Kreise, Vulkaneifel: Mit Enttäuschung und Kritik reagiert das Bündnis Energiewende für Mensch und Natur auf die im neuen Koalitionsvertrag der künftigen Landesregierung getroffenen Aussagen zum weiteren Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz.
In dem Vertrag haben SPD, FDP und Grüne beschlossen, dass die Leistung der Windenergieanlagen (WEA) im Land bis 2030 verdoppelt werden soll. Der Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung soll künftig auf 900 Meter sinken. Auch der Bau von WEA im geschützten Pfälzerwald soll zukünftig ermöglicht werden, schreibt das Bündnis in einer Presseaussendung.
Schon die bisherigen Abstände von 1.000 und 1.100 Metern von Gross-Windrädern zur Wohnbebauung führten zu Beschwerden und Klagen der betroffenen Anwohner. Völlig unverständlich erscheine nun die erhebliche Abstandsverkürzung für repowerte WEA mit künftig über 250 Metern Höhe, viel größeren Flügeln und daraus resultierenden höheren Schallemissionen auf 720 Meter.
Zusätzlich soll auch noch an der Abstands-Messmethode getrickst werden:
Bisher werden die Abstände zur Ortsbebauung von der nächsten Flügelspitze der WEA gemessen. In Zukunft soll der Messpunkt in die Windrad-Mastmitte wandern. Bei einem Rotordurchmesser von 150 Metern bedeutet das eine zusätzliche Verkürzung des Abstandes zur Wohnbebauung von 75 Metern, gegenüber der bisherigen Messpraxis.
Bei solchen Abstands- und Größenmaßen wird zukünftig kein einziges Windrad mit der Akzeptanz der betroffenen Bürger gebaut werden können,
sagt Wolfgang Piroth von Bündnis Energiewende für Mensch und Natur, einem Zusammenschluss von 60 Bürgerinitiativen mit circa 10.000 Mitgliedern aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland.
„Während sich im Koalitionsvertrag die FDP einer Aufwertung der Innenstädte zu ‚attraktiven, lebendigen, wirtschaftlichen, kulturellen und kommunikativen Zentren‘ auf die Fahnen schreibt, verbleibt für die ländliche Bevölkerung dann eine Strom gewinnende, Lärm und Schattenwurf geplagte Industrielandschaft zum Leben, die sich dann auch noch für den notfallmäßigen Kerosinablass von Flugzeugen eignet,
so Wolfgang Piroth sarkastisch. Es sei schon seltsam, wenn eine Partei hierunter den gesetzlichen Auftrag verstehe, in Stadt und Land gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.
Auch die Aussagen der Koalition, eine angestrebte RLP-Klimaneutralität zwischen 2035 und 2040 zu erreichen, sowie ab 2030 den Ausbau Erneuerbarer Energien auf 100 Prozent zu forcieren, erzeugt bei den Mitgliedern der Bürgerinitiativen Kopfschütteln.
Diese Zielsetzung sei sicher geeignet, um vorwiegend bei den jugendlichen Wählern Stimmen zu gewinnen. Es zeuge jedoch von Ignoranz, vielleicht auch von der Unterversorgung mit Fachwissen, die Konsequenzen bezüglich der Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu beurteilen.
Die Bürgerinitiativen erwarten eine Antwort auf die Frage: Wie soll 2030 die verlässliche Stromversorgung aussehen, wenn alle grundlastfähigen Kraftwerke wie Kern- und Kohlekraftwerke abgeschaltet sind? Die als Ersatz benötigten Gaskraftwerke werden dann noch nicht in ausreichendem Umfang gebaut sein, von entsprechend großen Speichern ganz zu schweigen.
Ob es überhaupt zum Bau von Gaskraftwerken kommen werde, stehe wegen der beabsichtigten Grenzwerte der EU von zukünftig maximal 100 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde auf einem anderen Blatt. Moderne Gaskraftwerke stoßen bekanntlich 400 gr/kwh aus.
„Die rheinland-pfälzischen Bürgerinitiativen im Bündnis Energiewende für Mensch und Tier lehnen diesen Koalitionsvertrag aufgrund der beabsichtigten Klimamaßnahmen ab.“
Wenn die Ziele der Koalition umgesetzt würden, würde all 2,5 Quadratkilometer in RLP ein Windrad stehen. Das federführend von den Grünen bearbeitete Energiekapitel zeigt, dass bisherige Schutzmechanismen zugunsten von Nachbarn, Kommunen und Natur zugunsten eines weiteren Windkraft-Ausbaus einschl. Repowering reduziert werden sollen (S. 24 ff.):
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- Aufgabe des landesplanerischen Konzentrationsgebots; WKA auch in bisher unberührten Regionen (924 ff.)
- bei Neuanlagen künftig 900 m Abstand, bei Repowering nur 720 m (930 ff.), gemessen ab Mastmitte (935), nur zu Wohn-/Dorf-/Kerngebieten (936 ff.); Baulasten nur noch im Umkreis von 0,2 der Anlagenhöhe (984 ff.)
- Zonierung von Naturparks, nur noch Kernzone geschützt (939 ff.)
- beim Biosphärenreservat Pfälzerwald nur noch Kern- und Pflegezonen geschützt; WK-Ausbau in Entwicklungszonen, solange Unesco-Welterbe-Status nicht gefährdet (948 ff.)
- ebenso im Bereich Mittelrheintal; Überarbeitung der Sichtachsenstudie, um mehr WKA im Rahmenbereich des Welterbes zu ermöglichen (958 ff.)
- WKA im Wald bevorzugt auf Kalamitätsflächen; Ausschluss nur noch in alten zusammenhängenden Laubholzbeständen älter 100 Jahre mit zusammenhängender Bestandsfläche >10 ha (964 ff.)
- Einschränkung kommunaler Erhaltungssatzungen (987 ff.); finanzielle Anreize für „willige“ Kommunen über § 36k EEG (992 ff.)
- Zuständigkeitskonzentration auf Regierungsbezirksebene („SGD“), Aushebelung der Unteren Naturschutzbehörden (999 ff.)
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