Bad Münstereifel, Ohlerath: Wie fühlt es sich an, ein Außenseiter zu sein? Jemand, der kein Handy hat, obwohl alle anderen in der Klasse eines haben. Nicht chatten zu können, keine Spiele, kein Facebook. Für die Jugend ist ein Handy bzw. Smartphone etwas Alltägliches, es gehört einfach dazu. Für Benjamin Neukirch nicht. Jedenfalls nicht, als er aufs Gymnasium kam.
Seine Eltern hatten entschieden: Du bekommst jetzt noch kein Handy. Benjamin, vor kurzem 14 Jahre alt geworden und inzwischen Besitzer eines Smartphones, hat es erlebt, wie es ist, sich vor anderen rechtfertigen zu müssen, ein Stück weit außen zu stehen. Aus heutiger Sicht sei die Entscheidung seiner Eltern richtig gewesen, meint Benjamin. Doch vor zwei Jahre hat es natürlich auch viele Diskussionen gegeben. „Es gab Zeiten, da hätte ich gerne so ein Handy gehabt“, gibt der Schüler offen zu. Dann habe er aber auch gedacht, „so ist es, ich komme auch so zurecht“.
Benjamin hat aber nicht nur das Beste aus der Entscheidung seiner Eltern gemacht, er hat in dieser Zeit seine Umgebung genau beobachtet und seine Erkenntnisse zu Papier gebracht – er hat sich seine Erlebnisse quasi von der Seele geschrieben. Das zeigte er später seinen Eltern. Es sei fast schon ein Manuskript gewesen, meint Vater Ralf Neukirch. Da lag die Entscheidung nahe, einen Verlag zu suchen und die Erlebnisse des Jungen zu veröffentlichen. „Ich und kein Handy“ heißt das Buch, in dem er seine Erfahrungen reflektiert.
Ein richtiger Außenseiter sei er in seiner Klasse eigentlich nicht gewesen, meint Benjamin. Die Mitschüler hätten natürlich nachgefragt, aber er sei nicht ausgegrenzt worden. Sie hätten ihm seine Kindheit noch etwas verlängern wollen, erklärt Mutter Johanna Neukirch die Entscheidung, er sollte die „Welt zum Anfassen“ noch länger erleben. Die viele Technik käme noch früh genug. Dieses „Jeder muss es haben“ wollten die Eltern des jungen Eifelers nicht unterstützen. Sie wollten ihm zeigen, dass man nicht immer alles mitmachen muss, was andere machen. Man kann es auch aushalten, anders zu sein.Benjamin wohnt mit seinen Eltern in Ohlerath, einem Ort, der zu Bad Münstereifel gehört und mitten in der Natur liegt. Nebenan auf dem Grundstück teilen sich Schweine, Gänse und Ziegen eine Wiese und der Blick kann frei in die Eifel wandern. In dieser ländlichen Umgebung wächst Benjamin auf, er fertigt gerne Bögen aus Haselnussszweigen, geht in den Wald, fährt Trecker und lässt Modellflugzeuge fliegen. Doch er spielt auch mit viel Spaß Fußball. Manchmal gelang es ihm, seine Kumpels aus dem Ort von ihren Computern und Spielkonsolen wegzureißen, um draußen gemeinsam zu spielen, doch oftmals zogen die Freunde die virtuelle Welt vor. Viele Besonderheiten seien ihm an den anderen aufgefallen, erinnert sich Benjamin. Diese riesige Liebe zum Handy habe ihn erstaunt und wenn es mal nicht funktionierte, seien alle so entsetzt gewesen. Doch auch Wut und Hass habe er gespürt, wenn sie beispielsweise bei einem Spiel ein bestimmtes Level nicht erreichten. Diese Sorgen hatte der damals 12-Jährige nicht. Stattdessen beobachte er seine Umwelt. „Diese Erfahrung ist ein Teil von mir“, sagt er heute.
Seinen Freunden hat er nicht erzählt, dass er ein Buch geschrieben hat. Erst als es gedruckt war, erfuhren sie davon. Benjamin überreichte seinem damaligen Klassenlehrer Markus Ramers ein signiertes Exemplar. Seine Mitschüler hätten spontan applaudiert: „Das war toll“. Inzwischen hat der junge Autor schon seine erste Lesung in einer Buchhandlung in Bad Münstereifel gehalten, auf Initiative von Elke Andersen.Mittlerweile hat Benjamin ein Smartphone, doch sein Leben bestimmt es nicht. Er höre im Bus gerne darüber Musik oder spiele schon mal mit den anderen. Praktisch sei es auch, jetzt in den Klassengruppen bei What‘s App zu sein. Doch der Jugendlich kann seine neue technische Errungenschaft auch schon mal ein paar Tage lang nicht benutzen. Unternehmungen in der Natur, Lagerfeuer im elterlichen Garten oder Kochen zählen zu seinen Leidenschaften. „Ich bin ein großer Nudelfan.“ Nicht verwunderlich für einen 14-Jährigen und er bekocht die Familie.
Das Buch „Ich und kein Handy“ von Benjamin Neukirch ist im Synergia-Verlag erschienen, ISBN 978-3944615441, es kostet 15,90 Euro. Auch die darin enthaltenen Zeichnungen und Karikaturen sind von Benjamin Neukirch.
Bisher 1 Kommentar
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Ein erfreulicher Bericht zu Benjamins besonderem und lesenswertem Buch. Ich wünsche unseren Jugendlichen, dass sie die wirkliche Welt genießen bzw. in ihr die auftretenden Probleme angehen und lösen. Die neuen Medien verstehe ich als Hilfmittel.
Lehrer und Eltern sollen die Studienlage zu bereits bekannten Risiken der Hochfrequenzstrahlung zur Kenntnis nehmen. Kinder dürfen keine Versuchskaninchen sein! Im Umgang mit Handystrahlung müssen wir auch Rücksicht auf andere nehmen lernen. Beim Rauchen haben wir das geschafft; auch mit der Strahlung belasten wir die Umgebung. H. R.
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