Eifel: „Ich kam mit dem Schiff. Ich hatte Angst zu sterben.“ Mit eindringlichen Worten begann am vergangenen Mittwochabend ein intensiver Theaterabend im Stadttheater Euskirchen. In der Inszenierung „Home?!“ zeigten 32 Schauspieler, davon 26 Flüchtlinge aus zehn Nationen zwischen elf und 17 Jahren, was es heißt, die Heimat zu verlassen und in ein neues Land zu fliehen. Aber auch die Perspektive der einheimischen Jugendlichen und Lehrer beleuchtete das Stück unter der Regie von Katerina Giannakopoulou und Lucas Theisen.
Nicht kühle künstlerische Perfektion, sondern ansteckende emotionale Authentizität der Protagonisten machte den Theaterabend zu einem besonderen Erlebnis. Schlaglichtartig wurde das Publikum hineingezogen in ein Wechselbad der Gefühle, von den Erlebnissen auf der Flucht nach Deutschland („Ich brauche meine Familie – aber meine Familie ist nicht da“ – „Ich war am Ende meiner Kräfte“) über eine Schulsituation, in der ein Lehrer die einheimischen Schüler auf die neuen Mitschüler vorzubereiten versucht, es die ersten Konflikte gibt, die der Schulleiter auf autoritär-pragmatische Weise zu lösen versucht, bis zur Selbstinitiative der Schüler, die sich zusammenraufen und ihre Stärke und Freude in der Gemeinschaft erleben.
Dabei nutzten die jungen Schauspieler geschickt aufs Wesentliche reduzierte Mittel wie Schulbänke, Besen und Seile und berührten das intensiv miterlebende und begeisterte Publikum mit äußerst gefühlvoller Darstellung. Stilisierte Kampfszenen wechselten mit Hip-Hop-Choreografien, Schauspielszenen mit Gesangseinlagen, kammerspielartige Elemente mit Massenszenen. Geschickt spielte die Geschichte mit Alltagssituationen und Vorurteilen, ließ die Schüler in ihrer Jugendsprache erzählen.
Der Schuldirektor, herrlich arrogant gespielt vom wirklichen Lehrer Martin Breuer, reagierte auf die Konflikte zwischen Flüchtlingen und einheimischen Schülern mit den tiefsinnigen Worten: „Kooperation ist das Mindeste, was wir verlangen können – aber auch das Meiste.“ Auch viel Humor prägte die Umsetzung des durchaus dramatischen Themas. Wendepunkt war das von der fiktiven Schülerschaft beschlossene „Manifest wider das Dumpfbackentum“, in dem man die Unsinnigkeit von Vorurteilen aufgrund von Aussehen oder Herkunft bloßstellte, aber auch klargestellt wurde, dass in einem neuen Land eben auch andere Gepflogenheiten herrschen. Die Schüler beschlossen: Wer sich weiterhin dem Dumpfbackentum hingibt, wird als Sanktion mit zwei Stunden „Pädagogikgelaber“ bestraft, wenn jedoch geflüchtete neue Mitschüler und die alteingesessenen Pennäler gut miteinander auskommen, gibt es eine Party.
Und eine solche feierte nicht nur die fiktive Schülerschaft zum Schluss des Stücks, sondern auch die gesamte Mannschaft nach dem „Happy-End“ auf der Bühne. Regisseurin Katerina Giannakopoulou und Choreograf Lucas Theisen klatschen sich mit den Jugendlichen ab, ehe sich „Gianna“ mit tränenerstickter Stimme bei den jungen Darstellern für ihr Vertrauen bedankte. Umzüge, Abschiebungen und die oft dramatischen Geschichten der Geflüchteten hatten während der Proben eine Atmosphäre zwischen den Teammitgliedern geschaffen, die ebenso herzlich wie produktiv war.
Jule Rüber von der Euskirchener Pfarrei St. Martin berichtete, wie das Projekt überhaupt zustande kam: Eine private Spende von Elke Ulmer-Smith führte über Gespräche mit dem Leiter der Musikschule Euskirchen, Christian Wolf, zu der Musical-Idee mit Geflüchteten. Dr. Wolfram Ferber, stellvertretender Schulleiter des Emil-Fischer-Gymnasiums, hatte vor eineinhalb Jahren eine internationale Klasse in seiner Schule ins Leben gerufen und war sofort Feuer und Flamme, ebenso wie das Team der Gesamtschule Euskirchen. Die Kreissparkasse Euskirchen (KSK) gab eine weitere Finanzspritze, die katholische Stadtpfarrei St. Martin, der Rotary-Club Euskirchen, der Rotary-Club Euskirchen-Burgfey, der Lions-Club Euskirchen-Nordeifel und die Bürgerstiftung der Stadt Euskirchen „Wir für EUch“ unterstützten und ermöglichten so das Projekt.
Rita Witt, Vorsitzende der beiden KSK-Stiftungen, war von dem Abend restlos begeistert und sehr berührt von dem eindringlichen Spiel der Jugendlichen: „Wer Vorurteile gegenüber Geflüchteten hat, sollte sich das Stück ansehen.“ Verschiedenste Partner hätten an einem Strang gezogen, um das Publikum ebenso wie die Protagonisten mit vielen positiven Erlebnissen zu entlassen. „Der Abschied wird dem Team bestimmt schwerfallen“, so Witt. Auch Uwe Günther, Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft Rureifel, war berührt vom Spiel mit den alltäglichen Konflikten.
Für einige besonders talentierte Jugendliche soll die künstlerische Förderung sogar weitergehen, wie Christian Wolf sagte. Jule Rüber betonte, dass der Weg, also die gemeinsame Schaffenskraft der Beteiligten in einem sozialen Gefüge über Sprachbarrieren und Herkunft hinweg, das Ziel gewesen sein. Doch gerade die Mischung aus überschaubarem Budget, schwierigen Bedingungen wie Abschiebung eines Hauptrollenschauspielers, aber das dennoch hohe Engagement und viel Leidenschaft machten auch das Endprodukt sehenswert. Eric Reisenhauer, ehemaliger Schüler des „Emil“ und jetzt im Bundesfreiwilligendienst, hatte die Rolle eines Lehrers übernommen und sagte nach der Vorstellung über den Inszenierungsprozess: „Ich bin einfach nur begeistert. Es gibt viele Vorurteile gegenüber Flüchtlingen – keines davon hat sich hier bestätigt!“ [epa]
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