Umland: Ein Paradies für Naturfotografen… ursprüngliche Landschaften… spektakuläre Aussichten… Die Reiseführer überschlagen sich mit ihren Beschreibungen über die Schönheit einer besonderen Region Georgiens: Tuschetien. Es befindet sich im Osten des Landes und grenzt im Norden hin an Tschetschenien und im Osten an Dagestan. Drei Tage wollten wir im Großen Kaukasus verbringen, dessen höchste Gipfel (allerdings nur im Norden der Gebirgskette) die 5.000 Meter erreichen. Der Ausflug in die Berge war Teil unserer Georgien-Reise (Bericht in EIFELON in der vergangenen Woche). Die Strecke von der Alazani-Ebene bis nach Omalo, unserem Zielort, beträgt rund 70 Kilometer. Auf einer gut ausgebauten Straße kein Problem, doch in Tuschetien gibt es keine ausgebauten Straßen.
Schnell merkten wir, wie sinnvoll es war, in einen Geländewagen umzusteigen. Die Straße wurde schon nach kurzer Zeit zu einer Schotterpiste. Wo es vorher noch gemächlich am Stori, einem Nebenfluss des Alazani, entlangging, schlängelte sich der Weg immer weiter in die Höhe. Suliko, unser Fahrer, ist Tusche und kennt sich bestens aus. Souverän umfährt er die gröbsten Schlaglöcher und sucht geduldig nach einem Haltepunkt, wenn wir wieder einmal „Fotostopp“ rufen. Wir schrauben uns immer höher in Richtung Abano-Pass und die Aussicht ist grandios. Einerseits können wir noch in das Tal zur Alazani-Ebene schauen, andererseits schweift der Blick auf die Schnee bedeckten Gipfel des Großen Kaukasus. Trotz enger Schotterpisten fühlen wir uns sicher mit Suliko. Doch wenn der Blick aus dem Fenster ins nebulöse Nichts gleitet, kann es einem schon ein wenig mulmig werden. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Wir wollen nach Omalo und müssen dafür den knapp 3.000 Meter hohen Abano-Pass überqueren. Auf eine spektakuläre Aussicht mussten wir allerdings auf dem Hin- wie auf dem Rückweg verzichten – Nebel hüllt die Gipfel ein und es regnet. Der Schnee hier oben ist dreckig und grau. Schon weiter unten stießen wir auf die ersten Schaf- und Rinderherden. Denn seit hunderten von Jahren treiben die Tuschen ihr Vieh im Frühjahr ins Gebirge hinauf und im Herbst wieder hinunter. Auch die Tiere müssen den Pass überqueren. Drei bis vier Tage sind sie unterwegs, bis Mensch und Tier in ihre Dörfer kommen, die sie nur im Sommer bewohnen. Fahrzeuge mit Stroh und Futter begleiten die Herden, denn rechts und links gibt es auf der Piste kaum etwas zu futtern für die Tiere. Doch die Tradition treibt die Tuschen in die Berge, jedes Jahr auf Neue. Die Häuser werden erst ab etwa Mai wieder bezogen, vorher ist die Straße über den Pass nicht befahrbar.Die Menschen führen dort ein einfaches Leben. Strom wird mittlerweile meist über kleine Solarpanels erzeugt, doch Luxus sieht anders aus. Dafür leben sie inmitten einer grandiosen Naturlandschaft. Für mich als Nordlicht ist die Bergwelt unglaublich beeindruckend. Wenn man am Fuße der Deiche aufgewachsen ist, zählt die Eifel fast schon zum Hochgebirge. Der Blick auf 3.000 bis 3.500 Meter hohe Gipfel wird da zu einem tiefgreifenden Erlebnis.
In Omala angekommen, beziehen wir unsere Zimmer – es ist sehr rustikal. Unsere Gastgeberin Tsiala ist jedoch ganz stolz auf ihr kleines Türmchen. Um in die Zimmer zu kommen, müssen wir allerdings erst einmal vom Speiseraum aus durch eine sehr enge Öffnung in den Turm steigen – für unsere Männer mit mehr als 1,90 Meter nicht so ganz bequem. Drei Doppelzimmer befinden sich übereinander und jedes Zimmer hat immerhin ein eigenes Bad. Mit warmen Wasser sollte man aber nicht unbedingt rechnen. Etwas fehlt außerdem: Fensterscheiben in den kleinen Öffnungen des Turmes! Es ist Anfang Juni und noch ziemlich kalt auf knapp 3.000 Metern Höhe und die Decken, die schon auf dem Bett liegen, sind für die Nacht mehr als angebracht. Doch Tsiala bringt uns weitere Decken, mit denen wir die Löcher für die Nacht stopfen können. Also hoffen wir, dass wir am nächsten morgen nicht mit Eiszapfen an der Nase aufwachen…Nach dem Regen, der uns auf der Fahrt in die Berge begleitet hatte, reißt der Himmel doch noch auf und wir können zum Wehrturm hinauf steigen. Die Sonne durchbricht die Wolken und bietet faszinierende Licht- und Schattenspiele an den Hängen – grandios. Abends richten wir es uns gemütlich im Speiseraum ein, ein Feuer brennt im Kamin und das Essen ist wieder einmal super. Ich hatte mit wesentlich einfacherer Kost gerechnet, schließlich muss alles über die eine Straße in die Berge hochgefahren werden. Doch unsere Gastgeberin erweist sich als vorzügliche Köchin und die Speisenauswahl als reichlich.
Das Wetter während unserer Bergtour ist durchwachsen doch neben dem Regen gibt es trockene Phasen und auch die Sonne bescheint uns ab und zu. Das Dorf Dartlo im Pirikiti-Tal sollte bei einer Tour in die Berge nicht fehlen. Eine Holz-Veranda gehört zu den Häusern der Bergregion dazu und die Holzschnitzereien sind vielfach wunderschön. Nicht nur in Dartlo treffen die Besucher auch auf die archaische Seite Tuschetiens. Die ersten Bewohner flohen vor der Zwangschristianisierung in die Berge und lebten seitdem hier. Erst im 8. und 9. Jahrhundert nahmen die Tuschen den christlichen Glauben an und damit rund 500 Jahre später als die anderen Georgier. Noch immer gibt es viele kleine – nichtchristliche – Heiligtümer, die von vielen Tuscheten noch verehrt werden. Frauen haben zu diesen Heiligtümer oftmals keinen Zugang – ebenfalls ein Überbleibsel der alten Bräuche.Der dritte und letzte Tag unseres Ausfluges in die kaukasische Bergwelt beginnt mit Frühnebel. Die Schwaden ziehen noch durch den Ort und versperren den Ausblick in die Umgebung. Mystisch und bizarr wirkt Omalo nun, doch diese Stimmung hält nicht lange an. Die Sonne setzt sich durch und der Ausflug ins Gometsari-Tal kann starten. Suliko will uns unbedingt noch sein Heimatdorf zeigen – Iliurta. Doch vorher machen wir Station in Bochorma, dem höchsten dauerhaft bewohnten Ort in Tuschetien. Auf 2.355 Meter befinden wir uns und ein Besuch ist in diesem Dorf obligatorisch: Jeder,
der hier hält, sollte schauen, ob Irakli Chredaguridze da ist. Er ist Arzt und lebt das ganze Jahr über in den Bergen. Er ist im Übrigen der einzige Arzt in den Bergen und begrüßt jeden Besucher freudig. Zufällig hat er ein paar Geografie-Studenten aus Tbilissi mit ihrem Professor zu Gast und auch wir werden natürlich zu einem (besser gesagt drei) Gläsern Cha-Cha, dem georgischen Grappa, eingeladen. Soviel Zeit muss sein und die Georgier als gute Gastgeber bestehen darauf. Gut, dass wir einen Fahrer dabei haben, der sich mit Wasser begnügt! Unterwegs treffen wir immer wieder auf Hirten mit ihren Herden und Suliko scheint sie alle zu kennen. Jedes Mal ein kurzer Stopp, ein kurzer Plausch und auf der Pass-Straße gibt es aktuelle Informationen über den Zustand der Straße.Tief beeindruckt von dieser Bergwelt und den freundlichen Menschen fahren wir wieder Richtung Tbilissi. Wieder ist es nebelig auf dem Abano-Pass, doch fantastische Ausblicke auf die Gipfel haben wir in den Tagen ausreichend gehabt. Unten im Tal in Alaverdi holt uns Davit wieder ab und wir setzen unsere Fahrt in Richtung Westen Georgiens weiter fort.
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Wow; was für eine grandiose Landschaft! Tolle Bilder; machen Lust auf mehr: wann kommt der Travel slam im Faircafé in Zülpich oder im Siechhhaus?
;-)…
Gruß, themartinix.
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