Umland, Köln: Sie war ein fröhlicher und nachdenklicher junger Mensch. In ihrem Tagebuch stellt Anne Frank Fragen, die noch heute – oder angesichts wachsenden Rassismus und Antisemitismus – gerade heute höchst aktuell sind. So ist die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ im NS-Dokumentationszentrum mehr als „nur“ die Biografie einer jungen Jüdin, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurde.
Im ersten Teil der Ausstellung werden mit Fotos, erklärenden Texten, Zitaten aus dem Tagebuch und historischen Filmausschnitten (unter anderem das einzige Filmdokument, das – durch Zufall – Anne zeigt) das Leben von Anne Frank und der historische Kontext erzählt. 1929 in Frankfurt in eine jüdische Familie geboren, konnte diese schon 1933 nach Amsterdam emigrieren.
Dort baute sich Vater Otto Frank ein Geschäft auf, das er nach Einmarsch der Deutschen aufgeben musste. Als die systematische Verfolgung der Juden zunahm, eine Auswanderung in die USA gescheitert war, versteckte sich die vierköpfige Familie 1942 auf engstem Raum in einem Hinterhaus. In einem dunklen „Gedenkraum“, in dem Zitate aus dem Buch zu hören sind, lässt sich etwas von dieser Enge erahnen.
Die meisten untergetauchten Juden wurden nach Verrat verhaftet
28.000 Juden waren in dieser Zeit in Amsterdam untergetaucht, 9.000 wurden verhaftet – die meisten davon nach Verrat. So wie die Familie Frank im August 1944. Sie wurde deportiert, Anne starb im März 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Als einziger überlebte der Vater, der Annes Tagebuch 1947 veröffentlichte.
Darin hielt der Teenager nicht nur die alltäglichen, bedrückenden Ereignisse fest. Sondern ebenso ihre Träume und die vielen Fragen, die ihr zu ihrem Schicksal durch den Kopf gingen, etwa zu den erträumten Berufen oder den Problemen, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Ein Faksimile zweier Tagebuchseiten zeigt, wie sich die Jugendliche etwa in verschiedenen Schriftarten ausprobierte.
Die Ausstellung wendet sich vor allem – aber nicht nur – an Jugendliche
Kann mich wohl irgendjemand verstehen, über die Undankbarkeit hinwegsehen, hinwegsehen über Jude oder nicht Jude, und nur den Backfisch in mir sehen, der so ein großes Bedürfnis nach ausgelassenem Vergnügen hat?“,
fragte sie am Heiligabend 1943. So altertümlich vielleicht einige Worte sein mögen, die Frage selber ist immer noch aktuell – und sie leitet über zum zweiten Teil der Ausstellung, die sich vor allem an Jugendliche etwa ab der 8. Klasse wendet.
Hier werden Fragen gestellt wie:Wer bin ich?
Stecke ich andere Menschen in eine Schublade – und in welche Schublade werde ich selber gesteckt?
Wie sieht Diskriminierung heute aus?
Eine Herausforderung an die jungen Besucher, darauf persönliche Antworten zu finden.
Jugendliche Besucher können von Gleichaltrigen geführt werden
Die jungen Besucher werden dabei – wenn sich Gruppen dafür anmelden – von Gleichaltrigen ehrenamtlich durch die Ausstellung geführt (Neudeutsch: peer group). 90 hatten sich beim NS-Dok angemeldet, 40 nahmen schließlich an der zweitägigen Schulung teil. Es sind überwiegend Mädchen, sie kommen vom Irmgardis- und Genoveva-Gymnasium in Köln sowie dem Overather Paul-Klee-Gymnasium.
Vielleicht hat Anne Frank mit ihrem Appell vom 6. Juli 1944 ja Erfolg – auch bei Erwachsenen:
„Wie schön und gut wären alle Menschen, wenn sie sich jeden Abend die Ereignisse des Tages vor Augen riefen und prüften, was an ihrem eigenen Verhalten gut und was schlecht gewesen ist. Unwillkürlich versucht man dann jeden Tag von neuem, sich zu bessern, und selbstverständlich erreicht man dann im Laufe der Zeit auch einiges. Dieses Mittel kann jeder anwenden, es kostet nichts und ist sehr nützlich.“.
Die Wanderausstellung ist eine Kooperation des Berliner Anne-Frank-Zentrums mit dem Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Seit 2011 ist sie unterwegs, jetzt in Köln, wo zuvor schon drei andere zu diesem Thema zu sehen waren. Das umfangreiche Begleitprogramm ist im Netz zu finden www.ns-dok.de. Beeindruckend wird es sicherlich, wenn Jacqueline van Maarsen (89), Anne Franks beste Freundin, am 17. Mai, 19.00 Uhr, aus ihrem Leben erzählt. Am 7. Juni, 19.00 Uhr, kommt Anita Lasker-Wallfisch, Überlebende des Mädchenorchesters von Auschwitz, als Zeitzeugin nach Köln. [ehu]
Die Ausstellung ist bis zum 1. Juli dienstags bis freitags von 10.00 bis 18.00 Uhr, an Wochenenden von 11.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Jeden ersten Donnerstag im Monat von 10.00 bis 22.00 Uhr. Der Katalog kostet 10,00 Euro.
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