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Energiewende wohin? Professor Konrad Kleinknecht zieht Bilanz

Eifel: Wir in Deutschland haben ehrgeizige Ziele: Bis 2050 sollen 85 Prozent unserer Energieversorgung aus erneuerbaren Energien kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden gesetzlich planwirtschaftliche Vorgaben zur Subvention von Wind- und Sonnenstrom verabschiedet. 2011 nach dem Tsunami und dem folgenden Kontrollverlust im Atomkraftwerk Fukushima hat die deutsche Regierung zusätzlich den beschleunigten Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen.

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Professor Konrad Kleinknecht fordert die Abschaffung der EEG-Privilegien für Ökostrom. [Foto: privat]

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet, sollte nun die gesetzliche Grundlage für die subventionierte und vorrangige Einspeisung des zukünftigen atomfreien Stroms in die Netze ermöglichen und langfristig auch die fossilen Kraftwerke überflüssig machen.

Die Bilanz nach 15 Jahren massiver Förderung der erneuerbaren Energien sieht düster aus, findet Konrad Kleinknecht, emeritierter Professor für Physik an den Universitäten in Mainz und München, Leibnizpreisträger der DFG und Präsident der Heisenberg-Gesellschaft.

Professor Kleinknecht war Klimabeauftragter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Anlässlich des Klimagipfels in Paris veröffentlicht EIFELON seine kritischen Anmerkungen zur Energiewende in Deutschland:

EEG-Privilegien für Ökostrom abschaffen!

Mit gewaltigen Subventionen wurden Wind- und Solarkraftwerke in den vergangenen 15 Jahren in der Bundesrepublik ausgebaut. Die ehrgeizigen politischen Pläne sollten Deutschland zu einem Vorreiter der CO² freien und erneuerbaren Energien machen. Der Ansatz, die Energieversorgung in Deutschland ohne fossile Kohle und Atomstrom zu gewährleisten, war durchaus ehrgeizig, aber leider eine nicht bis zu Ende gedachte Illusion ohne naturwissenschaftliche Basis.

Die gesicherte, also zu jeder Zeit verfügbare Leistung aus Wind- und Solaranlagen ist, laut Aussage der Bundesnetzagentur, sehr gering. Für Windkraftwerke liegt sie bei einem Prozent der installierten Leistung, für den Solarstrom liegt sie in der Nacht bei null. Ihre volle Leistung erreichen Fotovoltaik-Anlagen an 2,4 Stunden und Windkraftanlagen an 4,1 Stunden pro Tag, im Schnitt gerechnet auf den jährlichen Stromertrag. In der übrigen Zeit des Tages sind wir angewiesen auf Kohle- und Gaskraftwerke und die Reste der demnächst stillzulegenden Kernkraftwerke.

Für den Transport des verstärkt an der Küste anfallenden Windstroms zu den Industriebetrieben im Süden fehlen ausreichende Hochspannungsleitungen. Auch fehlen genügend große Speicher für den Strom aus Sonne und Wind. Die einzige effiziente Möglichkeit derzeit sind Pumpspeicher. Deren Kapazität von insgesamt 40 Millionen Kilowattstunden reicht nur aus, um ein Vierzigstel (Strom für ca. 35min) des durchschnittlichen Tagesbedarfs an elektrischer Energie in Deutschland zu speichern. Um ausreichend Pumpspeicher in Deutschland zu errichten, fehlen die landschaftlichen Voraussetzungen und die Akzeptanz bei der Bevölkerung.

Als einzige zukünftige Speichermöglichkeit für die riesigen Mengen an elektrischer Energie wird die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, die Elektrolyse, betrachtet. Im nächsten Schritt soll Wasserstoff zu Methan umgewandelt und in das Gasnetz eingespeist werden. Es ist ein verlustreicher Weg, denn bei der Verbrennung des Methans in Gaskraftwerken kann nur ein Drittel der ursprünglichen Energie zurück gewonnen werden. Zum dreifachen Preis des Windstroms. Zwei Drittel der Energie werden nutzlos als Wärme an die Umwelt abgegeben. Auch erfordert die Elektrolyse einen stetigen Gleichstrom, den der Strom aus Wind und Sonne nicht bietet. Deshalb werden die Reaktionszellen schnell unbrauchbar. Es gibt also zurzeit noch keine Möglichkeit, große Mengen elektrischer Energie zu speichern.

Für die nächsten zehn Jahre wird es voraussichtlich keine Möglichkeit geben, relevante Mengen elektrischer Energie über mehrere Tage effizient zu speichern. Es bleibt bei der fluktuierenden Einspeisung der Wind- und Solarenergie nur die Möglichkeit, fossile Kraftwerke als regelbare Schattenkraftwerke zu betreiben, die bei überschüssiger Energie aus Wind- oder Solarkraft heruntergefahren werden und bei deren Ausfall als Reserve zur Verfügung stehen und in den Windpausen wieder einspringen.. Diese Betriebsweise der fossilen Kraftwerke ist ineffizient und unwirtschaftlich, lastet die Kraftwerke nicht aus und führt zu einem hohen Verschleiß. . Das ist für viele Unternehmen nicht mehr kostendeckend, sodass sie mehr als 50 Kohlekraftwerke stilllegen wollen. Weil diese Kraftwerke aber für die Sicherheit der Versorgung gebraucht werden, verbietet die Bundesnetzagentur die Stilllegung, dafür müssen die Betreiber entschädigt werden – somit entstehen zusätzliche Kosten für die Stromkunden.

Die kommen bereits für die Subventionierung der erneuerbaren Energien auf. Allein im Jahr 2014 waren es mehr als 20 Milliarden Euro. Viele Unternehmen wurden von der EEG-Umlage befreit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die übrigen Verbraucher trifft es umso härter mit einer Umlage von zurzeit bereits 6,24 Cent pro kWh, mit steigender Tendenz. Das ist unsozial: Während die Hausbesitzer mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach zehnprozentige Renditen über 20 Jahre erzielen, zahlen die Mieter erhöhte Strompreise.

Was muss getan werden, um ein Scheitern der Energiewende zu vermeiden?

An erster Stelle steht die grundlegende Reform des EEG. Für zukünftige Solaranlagen und Windkraftwerke muss die privilegierte Einspeisung ins Stromnetz aufgehoben werden. Die Betreiber sollen die Energie aus ihren Anlagen selbst speichern und verbrauchen oder an der Strombörse vermarkten.

Die geplanten Stromtrassen von der Nord- und Ostseeküste nach Süden müssen beschleunigt gebaut werden. Die Industrieländer Bayern und Baden-Württemberg werden, nach der Abschaltung der Kernkraftwerke, in ihren Ländern keine ausreichende Kapazität an verfügbarer elektrischer Grundlast haben. Hier muss man verstärkt über neue fossile Grundlastkraftwerke nachdenken. Alternativ bleibt in zehn Jahren nur der Import von Strom aus Tschechien und Frankreich. Der wird aber vorwiegend in Atomkraftwerken hergestellt.

Der verstärkte Ausbau eines europäischen Stromverbundes wäre sinnvoll. Leider passiert in Europa im Moment genau das Gegenteil. Die europäischen Nachbarn schotten ihre Stromnetze gegen Deutschland ab. Der unstete und nicht berechenbare Wind- und Solarstrom zwingt sie immer häufiger, ihre eigene Stromversorgung kurzfristig zu drosseln, um das deutsche Stromüberangebot aus Wind und Sonne aufnehmen zu können. Deutschland hat seine Stromversorgung im Alleingang umgekrempelt und ist jetzt der Störenfried im europäischen Verbundnetz. Auch an dieser Stelle war die Energiewende zu kurz gedacht und muss nachgebessert werden.

Weiterhin sollten die vorhandenen Speicher in den Stauseen Österreichs, der Schweiz und in Norwegen genutzt werden. Hier ist die Politik gefordert, in Zusammenarbeit mit den Nachbarn, das europäische Verbundnetz auszubauen, um im Inland entstehende Defizite und Überschüsse auszugleichen.

Von Konrad Kleinknecht ist folgendes Buch zum Thema im Buchhandel erhältlich: Risiko Energiewende-Wege aus der Sackgasse, Springer Spektrum Verlag Berlin-Heidelberg, 2015, ISBN: 978-3-662-46887-6 (Hardcover), ISBN: 978-3-662-46888-3 (eBook)

„Risiko Energiewende – Wege aus der Sackgasse“. 251 Seiten, Springer-Spektrum-Verlag, 19,99 Euro.

Professor Dr. Konrad Kleinknecht studierte in München und Heidelberg Physik und Mathematik und promovierte 1966 in Heidelberg mit einer Arbeit am Europäischen Zentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf. Als Professor für Experimentalphysik arbeitete er an der Universität Dortmund, am California Institute of Technology, an der Harvard University, an den Universitäten in Mainz und München (LMU).

Seine Forschungsgebiete sind die Physik der elementaren Bausteine der Materie und die Energieversorgung. Für seine Arbeiten erhielt er viele Preise, unter anderem den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, die Gentner-Kastler-Medaille der französischen und der deutschen physikalischen Gesellschaften (SFP und DPG), den Hochenergiepreis der Europäischen Physikalischen Gesellschaft und die Stern-Gerlach-Medaille der DPG.
Neben mehr als 500 Forschungsarbeiten veröffentlichte er Bücher über Teilchendetektoren, die Materie-Antimaterie-Asymmetrie, das Klimaproblem und die deutsche Energiewende und war Klimabeauftragter der DPG.

27.11.2015PolitikEifel2 Kommentare Gast Autor

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