Heimbach, Hasenfeld: Ohne es zu wissen, sind vielen hier in der Region seine Fotos von Kindesbeinen an vertraut: Sie kennen seine Eifel-Motive von Postkarten, aus dem Erdkundebuch, vom schnellen Griff zur Milchpackung. Nun vollendete dieser Foto-Pionier, der die Region stets liebevoll im Fokus hatte, sein 90. Lebensjahr. Gefeiert wurde im Schmidter Hotel Roeb. „Dort, wo ich damals als junger Kaffeeschmuggler immer Station machte“, erzählt der alte Herr mit einem spitzbübischen Lächeln. Eigentlich wollte Justra Konzertpianist werden, doch der Zweite Weltkrieg durchkreuzte alle Pläne. Der junge Mann musste – von der Schulbank weg – in den Krieg. Im Marschgepäck hatte er stets einen Stapel Reclam-Partituren.
Erst 1950 fand der 1925 im Sudetenland geborene Erich Justra in Heimbach eine zweite Heimat. „Schon in den 1950er Jahren erkannte mein Vater den hohen Erholungswert dieser Region und gab mir den Tipp, Postkarten zu fotografieren“, blickt er zurück. Und so bannte Erich Justra 60 Jahre lang die Schönheit der Eifel auf Zelluloid. Zunächst noch in Schwarz-Weiß. Mit seinem Motorrad brauste er damals durch die Region – immer auf der Suche nach dem passenden Motiv.Wie vom Vater prophezeit, blühte der Eifel-Tourismus auf; das Postkartengeschäft boomte und der junge Justra gründete in Heimbach seinen eigenen Verlag. „Teilweise hatte ich hier 750.000 Postkarten mit den unterschiedlichsten Eifel-Motiven auf Lager“, erzählt er. Seine zahlreichen Fotomappen sind mittlerweile wertvolle Zeitdokumente: 60 Jahre Eifel-Entwicklung im fotografischen „Zeitraffer“.
Egal ob die Aufstockung der Rurtalsperre, 1950er-Jahre-Autorennen auf dem Nürburgring oder der Bau des Aachener Klinikums: Erich Justra war immer mit der Kamera dabei. Für seine begehrten Luftaufnahmen, die er auf einem Negativ-Format von 13×18 Zentimetern belichtete, ließ sich der Autodidakt und Tüftler sogar einen Fotoapparat mit speziellem Alu-Gehäuse anfertigen. „Dieses Unikat war während des Fluges leichter zu handhaben als die herkömmlichen Kameras“, erinnert sich der 90-Jährige an sein Husarenstück. Die eindrucksvollsten Luftbilder der Eifel-Maare wurden anschließend in den Erdkundebüchern eines Münchener Schulbuchverlages veröffentlicht. Das Thema Vulkanismus hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Er dokumentierte dieses Phänomen auch außerhalb der Eifel: Von der Insel Vulcano vor Sizilien bis hin zum Vulkan Eyjafjallajökull auf Island.
Der Foto-Visionär Erich Justra war stets seiner Zeit voraus. Als erstem Fotografen gelang es ihm 1968, einen großformatigen, farbigen Bildband „Die Eifel im Farbbild“ auf den Markt zu bringen. Durch dieses Standardwerk, das bereits im ersten Jahr eine Auflage von 20.000 Exemplaren erreichte, wurden große Unternehmen auf den Heimbacher Fotografen aufmerksam. Für die Bitburger Brauerei gestaltete er in den Folgejahren Foto-Kalender: „Damals hingen meine Luftaufnahmen von Burgen, Schlössern, Seen und Flüssen der Eifel in jeder Gaststätte“, schmunzelt der alte Herr.
Auch die hiesige Milchindustrie verwendete Fotos des Heimbachers: Während eine Firma die Verschlussfolien der kleinen Kaffeesahne-Portionen für die Gastronomie mit seinen Eifel-Impressionen – u.a. Kloster Steinfeld, Kakushöhle, Satzvey oder Monschau – verzierte, verwendete ein anderes Unternehmen sein Motiv von friedlich grasenden Kühen für ihre Milchverpackungen. „Dieses Bild entstand damals auf den Hergartener Höhen und wurde anschließend für den Druck bearbeitet“, erinnert sich der Senior.
Vor gut fünf Jahren entdeckte der damals 84-jährige Erich Justra ein neues Aufgabengebiet: Für den Heimbacher Geschichtsverein digitalisierte er die historischen Fotos und Postkarten aus dem Archiv. Über 1.800 Einzelmotive hat er inzwischen sortiert, per PC bearbeitet und katalogisiert. „Früher habe ich meine Negative mit speziellen Bleistiften retuschiert“, erinnert sich der Fotograf. Im digitalen Zeitalter restaurierte er die alten Heimbacher Aufnahmen am Computer. Manchmal Pixel für Pixel. Abschließend druckte er das „optische Gedächtnis“ der Eifel als Kontaktabzüge aus. Seite für Seite im DIN-A4-Format. „So lassen sich später die einzelnen Motive viel schneller wiederfinden“, weiß der Profi. Unter den vielen Gratulanten zum runden Geburtstag war natürlich auch Peter Cremer. Diesmal gleich in doppelter Funktion: Als Heimbacher Bürgermeister und als erster Vorsitzender des hiesigen Geschichtsvereins.
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