Bad Münstereifel: Zirkusimpressionen können die Besucher des Bad Münstereifeler Kulturhauses theater 1 demnächst hautnah erleben: Zum Auftakt der neuen Schauspiel-Saison eröffnen Christiane Remmert und Jojo Ludwig die Fotoausstellung „Zirkusluft“. Nach seinem Grafikdesign-Studium in Bremen, bei dem Fotografie ein wichtiges Thema war, arbeitete Theaterleiter Jojo Ludwig in den 1970er Jahren als freiberuflicher Fotograf und realisierte für einen Frankfurter Verlag eine Reportage, die das Zirkusleben hinter den Kulissen zeigen sollte.
Doch er wollte auf keinen Fall voyeuristische Schnappschüsse, so wie sie viele Fotografen aus Angst vor dem direkten Kontakt mehr oder weniger heimlich mit dem Teleobjektiv machen. Ihm war klar, dass die wahren Gesichter und Stimmungen mit der Kamera nur dann festzuhalten sind, wenn er die Nähe zu den Menschen sucht. So wuchs zwischen den Artisten und dem Fotografen im Laufe der Zeit eine freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehung. Die Zirkusleute gewährten ganz persönliche Einblicke in ihr Privatleben, in Probensituationen oder in das Treiben fern ab der Vorstellungen. Die Bildervielfalt, die damals entstand, spiegelt nicht nur alltägliche Situationen außerhalb der Manege wider. Die vor 40 Jahren entstandenen Fotos sind gleichzeitig Zeitdokumente und portraitieren das Zirkusleben ohne romantische oder nostalgisch verklärende Klischees: Ein liebenswerter Blick auf die Artistenwelt – auch hinter den Kulissen.
Um die Foto-Dokumentation ausstellen zu können, mussten die alten Schwarz-Weiß-Negative aufwändig eingescannt und restauriert werden. Ungewöhnlich wie die Motive auch die Präsentation der Bilder: Statt eingezwängt in Bilderrahmen an der Wand zu hängen, scheinen die Fotos durch den Raum zu fliegen. So, als habe beispielsweise ein Windstoß von vorbei galoppierenden Zirkus-Pferdchen oder der schwungvoll geschlossene Manegen-Vorhang die Fotografien im Flur des Kulturhauses durcheinandergewirbelt… Diesen faszinierenden Effekt erreicht Jojo Ludwig, indem er die großformatigen Fotos an dünnen Nylonfäden scheinbar schwerelos durch den Raum schweben lässt.
„Zu unserer Ausstellung erscheint ein Fotobuch, in dem 45 meiner Bilder veröffentlicht werden“, erzählt Jojo Ludwig. Herzstück der Dokumentation ist eine liebens- und lesenswerte Hommage an eine ungewöhnliche Frau: Die 1,36 Meter kleine Großmutter von Christiane Remmert: „Meine Großmutter hätte in jedem Zirkus auftreten können“, erinnert sich die Theaterleiterin.
„Sie war unglaublich gelenkig. Zu meiner großen Freude stand Omi Kopf. Und dabei rezitierte sie Gedichte, mit Vorliebe solche von Heine, Tucholsky, Eichendorff, Jessenin und Puschkin. Aber das wusste ich als Kleinkind noch nicht. Als Dreijährige musste ich schon bei unserer Begrüßung lachen, wenn sie auf den Händen laufend zur Tür kam, um mich zu küssen. Dazu beugte ich Dreikäsehoch mich zu ihrem Gesicht hinunter und nicht sie zu meinem, wie das üblicherweise war“, schreibt sie in ihrem Portrait „Manege frei für Großmutter“. „Wenn sie dann weiter auf Händen in den Garten eilte und ihre Nase zum Riechen bequem in die Blumen stecken konnte, ohne sich bücken zu müssen, lachte ich Tränen. Sie kam schnell vorwärts und auch rückwärts, oben zappelten ihre nackten Füße mit knallrot lackierten Nägeln in der Luft.“ Ein entzückend geschriebener Essay über eine unkonventionelle Frau, deren Abenteuer an „Pippi Langstrumpf“ erinnern – nur dass die kleine große Dame ihren Lebensunterhalt als Sonderschullehrerin verdiente. Trotzdem konnte der 1914 geborene Tausendsassa zaubern, Tiere dressieren und Wellensittiche zu Sprechen bringen. „Von ihr habe ich meine Liebe zur Bühne geerbt“, ist sich Christiane Remmert sicher. Nach der Vernissage am Sonntag, dem 6. September, um 16.00 Uhr ist die Ausstellung immer eine Stunde vor Beginn der Veranstaltungen geöffnet. Weitere Informationen gibt es unter 02257 – 4414 oder unter www.theater-1.de. Auf der Webseite findet sich zudem das neue, exquisite Veranstaltungs- und Theaterprogramm der nächsten Monate.
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