Umland, Belgien: Blumen in weiß-rot schmücken links und rechts die Steinbrücke. Im Flussbett der Amel fließt nur spärlich Wasser, wie überall während der heißen Augusttage in diesem Jahr. Mittelalterlicher Gesang tönt von drei jungen Männern aus Zeitvertreib von der Warteschlange. Hinter der Kasse finden sie Einlass zum diesjährigen Mittelalterfest Remouchamps auf der anderen Seite des Flussufers.
Die Gemeinde Aywaille in den belgischen Ardennen hat dafür nicht etwa eine kleine Fläche vorgesehen; im ganzen schmucken Ort Sougné-Remouchamps spielt sich das Mittelalterfest ab – in den kleinen steinernen Gassen, auf den Dorfplätzen und der großen Wiese hinter der Schule am verlängerten Fuß einer zwanzig Meter hohen Felswand. 390 der 4.000 Dorfbewohner organisieren mit. Die Hauptattraktion sind aber zweifelsohne die mittelalterlichen Amateurkompagnien, deren Darbietungen Jung und Alt begeistern und gleichzeitig vor allem die Kinder am mittelalterlichen Leben teilhaben lassen: Beim Bogenschießen, Schwertfechten oder Lanzenwerfen auf einem Holzpferd.
Seit 1994 findet das Mittelalterfest von Remouchamps statt. Den Ort kennen viele Deutsche wegen seiner Grotte. Wie bei den letzten fünf Veranstaltungen sind am 18. und 19. August rund 8.000 Besucher gekommen. Mit dem Gewinn aus den Einnahmen finanziert die Gemeinde die Jugendarbeit für ihre 200 Kinder und Jugendlichen, Jugendräume, Sommercamps und andere Freizeitaktivitäten.
Eine dieser mittelalterlichen Gruppen sind „Les Compagnons de l’Epée-Soleil“. „Jean de Gobba“ gehört der Kompagnie seit zweieinhalb Jahren an. Im wahren Leben Gefängniswärter, muss er seine genaue Aufgabe in der Kompagnie bei Festen wie diesen erst noch finden. Früher in der Schule hat ihn Geschichte nicht interessiert. Wahrscheinlich auch, weil ihn die Art und Weise, wie der Lehrer sie vermittelte, nicht begeisterte.Dann aber, vor zweieinhalb Jahren, besuchte der heute 54-Jährige mit Freunden das Schloss Guédelon südöstlich von Paris, das seit 1997 bis voraussichtlich 2023 nach mittelalterlicher Art nur mit Techniken aus dem 13. Jahrhundert gebaut wird. Ein Arbeiter, gekleidet im Stil des 13. Jahrhunderts, kombiniert mit modernem Sicherheitsequipment, führte sie spontan durch die Großbaustelle.
Hier eine kleine Geschichte über die damalige Zeit, dort gekonnt ein Detail erklärt, das faszinierte mich so sehr, dass ich unbedingt mehr über das Mittelalter wissen wollte“,
sagt „Jean de Gobba“. Er fand gleich in seinem Nachbarort nahe Lüttich die Kompagnie und ist seitdem Teil davon.
Es sind der gemeinsam erlebte Spaß, die Freundschaft, das Zusammensein an der frischen Luft, die Zeit ohne Stress, was dieses Leben für ihn ausmacht. Während die Gruppe auch zu Treffen geht, wo es mehr darum geht, die historische Seite der „Les Compagnons de l’Epée-Soleil“ als Lohnarbeiter für den Duc de Bourgogne auszuleben, ist beim Mittelalterfest von Remouchamps die Show für das Publikum vorrangig.
Und die bieten sie mit vollem Einsatz. Ein Pardon vor der glühenden Mittagssonne gibt es nicht. Das Ritterturnier im Schwertfechten findet in voller Montur bei gefühlten dreißig Grad im Schatten statt. Mehrfach, angefeuert vom Trommlercorps und dem Applaus der Zuschauer. Andere Ritter der Gruppe treten gegeneinander an im Wettkampf , welcher unter ihnen das Schild am besten mit seiner Lanze trifft.
Es sind so viele Aktivitäten, die gleichzeitig oder kurz hintereinander stattfinden, dass der Besuch an einem Tag nicht ausreicht, um alles mitzuerleben: Die Narren, Messerwerfer, Feuerspucker, Fahnenschwinger, die vielen Stände mit Lederwaren, Wildschweinwurst, die aktiven Kinderbelustigungen, sei es seitens der mittelalterlichen Gruppen oder durch die Bewohner mit Kinderschminken und engagierten Marionettentheaterspielern. Es ist ein Fest, dessen Ankündigung für den 22. und 23. August 2020 man sich schon jetzt im Kalender notiert. (www.fetemedievale.be)
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