Eifel: Mit dem opulenten Buch „In der Eifel“ macht der Emons-Verlag jetzt einen wahren Schatz der breiten Öffentlichkeit zugänglich: Mit rund 300 Abbildungen dokumentiert er das Werk des Eifelfotografen Heinrich Pieroth – ein faszinierender Streifzug durch die Geschichte eines deutschen Mittelgebirges und den Wandel der Fotografie von den 1920er bis 1950er Jahren.
Unbekannt ist dieser Schatz nicht: Schon 1996 hatte das Rheinische Bildarchiv in Köln den Nachlass von Heinrich Pieroth (1893-1964) übernommen, wenige Jahre später eine Auswahl der Fotos in einer Ausstellung präsentiert. 2011 schließlich schenkten die Söhne Karlheinz und Ulrich die Arbeiten dem Archiv: Immerhin gut 5.000 Glasnegative, 400 Negativfilme und zahlreiche Diakästen. Seitdem wurde das Werk wissenschaftlich und konservatorisch aufgearbeitet. Das jetzt erschienene Buch lässt sich so als Bilanz dieser Arbeit verstehen.
Die ersten Porträts entstanden noch im Atelier
Pieroth begann seine Lehre als Fotograf schon mit 14 Jahren in seiner Geburtsstadt Mayen. Sie und die weitere Umgebung waren auch sein Haupt-„Einsatzgebiet“. In Mayen hatte er nach einer kurzen Wanderschaft, die ihn zu Beginn der 1920er Jahre nach Herne und Saarbrücken führte, bis zum Schluss auch sein Atelier. Hier schuf er Porträts zunächst im steifen Stil der „Cabinet-Bilder“ für die Anrichte im Familienwohnzimmer, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich waren.
Später ging er auf die Individualität der Porträtierten ein, zeigte sie dabei in ruhiger und gelassener Würde. Was man heute auch weiß: Er retuschierte die Fotos, betonte zum Beispiel die Gesichtsfalten und verstärkte so die Persönlichkeit der Abgebildeten. Ab und zu griff er sogar zur Collage. Er besuchte die Menschen aber auch in ihrer Arbeitswelt und ihrem privaten Umfeld. Dabei „entdeckte“ er das neue Stilmittel der Fotoreportage, etwa über eine Glockengießerei oder die Rheinische Imkerschule. Nicht nur hier lernt man die Schwarz-Weiß-Ästhetik wieder zu schätzen.
Nur im Rückblick nostalgische Dorfidyllen
Selbst die von kleinbäuerlichen Feldern geprägte Landschaft ist karg, manchmal auch wild. Pieroth hält sie im modernen sachlichen Stil fest, hat den Blick für malerische Momente, verzichtet dabei allerdings auf gewagte Perspektiven oder effekthascherisches Licht-Schatten-Spiel. Nicht nur hier zeigt er sich als zurückhaltender Beobachter, frei von Eitelkeiten.
Ein Chronist des wirtschaftlichen und politischen Wandels
Spät erst hielt die Moderne Einzug in der Eifel. Und während mit dem Nürburgring 1927 eine moderne Autorennstrecke eröffnet wurde, blieben viele wichtige Straßen noch lange ungeteert. Auch hier ist Pieroth Chronist, ebenso wie bei den politischen Entwicklungen: Barackenlager nach dem Ersten Weltkrieg, Aufmärsche der Nazis, Bomben im Zweiten Weltkrieg, der Wiederaufbau.
Kurze Textbeiträge in dem thematisch geordneten Buch erläutern Hintergründe zu Bildern und Pieroths Arbeitsweise und machen es zu einer rundum gelungenen Werkschau. [Jürgen Schön]
„In der Eifel – Fotografien von Hans Pieroth aus den 1920er bis 1950er Jahren“ – Herausgegeben vom Rheinischen Bildarchiv. Emons-Verlag, Köln 2020. Gebunden, Schutzumschlag, 320 Seiten. 39,95 Euro
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