Kurse angeboten, aber die Dozenten waren leider keine Muttersprachler.“ Und um die Sprache unverfälscht lernen zu können, nahm sie die langen Anfahrtswege nach Köln in Kauf.
Zunächst galt es, die zahlreichen Zeichen der japanischen Silbenschrift zu erlernen, denn in Japan werden drei unterschiedliche Schriftsätze benutzt: Hiragana, Katakana – um Fremdworte ins Japanische zu übertragen – und Kanji, etwa 2.000 Schriftzeichen, die vor Urzeiten aus dem Chinesischen übernommen wurden. „Das war schon eine ziemliche Paukerei, bis ich wusste, welches Schriftzeichen zu welcher Silbe gehört“, gesteht Anna im Nachhinein.
Gutes Sprach-Training war für sie der Briefkontakt mit einem japanischen Studenten, ihrem späteren Freund: „Er schreibt mir auf Deutsch und ich antworte ihm auf Japanisch. So lernen wir beide voneinander“, lacht Anna, die mittlerweile auch einen Computer mit japanischer Tastatur besitzt.
Nach ihrem bilingualen Abitur gab es für Anna Prickarz kein Halten mehr. Mit einem speziellen „Working Holiday“-Visum reiste sie für ein Jahr ins Land ihrer Träume und fand auf eigene Faust Arbeit in einem japanischen Kindergarten. Jeweils viereinhalb Stunden – mal vormittags, mal nachmittags – betreute sie in Tokio als „English Assistent Teacher“ die dortigen Vorschulkinder. „Mit ihnen sollte ich hauptsächlich Englisch sprechen“, erzählt sie. „Doch wenn es nötig wurde, habe ich auf Japanisch geschimpft“, fügt sie schmunzelnd hinzu. Der Kontakt mit ihren erwachsenen Kolleginnen lief allerdings stets in der fremden Sprache.Um den japanischen Kindergartenkindern ihre deutsche Heimat näher zu bringen, stellte Anna eine Fotoschau zusammen. „Auf den Bildern zeigte ich ihnen zum Beispiel, wie bei uns in Deutschland Feuerwehrautos oder Krankenwagen aussehen.“ Auch typische, regionale Besonderheiten wie Lebkuchenherzen, Brezel oder Kartoffelpüree mit Sauerkraut erklärte sie den kleinen Asiaten. „Als sie dann zum ersten Mal ein typisch Eifeler Fachwerkhaus sahen, jubelten sie auf und meinten, das sähe aus wie in Disneyland“, amüsiert sich Anna, die in wenigen Tagen 20 Jahre alt wird.
Den Alltag in Tokio fand Anna Prickarz während ihres Aufenthaltes „supertoll“. Nur eins störte sie zu Anfang massiv: Dass sie wegen ihrer langen, blonden Haaren ständig angestarrt wurde. „Doch daran habe ich mich irgendwann gewöhnt.“
Im Vergleich zu Deutschland erlebte sie den Umgang miteinander in der Öffentlichkeit wesentlich entspannter: „Selbst im dicksten Berufsverkehr wird in den U-Bahnen oder Straßenbahnen nicht gedrängelt und niemand rempelt einen an.“ Auch im Berufsalltag stellte sie gravierende Unterschiede fest. Für die Japaner bedeutete es Stolz und Ehre, eine gute Schule und eine gute Universität zu besuchen, um anschließend in einer guten Firma zu arbeiten. „Der Zusammenhalt in einer Firma ist wie in einer Familie und die Arbeit spielt deshalb im Leben der Japaner eine zentrale Rolle.“
Annas Traumziel ist es, in Japan internationale Sozialwissenschaften zu studieren. Die Aufnahme an eine der englischsprachigen Eliteuniversitäten hat sie nur um Haaresbreite verpasst. Zwar ist sie seit zwei Monaten wieder in der Eifel, doch sie möchte so schnell wie möglich nach Japan zurück. Dort will sie ihre Japanisch-Kenntnisse in einer Sprachschule ausbauen und eine Prüfung ablegen, die es Ausländern ermöglicht, auf Japanisch zu studieren.
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