Umland, Aachen: „Ich will Geschichte so erzählen und beschreiben, dass es nicht langweilig wird“, bringt Reinhard Mäurer seine Passion auf den Punkt. Seit vier Jahren ist der ehemalige Diplom Verwaltungswirt als historischer Stadtführer unterwegs. Ausstaffiert mit blau-schwarzem Wams und historischer Knieschafthose, bietet er in der Rolle des „Christoffel Reginhart“ Thementouren an und lässt die Vergangenheit lebendig werden. Sein geschichtliches Wissen, Brauchtum, Anekdoten und Redensarten aus dem Aachener Raum hat er nun in seinem Buch „Leben in Aquisgranum“ festgehalten. Auf 240 Seiten erklärt Mäurer das mittelalterliche Leben in der Kaiserstadt. Der Band ist reich bebildert mit Fotos, zeitgenössischen Stichen und Gemälden. Rund ein Jahr hat Reinhard Mäurer an dem Buch gearbeitet und die von seinen Stadtführungen bekannten Informationen zur Regionalgeschichte in Form eines Zwiegesprächs zu Papier gebracht.
Aachen war wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert in neun Grafschaften, heute würde man Stadtteile sagen, eingeteilt. Den Anführer einer Grafschaft, die dem jeweiligen Stadttor zugeordnet wurde, nannte man damals „Christoffel“. Eine vom Volksmund abgeleitete Verballhornung des lateinischen „comes stabuli“ (Anführer).
„Geschichte hat mich schon seit der Schulzeit interessiert“, erzählt Mäurer, der 1956 in Düren geboren wurde. „Aachen ist meine Stadt“, sagt er mit Begeisterung in der Stimme. Diese Leidenschaft lässt sich auch aus seinen Texten herauslesen. Profund recherchiert und anregend geschrieben verführt das Buch zu einer Reise in die Vergangenheit. Ausgiebigen Raum widmet Mäurer den damaligen Handwerkszünften: Den Tuchmachern und Tuchfärbern, die Aachens wirtschaftlichen Aufschwung begründeten… Den Kupfermeistern und Kupferschlägern, die ebenfalls für Reichtum sorgten… den Nadelherstellern, deren Können und Qualität in ganz Europa und bis in den Orient hinein gerühmt wurde. Natürlich darf in diesem Kapitel der berühmte „Klenkes“ nicht fehlen – ein Gruß, an dem man echte Aachener erkennen kann. Nach unzähligen Produktionsschritten wurden früher fehlerhaft gearbeitete Nadeln mit dem kleinen Finger aussortiert – „ussklenke“ genannt. Und mit diesem aufgereckten kleinen Finger, dem sogar das Klenkesdenkmal gewidmet ist, begrüßen sich noch heute waschechte Aachener.
Mäurer lüftet so manches Geheimnis: Beim so genannten „Weiberspeck“ handelt es sich nicht etwa um überflüssige Pfunde, wie man heute mutmaßen würde. Im 16. Jahrhundert waren weibliche Rundungen ein Zeichen von Wohlstand. Wer damals diese favorisierten Körpermaße nicht aufweisen konnte, musste halt ein bisschen nachlegen und umhüllte die Hüften mit Tuchpolstern – dem „Weiberspeck“.
Eindrucksvoll erklärt er zum Beispiel auch, woher der Begriff „die Bürgersteige hochklappen“ kommt. Im Mittelalter war es üblich, den Inhalt der Nachttöpfe in hohem Bogen aus dem Fenster zu kippen. Um nicht durch diesen Morast waten zu müssen, wurden für die Adeligen tagsüber Holzbohlen ausgelegt. Und damit diese Stege nachts von oben nicht verunreinigt wurden, klappte man sie mit der Dämmerung hoch…
Mit „Leben in Aquisgranum“ ist Reinhard Mäurer ein spannendes Buch gelungen – eine Fundgrube für geschichtsinteressierte Leser!
Zum Abschluss seiner historischen Stadtführungen kredenzt „Christoffel Reginhart“ seinen Gästen stets einen Schluck vom selbst aufgesetzten „Schlummertrunk“. Der Tropfen mundet seinen Begleitern so vorzüglich, dass sie immer nach dem Rezept fragen. In seinem gerade erschienen Buch verrät Reinhard Mäurer das Geheimnis und gibt es auch an die EIFELON-Leser weiter. Hier das alte, überlieferte Rezept: 1 Liter Dornfelder mit einem Viertelliter 40%igen braunen Rum vermischen. Dann ein Päckchen Vanillinzucker und 240 Gramm Grümmelkandis hinzufügen. Der Aufgesetzte wird anschließend mit 30 Kaffeebohnen verfeinert und muss 14 Tage ziehen.
Nähere Informationen über das Buch und die historischen Stadtführungen unter www.christoffel-zu-aachen.de
Reinhard Mäurer, Leben in Aquisgranum – Christoffel erzählt Geschichten aus Aachen vom 13. bis 18. Jahrhundert, Meyer & Meyer Verlag, 18,50 Euro, ISBN 978-3-89899-895-6
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