Eifel: Am Mechernicher Bahnhof wurde am vergangenen Wochenende wieder ein kostbares Gut verladen. Wie in den Jahren zuvor war hier der Sammel- und Umschlagplatz für all die Äpfel, Birnen und Quitten, die zahllose ehrenamtliche Helfer von den umliegenden Streuobstwiesen der Kreise Düren und Euskirchen zusammengetragen hatten. Mit unermüdlichem Einsatz sorgen Landwirte und Schäfer, Gärtner und Naturschützer dafür, dass die Tradition der alten Streuobstwiesen – im wahrsten Sinne des Wortes – am Leben erhalten wird. Denn nur durch diesen naturbelassenen Anbau ohne Kunstdünger und Spritzmittel können die alten Obstsorten in der Eifel überleben. Gleichzeitig bieten die urwüchsigen Streuobstwiesen Schutz und Lebensraum für viele gefährdete Tierarten wie den Steinkauz und viele Kleinlebewesen.
Im Vergleich zum Vorjahr fiel die Apfelernte im Raum Mechernich diesmal mit 25 Tonnen wesentlich geringer aus. 2015 konnte der „Renette – Eifeler Obstwiesen e.V.“ rund 60 Tonnen Äpfel ernten. „Im ganzen Kreis Euskirchen waren es letztes Jahr etwa 200.000 Tonnen“, weiß Peter Voissel, erster Vorsitzender des Vereins, der sich seit 14 Jahren für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt. Je nach voraussichtlichem Ernteertrag werden jedes Jahr im Herbst zwei bis drei Termine festgelegt, an denen das Obst zur Weiterverarbeitung angeliefert werden kann. Auf dem Gelände der Raiffeisen Warenzentrale war ein zwölfköpfiges Team unter Leitung des Vorstandes im Ehrenamtseinsatz, um die diesjährige Ernte entgegenzunehmen. „Etwa 50 Lieferungen haben wir begutachtet, gewogen und für den Abtransport in große Containerkisten verladen.“ Mit Argusaugen wurde das angelieferte Obst kontrolliert. Fallobst oder angeschlagene Äpfel wurden sofort aussortiert. „Schlechtes Obst würde die Qualität unserer Produkte mindern“, erklärt Peter Voissel.
Der Landwirt saß selbst am Steuer und kutschierte den Gabelstapler, um die prallvollen Erntekisten auf den Lastwagen zu hieven. Etwa 300 bis 350 Kilo passen in die hölzernen Transportcontainer, in denen das Obst anschließend zur Mosterei gebracht wird. „Wir sind jetzt der einzige Erzeuger in der Nordeifel, der unter dem Qualitätssiegel »Regionalmarke Eifel« produzieren darf“, sagte Voissel nicht ohne Stolz und erläuterte: „Durch den ausschließlichen Einsatz von ehrenamtlichen Kräften sind wir in der Lage, unseren Apfelsaft für 1,60 Euro pro Liter abzugeben.“ Der Apfelsaft wird jährlich im unabhängigen LUFA-Labor auf chemische Rückstände untersucht. Vize-Vorsitzender Thorsten Söns betonte: „Bisher sind noch nie irgendwelche chemischen Rückstände im Saft gefunden worden, was BIO-Standard entspricht“. Kein Wunder: Die 170 Mitglieder garantieren gegenüber dem Verein „Renette – Eifeler Obstwiesen“ mit ihrer Unterschrift, dass ihr Obst von Streuobstwiesen stammt, und dass die Bäume weder chemisch behandelt, noch mit Mineraldünger gedüngt wurden. Dafür erhalten sie 17,00 Euro pro angelieferten Doppelzentner.
20 Prozent der Erntemenge müssen sie nach der Verarbeitung der Früchte als Naturalien zurücknehmen – in Form von Apfelsaft, Apfel-Quittensaft oder Obstbrandwein, den die „Renette e.V.“ ebenfalls herstellt. „Das Brennen ist wegen der hohen Steuern eine teuere Angelegenheit“, weiß Voissel aus Erfahrung. Zudem müssen für sortenreine Brände die einzelnen Lieferungen nach Apfelarten sortiert werden. Ein aufwendiges Unterfangen, das den geschulten Blick der Experten erfordert. Verarbeitet werden die angelieferten Früchte von der Mosterei und Brennerei Brauweiler in Meckenheim-Altendorf.
Hier holt der Verein die fertigen Produkte anschließend auch wieder ab. „Eins unserer Vereinsmitglieder hat eine Spedition und übernimmt das ehrenamtlich“, freut sich Voissel über das Engagement. Mittlerweile stehen die ersten Eifeler Obstsäfte aus dem Jahr 2016 bereits in den Verkaufsregalen der Läden. „Nach der Sammelaktion am Samstag haben wir unser Obst direkt nach Meckenheim gebracht, am Sonntag wurde daraus der Saft gepresst und Montag konnten wir die erste Lieferung abholen.“ Der Verein mit Sitz in Mechernich-Glehn verkauft seine Produkte sowohl an Wiederverkäufer wie Getränkemärkte, Gastronomiebetriebe, Hofläden, Lebensmittel- und Einzelhandelsgeschäfte als auch an Privatpersonen in der Region.
Nicht nur zur Erntezeit und in der Vermarktung ist der Verein aktiv. Er fördert und pflegt Streuobstwiesen das ganze Jahr über. Zudem engagiert er sich innerhalb des LEADER-Programms, betreibt Streuobstwiesenpädagogik, hält Schnittkurse ab und hilft, neue Hochstammwiesen anzulegen. „Mittlerweile sind auch junge Leute daran interessiert und machen mit“, sagt Peter Voissel. „Wir haben die Pflege der Streuobstwiesen von unseren Vorfahren gelernt, nun wollen wir unser Wissen an die nächste Generation weitergeben, bevor es vergessen wird.“ [pp]
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