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Orval, bestehend aus den Ruinen der alten Abtei und dem nicht zugänglichen neuen Teil aus den 1930er Jahren, dessen Kirchturm man rechts im Hintergrund sehen kann. [Fotos: awb]

Von frommen Männern und süffigen Bieren (I.)

Eifel: Mal angenommen, Sie haben ein Produkt des täglichen Bedarfs, zum Beispiel ein Getränk entwickelt, das unter Kennern zu den weltbesten seiner Art gezählt wird und das allenthalben begehrt ist. Was werden Sie wohl tun? Werden Sie nicht dafür sorgen, dass die Produktion der Nachfrage gerecht wird und man Ihr Getränk überall kaufen kann, so dass Sie sehr schnell sehr reich werden? Eben. Ich auch.

Nicht so die Mönche der Trappistenabtei Sint-Sixtus bei Westvleteren in Belgien. Deren drei Biersorten, die tatsächlich in vielen Bewertungen als die besten weltweit gefeiert werden, sind nur im Kloster selber und nach einer aufwändigen Anmeldeprozedur zu bekommen. Wer diese Prozedur nicht kennt oder nicht ernst nimmt, muss durstig bleiben. Wie es einem dänischen Journalisten erging. Den hatte im heimischen Kopenhagen die Kunde vom besten Bier der Welt erreicht, was ihn umgehend eine Fahrt nach Belgien unternehmen ließ. Er war gut 1.100 km unterwegs und musste sich, am Kloster angekommen, darüber belehren lassen, dass auch er nichts kaufen könne, er habe sich nicht einige Wochen zuvor angemeldet. So musste er unverrichteter Dinge weitere 1.100 km zurück nach Kopenhagen fahren. Der Bruder Brauer in Sint-Sixtus war nicht zu erweichen. Was beweist: Auch das Prinzip der christlichen Nächstenliebe hat offenbar seine Grenzen.

Nicht ganz so rigide geht es bei anderen Trappistenklöstern zu, die Bier brauen. Von denen gibt es weltweit ganze zehn, davon sechs in Belgien, zwei in den Niederlanden, eins in Österreich und eins in den Vereinigten Staaten. Deren Biere sind, wenn auch nicht immer ganz einfach, leichter zu bekommen und stehen denen aus Westvleteren nur wenig nach. Die Belgischen unter ihnen wollen wir näher betrachten.

Trappistenmönche zeichnen sich durch ein besonders asketisches, zurückgezogenes Leben sowie durch eine geradezu legendäre Schweigepflicht aus; als Frisöre, Versicherungsvertreter oder Taxifahrer wären die frommen Brüder somit eher nicht geeignet. Vom Brauen hingegen verstehen sie eine ganze Menge; seit Jahrhunderten erweisen sie sich als große Meister auf diesem Gebiet. Man mag verwundert einwenden, was Askese denn mit Bier zu tun habe, und es ist tatsächlich nicht ganz einfach, einen plausiblen Zusammenhang herzustellen. Doch wir bewegen uns auf dem Feld des praktizierten Glaubens, und dessen Anhänger biegen im Notfall so lange etwas zurecht, bis es passt.

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Hier überlebt kein Schädling: Blick in einen brodelnden Sudkessel in der Abtei Orval.

Dass generell früher in vielen Klöstern gebraut wurde, lag an der relativ simplen Herstellung von Bier und der Tatsache, dass die Rohstoffe billig und leicht verfügbar waren. Die Mönche, als gebildete Menschen ihrer Zeit, fanden heraus, dass zwischen dem damals verfügbaren Trinkwasser und der Verbreitung von Seuchen und anderen Erkrankungen ein Zusammenhang bestehen musste. Wasser, zu Bier verwandelt, ließ sich hingegen bedenkenlos trinken. Warum das so war, wusste man nicht, da Viren und Bakterien noch gar nicht entdeckt worden waren, aber man fand eine plausible Erklärung: Der Vorgang des Brauens auf der Basis einheimischer Gerste war offenbar gottgefällig, und wer dies tat, wurde vom Grundgütigen durch anhaltende Gesundheit belohnt. Dies leuchtete jedem ein. Hinzu kam, dass früher Klosterbiere kaum einer Unterwanderung der Askese dienen konnten, sie enthielten nur sehr wenig Alkohol, und einen echten Genuss werden sie auch nicht vermittelt haben, da erst im Laufe der Zeit ein durchdachtes Brauen wohlschmeckender Biere möglich wurde.

Neben dem gesundheitlichen Aspekt des Bierbrauens in Klöstern gab es noch einen weiteren, der eine gewisse Schlitzohrigkeit der frommen Brüder verrät. Da in der Fastenzeit kaum feste Nahrung erlaubt war, man sich aber ungern alleine mit dünnen Suppen und harten Brotkanten abfinden mochte, wurde nach dem Motto „Das wenige, das ich esse, kann ich auch trinken“ nahrhafter und zudem auch noch wohlschmeckender Gerstensaft genossen. Damit verstieß man nicht gegen die strengen Fastengebote, schließlich waren im Bier noch weniger feste Bestandteile als in einer frugalen Mehlsuppe. (Ähnlich schlau ging man früher mit dem Gebot des Fisch- statt Fleischessens in religiös motivierten Fastenzeiten um. Man ernannte Säuger wie den Biber oder Vögel wie die Ente kurzerhand zu Wassergetier, und schon waren sie „koscher“. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Zurück zu den fleißigen, schweigenden Trappisten in Belgien. Dort brauen neben dem bereits erwähnten Westvleteren die Klöster in Achel und Westmalle (Flandern) sowie in Orval, Rochefort und Chimay (Wallonien) ihre beliebten Hopfen-und-Gerstensäfte. Um das Erzeugnis Trappistenbier nennen zu dürfen, müssen die Biere tatsächlich in einem Trappistenkloster gebraut werden, und es müssen bei der Herstellung Mönche (mit)arbeiten. So manche „Klosterbrauerei“ heutzutage ist nämlich ein Schwindelunternehmen – deren Biere werden von Großbrauereien ganz woanders hergestellt, und das Kloster gibt für gutes Geld bloß seinen Namen her. Das bekannte Leffe Abteibier zum Beispiel wird vom Biermulti Anheuser-Busch in der Stella-Artois Brauerei in Leuven gebraut, weit weg vom Kloster Notre Dame de Leffe bei Dinant. So etwas würden sich die strengen Trappisten niemals erlauben. Und täte eines ihrer Klöster es doch, wäre das Qualitäts-Prädikat Authentic Trappist Product für ihr Bier perdu. Was weitreichende, weltliche Folgen hätte, vom sicheren Platz in der Hölle für die Verantwortlichen mal ganz abgesehen.

Und noch ein Faktor spielt für das Prädikat Trappistenbier eine Rolle: Der überwiegende Teil des erzielten Erlöses fließt nicht in den Bau von prunkvollen Badewannen, Hochwürdensitzen und die Anlage von Goldfischteichen, sondern in die Finanzierung karitativer Projekte. Wer sich also mit Bieren aus Rochefort oder Orval eindeckt, tut ebenso eine gute Tat wie der, der er einen Batzen Euros in den Opferstock fallen lässt. „Tue Gutes und trinke darüber!“ könnte man das Motto nennen, an dem gewiss nichts auszusetzen sein dürfte.

Im 2. Teil erfahren wir mehr über die Verschiedenheiten der belgischen Trappistenbiere und über die Tatsache, dass es außer ihnen in ganz Belgien nur ein einziges Abteibier gibt, das wirklich in einer Abtei gebraut wird.

28.5.2015LebenEifel0 Kommentare awb

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