Eifel: Zwei Tage vor der Jahreswende 2010/2011 brach in der Trappistenabtei Notre-Dame-de-Saint-Rémy nahe Rochefort in den belgischen Ardennen ein schweres Feuer aus, das massiven Schaden anrichtete. Ursache war nicht etwa ein vorzeitig gezündeter Silvesterböller; ein derartiger Gegenstand dürfte den überaus zurück gezogen lebenden, frommen und schweigsamen Männern wohl nur theoretisch bekannt sein. Falls überhaupt. Vielmehr war eine provisorisch eingerichtete Notstromversorgung schuld, dass umfangreiche Gebäudeteile abbrannten.
Das Unglück fand überregional Beachtung, zahlreiche Medien, auch im deutschsprachigen Ausland, berichteten darüber. Was nicht unbedingt nur der Tatsache geschuldet war, dass historisches Baugut den Flammen zum Opfer fiel. Ein Satz aus der Solothurner Zeitung lässt erkennen, worin die eigentliche Meldung über das Feuer bestand: „In dem Kloster wird seit dem 19. Jahrhundert weltberühmtes Bier gebraut, […] die Produktion des Abtei-Bieres kann aber fortgeführt werden.“
Es geht die Geschichte um, die Mönche hätten lange auf die Feuerwehr warten müssen, so dass sie sich anfangs nur selber mit vereinten Kräften und einigen Wassereimern hätten helfen können, was bei gerade einmal einem Dutzend Brüdern, die zudem recht betagt sind, nicht wirklich effektiv gewesen sein dürfte. Und da gleichzeitig die Klosterkirche, wie auch der Brauereikomplex von den Flammen bedroht waren, hätte man sich entschieden, der Braustätte die Priorität zu verleihen und diese so gut es ging verteidigt. Ob diese Geschichte stimmt, konnte ich nicht feststellen, doch ob erfunden oder nicht – sie gefällt mir ausgesprochen gut. Denn zum einen hätten die Mönche nun wirklich allen Grund gehabt, dem Grundgütigen ob dieses bösen Streiches zu zürnen, zum anderen hätte es mir auch gar nicht gefallen, wenn es auf unabsehbare Zeit keine Rochefortbiere mehr gegeben hätte.
Dass man damals lange auf die Feuerwehr warten musste, weil die das Ziel nicht fand, leuchtet hingegen sofort ein, wenn man die Abtei Notre-Dame-de-Saint-Rémy einmal selber besuchen will. Einige Kilometer vom Städtchen Rochefort entfernt gelegen, scheint sie offenbar alles zu unternehmen, um in ihrer Ruhe nicht gestört zu werden, selbst Hinweisschilder sucht man vergebens. Immerhin, wer an den acht täglich abgehaltenen Gottesdiensten teilnehmen möchte, ist in der Kirche des Klosters willkommen. Ansonsten macht der Komplex von außen einen wenig einladenden Eindruck. Auch gibt es keinen Klosterladen wie beispielsweise in Orval, wo die Brüder durchaus einen gewissen Sinn fürs Kommerzielle beweisen und neben viel frommem Nippes auch ihre Biere plus allerlei Zubehör und Souvenirs feilbieten. Nach langem Zögern habe ich bei meinem Besuch in Rochefort an einer unscheinbaren Pforte geklingelt, wo man mich in Person eines sehr alten, sehr bärtigen Mönches misstrauisch durch die Türe beäugte, dann aber schließlich mit zwei Sixpacks des köstlichen Trunkes versorgte. Immerhin besitzt die Abtei eine Website, die einen kleinen Einblick in Ort und Leben ermöglicht; ihr eigentlicher Zweck liegt allerdings darin – diplomatisch ausgedrückt – Besucher fernzuhalten: Die Informationen im Internet, so kann man lesen, versuchen die Besonderheiten des Lebens in der Abtei zu erklären, welches ausschließlich in einem Klima der Stille und Einsamkeit gedeihen kann, daher sei das Kloster nicht für Außenstehende geöffnet.
Drei Sorten braut man in Notre-Dame-de-Saint-Rémy, wie übrigens auch in einigen anderen Trappistenbrauereien; ob das etwas mit der Heiligen Dreifaltigkeit zu tun hat, muss ich noch ergründen. Beim Rochefort heißen die Sorten 6, 8, 10, womit nicht der Alkoholgehalt gemeint ist. Der liegt zwischen 7,5 % und 11,3 %, ist also schon recht ansehnlich. Vor allem das 10 ist ein Trunk, den man mit der selben Andacht und Sorgfalt behandeln und trinken muss wie einen guten Wein. Nicht von ungefähr erreicht es in der Bewertung des Biermagazins Beer Advocat die selbe Punktzahl wie das Westvleteren 12: 100/100. 18.000 Hektoliter werden pro Jahr erzeugt (zum Vergleich: eine bekannte Eifeler Brauerei kommt pro Jahr auf 3,680.000 Hektoliter).Anderen frommen Seelen dürfte dies ein ziemlicher Dorn im Augen sein – so sehr sich die brauenden Trappisten für die Kultivierung des Bieres einsetzen, so sehr bekämpfen Blaukreuzler und andere Abstinenzvereine den Alkoholkonsum. Diese sehen sich zwar auch im Auftrag des Herrn unterwegs, haben aber offenbar einen anderen bekommen, als die Trappisten. Letztere halten sich erfreulicher Weise aus jeglicher Diskussion heraus, ob aus Klugheit, Weisheit oder wegen des Schweigegelübdes ist mir egal. Sie brauen hoffentlich weiterhin wie seit Jahrhunderten ihre Biere, schon damit die noch immer beschädigten Gebäude wiederhergestellt werden können. Und eine neue, funktionierende Notstromanlage sollte auch noch drin sein. (Teil 3 folgt)
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