Kall, Steinfeld: Ein Holzkreuz in den Farben der Europafahne, wo Gelb und Blau zum Grün der Hoffnung werden, während Sand und Steine den beschwerlichen Weg der Hoffnung markieren. Gekrönt von Stacheldraht, Symbol für die Schützengräben des Ersten Weltkriegs wie auch für den Tod Jesu Christi und die damit verbundene Auferstehung. Als eines von 170 Holzkreuzen gehörte das beschriebene Kreuz von Michael Thelen und seinen Schulkameraden am Hermann-Josef-Kolleg der Salvatorianer in Steinfeld zu den Installationen, die auch in Berlin zu sehen waren. Die bunt bemalten EuropaKreuze, die in ihrer Form an die Soldatengrabkreuze angelehnt sind und symbolisch für die rund 17 Millionen Opfer des Ersten Weltkrieges stehen, haben bereits eine lange Reise hinter sich.
Hergestellt wurden die Kreuze in gemeinschaftlicher Arbeit: Die Jugendlichen des Hermann-Josef-Hauses in Urft schufen die Holzkreuze in ihrer hauseigenen Schreinerei, während die Schüler des Hermann-Josef-Kollegs in Steinfeld sich im Kunstunterricht mit der bunten Bemalung beschäftigten.
Im Frühjahr war das europäische Kulturprojekt, unterstützt von Schirmherrin und NRW-Europaministerin Dr. Angelica Schwall-Düren auf einen ersten EuropaKreuzWeg mit zwölf Stationen in Belgien und Frankreich gegangen. Der zweite EuropaKreuzWeg führte die Jugendlichen und ihre Kreuze nun zunächst nach Polen und schließlich nach Berlin. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir mit ein paar Kreuzen so viele Menschen erreichen können“, erzählt Michael Thelen.
In Polen wurden die Kreuze unter anderem in der internationalen Jugendbegegnungsstätte in Kreisau/Krysowa bei Breslau gezeigt, sowie in der Warschauer Galerie des Künstlerverbandes ZPAP zur Finissage der Ausstellung „Europa Polen: Bilder“. Von dort aus wurden sie nach Berlin transportiert, wo die Kreuze auf dem „Platz der Republik“ vor dem Reichstag installiert wurden.
Über vier Tage reisten neun der beteiligten Jugendlichen mit Kurator Guy Féaux de la Croix, Mitinitiator Prof. Dr. Jonas Andermahr, Schulleiter Heinrich Latz und seinem Stellvertreter Willi Frauenrath nach Berlin, um dort an den Ausstellungen sowie an der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Bundestag teilzunehmen. Die ersten Programmpunkte waren ein Rundgespräch mit Staatssekretärin Hella Dunger-Loeper und eine Ausstellungseröffnung in der Berliner Herz-Jesu-Kirche, in der Pater Jacek Mleczko die EuropaKreuze als Zeichen gemeinsamer Trauer aber auch der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft vorstellte. Im Anschluss wurden die bunten Kreuze vor der Zentralen Gedenkstätte, der Neuen Wache in Berlin Mitte, installiert. „Es war unglaublich, wie viele Leute dort angehalten haben, um Bilder zu machen oder die Bedeutung der Kreuze zu erfragen“, erzählt Schülerin Johanna Toussaint. Zwei Jahrgangsstufen hatten sich im Hermann-Josef-Kolleg mit dem Projekt der EuropaKreuze beschäftigt. 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges hatten sich die Schüler fächerübergreifend dem Thema gwidmet, unter anderem in Geschichte, Religion, Französisch und eben auch Kunst. „Jeder von uns hatte schon etwas vom Ersten Weltkrieg gehört, aber jetzt haben wir ihm ein Gesicht gegeben“, erzählt Johanna Toussaint.
Nicht nur geschichtliche Texte, sondern auch die Erfahrungen und Leiden einzelner Personen, die im Unterricht behandelt wurden, machten die Geschehnisse für die Jugendlichen authentisch. „Da die meisten Autoren den Krieg selbst miterlebt haben, kann man sich vorstellen, dass das alles wirklich passiert ist“, so Schülerin Liline Meisen. Orientiert sind die Kreuze an den Vorbildern des Düsseldorfer Künstlers Bernd Schwarzer. So hat sich auch Liline Meisen an die Europafarben gehalten, indem sie schwarze, rote, gelbe und blaue Rechtecke auf ihrem Kreuz miteinander kombinierte, um die Vereinigung von Deutschland und Europa darzustellen. Der evangelische Theologe Nikolaus Schneider betonte, dass das Projekt alle Konfessionen angehe. So wie Bernd Schwarzer von einer Verbindung von Kunst und Religion ausgeht, hat auch Johanna Toussaint ihr Kreuz gestaltet. Von unten lodern schwarze und rote Flammen empor, die in einen blauen, weißen und schließlich gelben Himmel münden, der bis in das Reich Gottes reicht. Was am Boden als Stacheldraht beginnt, wird nach oben hin zum Stamm einer Rose mit weißen Blüten. Begleitet wurde die Reise von dem Fotografen Manos Meisen, um das Projekt zu dokumentieren.
Schon im Frühjahr steht wieder eine Ausstellung an, wenn in Oberhausen verschiedene Projekte zum Ersten Weltkrieg präsentiert werden. Liline Meisen ist froh, dass die EuropaKreuze und ihre Bedeutung so viel Aufmerksamkeit bekommen: „Das denkt man gar nicht, aber eine kleine Schule kann viel erreichen.“ [pp]
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